Barmstedt. Ninja Rathjens gewann kürzlich mit Deutschland U25-Mannschaftsgold in der Dressur. Ihre Pferde leben in einer Luxus-Anlage in Sittensen.
Es war Liebe auf den ersten Blick. „Als ich Emilio sah, traf es mich wie ein Blitz“, sagt Ninja Rathjens, die vor allem von seiner Schönheit und Eleganz angetan war. Aus dem emotionalen Feuerwerk hat sich eine tiefe Beziehung zwischen der Reiterin vom Elbdörfer und Schenefelder RV und ihrem Pferd entwickelt – und obendrein eine sportlich außerordentlich erfolgreiche: Mit dem Wallach ist die Barmstedterin zuletzt mit dem deutschen Team Dressur-Europameisterin der U25-Junioren geworden. „Natürlich macht mich das sehr stolz. Ich hoffe, dass ich auch 2018 wieder bei der EM dabei sein kann“, sagt Rathjens, die als Nachnominierte den Sprung zu diesem Wettkampf geschafft hatte. Der Weg zu diesem Erfolg war lang und ein Bruch mit Konventionen.
Denn normalerweise folgt ein Pferd dem Reiter. Es wird gekauft, abgeholt und in den Stall des neuen Besitzers gebracht. Bei der 23 Jahre alten BWL-Studentin lief es umgekehrt. Sie verließ ihr angestammtes Gestüt in Appen und folgte dem Schimmel Emilio in die Stallungen von Hans Siemers (69) ins niedersächsische Sittensen. Ihre beiden Hannoveraner Renoir und De Nino nahm sie gleich mit. Nun trainiert sie alle drei Pferde im Kreis Rotenburg/Wümme.
Warum sie das macht, erkennt derjenige schnell, der Ninja Rathjens dort besucht. Die 25 Hektar große Anlage ist akkurat gepflegt und mit einem Dressur- und Springplatz ausgestattet. Auf weitläufigen Wiesen können sich die
45 auf dem Hof untergebrachten Pferde austoben. Die Bereiche von Dressur- und Springpferden sind anders als üblich strikt getrennt, die Tiere können sich beim Training nicht in die Quere kommen.
Die Boxen sind wie eine Art Wagenburg in zwei große Pavillons eingebaut. Das hat mehrere Vorteile: Die Pferde haben alle Blickkontakt, große Fenster geben Schutz vor Zugluft und lassen die Boxen hell und freundlich wirken. Die Boxen sind jeweils fast 15 Quadratmeter groß, für einige Pferde hat Stallbesitzer Siemers die Trennwände entfernen lassen.
„Wir haben auch Suiten“, sagt der sichtlich entspannte 69-Jährige und schmunzelt. Tatsächlich wirken die videoüberwachten Stallungen direkt hinter dem Golfplatz von Sittensen wie ein Fünf-Sterne-Hotel, während andere oftmals eher dem Charme von Jugendherbergen entsprechen. Auf Siemers’ Reitclub Königshofer Heide sind ausschließlich teure Sportpferde mit hohem Potenzial untergebracht.
Ein entscheidender Faktor ist zudem die Betreuung. Ninja Rathjens wird von Janina Siemers (40) trainiert, Tochter von Hans und Bettina Siemers und selbst eine erfolgreiche Dressurreiterin. Sie hat als Trainerin 14 ihrer Schüler für Europameisterschaften qualifiziert. „Janina ist die Chefin hier, meine Frau und ich sind eigentlich im Ruhestand“, sagt Siemers, während die 63-Jährige Kaffee einschenkt. Die Betonung liegt auf dem „eigentlich“. Denn natürlich hat Siemers Senior alles im Blick.
Angefangen hatte Ninja Rathjens tierische Leidenschaft, als sie neun Jahre alt war. Sie lag ihr nicht im Blut, denn ihre Eltern Hans-Werner (69) und Maren (63) hatten keinen Bezug zu Pferden. Doch nach langem und hartnäckigem Drängen der Tochter gaben sie nach und kauften Ninja ein Pony. „Ich habe meine Eltern richtig genervt“, sagt Ninja. Als 13-Jährige stieg sie vom Pony aufs Pferd um. Ihre Leidenschaft und das Training trugen Früchte: Mit Renoir gewann sie in den Jahren 2013, 2014 und 2015 die schleswig-holsteinischen Dressur-Landesmeisterschaften der Junioren.
Übernachtet wird auch mal im Pferdetransporter
Und dann kam Emilio, der schöne Schimmel. „Emilio hat verrückterweise eine reine Springpferdabstammung“, sagt Gestütsbesitzer Hans Siemers. „Das wusste Ninja natürlich, als sie ihn kaufte.“ Umso erstaunlicher, dass er sich zu so einem hervorragenden Dressurpferd entwickelte. „Emilio blieb gar nichts anderes übrig“, sagt Ninja und lacht: „Denn für den Springsport fehlt mir der Mut.“
Der Alltag der 23-Jährigen ist durchgetaktet. Vormittags arbeitet sie im Barmstedter Bauunternehmen ihres Vaters. „Das möchte ich später übernehmen und führen“, sagt Ninja. Deshalb macht sie ein BWL-Fernstudium. Jeden Mittag fährt sie 80 Kilometer nach Sittensen. Dort kümmert sie sich um Renoir, De Nino und Emilio, der die meisten Trainingseinheiten bekommt.
Wenn es mal wieder spät geworden ist, übernachtet sie in ihrem Pferdetransporter. Der steht auf dem Siemerschen Hof, ist zwölf Meter lang, 26 Tonnen schwer, bietet Platz für bis zu fünf Pferde und ist zugleich ein mit allem Komfort ausgestattetes Wohnmobil. Den Koloss hat sie gerade wieder gebraucht. Am vergangenen Wochenende fuhr sie mit EM-Gewinner Emilio zum Dressurturnier nach Herling (Dänemark). Der Ort ist eine Drehscheibe für den internationalen Spring- und Dressursport. „Wir haben in zwei Prüfungen den dritten und den fünften Platz belegt“, freut sich Ninja.
Zwei weitere Erfolge von Rathjens und Emilio. Damit gibt sich die junge Frau – wen wundert’s – nicht zufrieden. „Wir arbeiten jetzt weiter an den Bewegungsabläufen, den Piaffen und Passagen. Das ist die hohe Kunst. Wir wollen noch exakter und punktgenauer reiten.“