Elmshorn. EMTV-Geschäftsführer Mark Müllerspricht im Interview mit Abendblatt-Reporter Norbert Scheid über die Herausforderungen des Sportvereins.

Deutschland und seine Sportvereine – allein beim Elmshorner MTV eine 157 Jahre alte Erfolgsgeschichte. Aber wohin geht die Entwicklung? Mutieren vor allem die Großvereine zu einer Art Fitness- und Gesundheitsfabrik? Oder bewahrt sich etwas vom traditionellen Heimatverein? Mark Müller ist ein Fachmann für diese Fragen. Er war zwei, als die Mama ihn mit zum EMTV in die Krabbelgruppe nahm. Als Fußballer hat er lange, auch beim VfL Pinneberg, in der Oberliga gespielt. Der 35-Jährige hat BWL und Sportmanagement studiert. Seit fünf Jahren ist er Geschäftsführer seines Stammvereins. Das Hamburger Abendblatt sprach mit ihm.

Herr Müller, ein Großverein mit mehr als 5000 Mitgliedern, ist das inzwischen nicht längst eine Fitness- und Gesundheitsfabrik oder doch auch noch ein Heimatverein?

Mark Müller (35): „Es ist eine gute Kombination. Natürlich hat sich der Fitness- und Gesundheitsbereich enorm entwickelt. Unser Vie Vitale, das vereinseigene Fitnessstudio, zählt alleine über 1500 Mitglieder. Aber wir sind auch der größte Heimatverein. Denn wir bewahren auch das über Jahrzehnte Vertraute und Traditionelle noch.

Wie und Wo?

Bei unseren „Jahnfreunden“ beispielsweise. Von denen machen einige seit 50 und mehr Jahren gemeinsam Sport. Auch im Vie Vitale gibt es Gruppen, die gemeinsam Ausflüge, Radtouren und was sonst alles machen. Auch im modernen Sport findet man Geselligkeit und Freundschaft.

Die Mitgliedschaft im EMTV als Familientradition, gibt es das noch immer?

(lacht) Meine Eltern, meine Schwester, mein Bruder, unsere Partner und unsere Kinder – wir sind schon elf Müllers, die hier Sport treiben. Allerdings, die Tendenz zur Individualisierung in unserer Gesellschaft, die können wir auch im Verein nicht aufhalten. Was muss ich bezahlen? Was bekomme ich dafür? Dieser Konkurrenz müssen wir uns stellen. Und wir tun es mit Erfolg. Unsere Mitgliederzahlen steigen.

Bei uns in Deutschland waren die Vereine auch immer die Basis für den ganz großen Sport, von der Fußball-Bundesliga bis zu Olympiasiegern in den unterschiedlichsten Disziplinen. Kann und will sich der EMTV Leistungssport noch leisten?

Das war und das ist immer wieder eine schwierige Entscheidung. Unser stärkstes und wichtigstes Feld ist der Breitensport. Wir machen um die 400 Angebote in der Woche. Aber im Basketball spielen unsere Damen und unsere Herren in Hamburgs höchster Liga. Dazu haben wir Spielgemeinschaften, beispielsweise im Handball, im Volleyball, auch den Zusammenschluss in der Leichtathletik. Aber die Abteilungen sind angehalten, ihren Sport und ihre Mannschaften selbst zu finanzieren.

Aber wie?

Durch höhere Spartenbeiträge, mit Unterstützung durch Sponsoren. Für unsere Fighting Pirates, die unternehmungsfreudigen American Footballer, haben wir dafür eine eigene GmbH gegründet.

Gibt es denn bei der Elmshorner Sportgroßmacht bezahlte Sportler?

Nein. Das ist in unserer Satzung extra ausgeschlossen.

Was sagt denn der langjährige Oberligafußballer dazu?

(Er schweigt, lacht dann) Kein Kommentar, sagt der dazu.

Für die traditionelle Sportorganisation wird das Ehrenamt immer mehr zum Problem. Auch beim EMTV?

Was die Aufgaben im Vorstand betrifft, sind wir noch in einer glücklichen Lage - da arbeiten Frauen und Männer meist schon seit Jahren zusammen. Unser erster Vorsitzender Stefan Heesch beispielsweise ist seit 2004 im Vorstand und steht seit 2011 an der Spitze. In den einzelnen Abteilungen aber wird das schon schwieriger. Dieser Feierabendeinsatz für den Sport und für den EMTV kostet nun mal viel Zeit.

Dazu hat das sportliche Großunternehmen mit dem Slogan „Wir bewegen Elmshorn“ neben Ihnen als Geschäftsführer noch ein gutes Dutzend Angestellte. Es hat ja auch einen Jahresetat von rund zwei Millionen Euro. Ist die Zukunft, auch des EMTV, nicht die völlige Kommerzialisierung?

Nein, entschieden nein. Wir haben allein in den letzten Jahren mehr als fünf Millionen Euro in den Bau des Turnerheims und die Erweiterung des Bewegungszentrums um 300 Quadratmeter investiert. Rund die Hälfte dieser Summe sind Zuschüsse von der Stadt, vom Kreis und vom Land über den Landessportbund. Ohne diese Förderung als gemeinnütziger Verein hätten wir die Investitionen nie wagen können. Dazu kommt ja auch die Solidarität in einem traditionellen Sportverein. Etwa 45 Prozent unserer Aktiven sind Kinder- und Jugendliche. Deren Sport wird in den einzelnen Abteilungen doch von den Beiträgen der Erwachsenen mitfinanziert.

Stichwort Kinder und Jugendliche. Bei den Ganztagsschulen bleibt kaum noch Zeit für den Verein. Müssen beide da enger zusammen arbeiten?

Ja, aber das tun sie ja auch schon. Wir betreuen bereits an die 15 Schul-AGs. Und es werden mehr. Was Probleme macht, ist noch immer die Bezahlung unserer Mitarbeiter. Bei der Aktion `Schule und Verein` des Landessportbundes wird ein Übungsleiter mit 10 Euro die Stunde honoriert. Sind die ehrenamtlich tätig, ist die Aufwandsentschädigung ja okay. Bei unseren ausgebildeten Sportlehrern aber müssen wir dem Schulträger, also der Stadt, Rechnungen schreiben. Was ich mir dringend wünsche, sind einheitliche Rahmenbedingungen für die Bezahlung unserer Übungsleiter an den Schulnachmittagen.

Welchen Stellenwert hat denn überhaupt der Sport?

Einen sehr hohen, bei uns hier jedenfalls. Auch wenn Schleswig Holstein bei der Sportförderung Schlusslicht unter allen Bundesländern ist - hier in Elmshorn ist die Unterstützung geradezu exzellent.