Appen. Marseille-Kaserne in Appen beherbergt eine von 15 Sportfördergruppen der Bundeswehr. Fünf Top-Athleten berichten über ihren Alltag
Sie sind Spitzensportler in Diensten der Bundeswehr und holen bei den Olympischen Spielen jedes Mal fast die Hälfte aller Medaillen. Wie sich der Wehrdienst in Uniform mit dem Training und den Wettkämpfen im Leistungssport vereinbaren lässt, berichteten jetzt fünf erfolgreiche Sportler der Sportfördergruppe Hamburg bei einer Diskussionsrunde in der Marseille-Kaserne in Appen, die zu ihrem Übungsgelände gehört. Mit der Beachvolleyballerin Kira Walkenhorst (27) oder auch dem Ruderer Richard Schmidt (30) sprachen zum Beispiel zwei Olympiasieger und Weltmeister vor den 150 Zuhörern im voll besetzten Offiziersheim.
„Die systematische Sportförderung der Bundeswehr begann vor den Olympischen Spielen von 1972 in München“, berichtete Lars Apitz, der 80 Soldaten in der Sportfördergruppe leitet. Bundesweit würden heute jährlich 35 Millionen Euro für 750 Spitzensportler ausgegeben. „Damit ist die Bundeswehr größter Förderer des Spitzensports“, sagte Apitz. „Ohne die Sportfördergruppe könnte ich den Leistungssport gar nicht betreiben“, sagt Schmidt, was die Sportkameraden alle für sich bestätigten.
„Dabei ist es oft ein schwieriger Spagat für Topathleten, ihr Training mit Lehrgängen bei der Bundeswehr zu koordinieren“, sagt Fördergruppenleiter Apitz. Die meiste Zeit seien seine Schützlinge weltweit unterwegs, um die besten Trainingsmöglichkeiten zu haben und an den internationalen Wettkämpfen teilnehmen zu können.
„Vor allem im Beachvolleyball ist das ein Leben aus dem Koffer in Hotels“, berichtet die Stabsgefreite Kira Walkenhorst. „Doch auch wenn wir an den Stränden Brasiliens für unsere Titel trainieren können, weil wir ja der Sonne hinterher fliegen müssen – von Land und Leuten bekommen wir kaum etwas mit. Das ist ein Fulltime-Job.“ Nach zweimaligem Training pro Tag, sechsmal die Woche, gehet es zum Physiotherapeuten und zur Trainingsanalyse. „Da bleibt praktisch 250 Tage im Jahr keine Zeit zum Sightseeing.“
Dafür haben sich ihr Standing und die finanziellen Möglichkeiten seit dem Gold von Rio de Janeiro verändert, sagte Kira Walkhorst. Plötzlich hat ihre Randsportart große Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. „Statt mit billigsten Airlines zu unmöglichsten Zeiten zu fliegen, können wir uns nun mehr Luxus leisten“, bekennt Kira Walkenhorst, die mit Partnerin Laura Ludwig dieses Jahr in Wien auch Weltmeisterin wurde. „Ob ich aber nochmal zur Bambi-Verleihung gehe, überlege ich mir noch.“
Die Fokussierung der Medien auf Fußball und Olympische Spiele in Deutschland stört auch Segler Phillip Peter Buhl. „Leistungssport ist hier nichts mehr wert“, so die Erfahrung des gebürtigen Bayern (27). Das sei insbesondere in den USA völlig anders. „Da lebt die ganze Nation den Sport. Das ist richtig spürbar. Hierzulande dagegen kritisieren die Sportverbände zwar schlechte Medaillenspiegel, aber kürzen dann doch wieder die Mittel. Darum ist die Sportförderung der Bundeswehr für uns ein Geschenk.“
Athleten begrüßen dezentrale Struktur der Förderung
„Allerdings sollte die Struktur mit den 15 Stützpunkten nicht verändert oder gar zentralisiert werden“, fordert der Hamburger Sebastian Bayer (31), mit 8,71 Meter bester deutscher Weitspringer in der Halle aller Zeiten. „Als verantwortungsvoller Familienvater müsste ich es mir genau überlegen, wenn meine Sportfördergruppe in ein anderes Bundesland verlagert würde.“
Eingeschränkt im Bewegungsspielraum sind Leistungssportler auch durch Kontrollen der deutschen Anti-Dopingagentur (NADA). Jeden Tag müssen sie vermelden, wo sie sich gerade aufhalten. „Da kann jeder im Internet genau nachlesen, wo ich die letzten vier Jahre war“, sagt Kira Walkenhorst. Wer dreimal nicht am angegebenen Ort anzutreffen ist, wird als Dopingsünder gesperrt.
„Offenbar ist da die deutsche Bürokratie im internationalen Vergleich wieder besonders gründlich. Meine niederländischen Kollegen in der Trainingsgruppe lachen sich kaputt, wenn sie hören, dass ich mich wieder abmelden muss“, sagt Sebastian Bayer und beschreibt einen großen Unterschied: „In den USA, werden Dopingkontrollen eine Woche im voraus angekündigt, und der Trainer sucht sich dann den Sportler aus, den er dafür abstellt.“ Oberst Michael Skamel, Kommandeur der Unteroffizierschule der Luftwaffe in Appen, zeigte sich beeindruckt. „Die Engmaschigkeit dieser Dopingkontrolle wäre auch was für mein Vorzimmer.“