Barmstedt. Auf Landesebene zählt Imani Saprautzki (11) bereits zur Spitze. Für das Internationale Deutsche Turnfest ist sie zwei Monate zu jung.

Imani Saprautzki liegt in der Luft. Aus der Vogelperspektive schaut das 1,40 Meter große Mädchen durch die Turnhalle des Sportzentrums an der Barmstedter Schulstraße. Drei Strecksprünge Anschwung benötigt sie, um sich vom Sprungtuch auf drei Meter Höhe zu begeben. Beim ¾-Vorwärts hält sie ihren ganzen Körper gestreckt in der Luft. Erst kurz vor der Landung winkelt sie den Oberkörper ab und landet auf dem Rücken. Ein Mutsprung, den sie angstfrei ausführt. Zu Imanis Repertoire zählen verschiedene Flugrollen, darunter der Doppelsalto vorwärts, optional mit Schraube.

Den meisten ihres Alters ist das elfjährige Talent des Barmstedter MTV damit um Jahre voraus. Bei den vergangenen Landeswettkämpfen Anfang Mai ist sie erstmals Meisterin geworden – die Konkurrentinnen ihrer Altersklasse waren bis zu zwei Jahre älter als sie. Die sportliche Qualifikation für die deutsche Meisterschaft war für Imani dabei wertlos: Im Gegensatz zu elf Vereinskollegen darf sie beim Internationalen Deutschen Turnfest (3. bis 10. Juni) in den Berliner Messehallen nicht antreten.

Geboren am 10. Februar 2006, ist die Elfjährige 41 Tage zu jung. Trampolinspringer sind erst ab dem Jahrgang 2005 teilnahmeberechtigt. Insgesamt kommen 3500 aktive Sportler aus elf Nationen in die Bundeshauptstadt. Dass dieses Event nur alle vier Jahre steigt, macht die Angelegenheit für Imani um so ärgerlicher.

Ihre Trainerin Elke Starr (62) hat vergeblich versucht, eine Sondergenehmigung zu erkämpfen: „Wir haben angeboten, dass sie außer Konkurrenz startet oder für den Bundeskader Punkte sammelt. Aber da war nichts zu machen.“ Bei einer solchen Großveranstaltung könne auf einzelne junge Leute keine Rücksicht genommen werden, vermutet die Leiterin der BMTV-Trampolinsparte. Mitfahren wird Imani dennoch. „Das Turnfest bietet auch außerhalb der Wettkämpfe ein buntes Programm, bei Vielem werden wir als Team mitmachen. Und zumindest beim Einspringen kann sich Imani mitanstellen. Dagegen wird keiner etwas sagen“, so Starr. Welche Erwartungen hat Imani selbst an die Reise? „Ich freue mich“, sagt sie – besonders euphorisch klingt sie dabei nicht.

Für das große Talent bleibt es eine verwehrte Chance, sich zu beweisen. In der Vergangenheit ist ihr das an anderen Stellen bereits gelungen: Beim Ostsee Pokal zu Pfingsten 2016 zum Beispiel ist sie als Dritte auf dem Treppchen gelandet. Ihre Rivalinnen kamen aus England, Holland oder Dänemark. Circa zehn Wettkämpfe absolviert Imani pro Jahr, vier Landesmeisterschaften und der alljährliche Barmstedt Cup gehören zum Pflichtprogramm. Noch ist Imani meist die Jüngste in ihrer Altersklasse.

Beim BMTV ist sie seit sechs Jahren: „Als ich fünf Jahre alt war, hat mich eine Freundin mit zum Training genommen.“ Sie entdeckt dort ihre Lieblingssportart. Mittlerweile trainiert sie fünfmal pro Woche in zwei Vereinen (Barmstedt und Norderstedt). Zusätzlich spielt sie Tennis - und turnt. Dieses Pensum ist ausdrücklich gewünscht. „Ich habe immer Lust aufs Training“, versichert sie. Starr bestätigt das und weiß, dass die Entwicklung des Körpergefühls beim Turnen auch für den Trampolinsport förderlich ist. Terminlich gibt es in der siebenköpfigen Familie Saprautzki mitunter Probleme, doch meistens funktioniert es mit dem elterneigenen Fahrdienst vom Wohnort in Ellerau zur Turnhalle. Und wenn nicht, steht im Garten ein Freizeittrampolin bereit.

„Imani hat Glück, dass sie auch noch sehr schlau ist und es sich schulisch bislang erlauben kann, so oft zu trainieren“, sagt Starr über die Schülerin des Barmstedter Carl-Friedrich-von-Weizsäcker-Gymnasium. Irgendwann werde sie sich auf maximal zwei Sportarten beschränken müssen. „Den Trampolinsport wird sie bestimmt nicht aufgeben“, mutmaßt die Trainerin, die hauptberuflich an der Pinneberger Johannes-Brahms-Schule Sport unterrichtet.

Der nächste Schritt ist nun die Nominierung in den Bundeskader, der die Eintrittskarte für internationale Turniere bedeutet. Auf nationaler Ebene hofft Starr, dass mit Imani bald wieder eine deutsche Meisterin aus Barmstedt kommen wird. Der letzte Titel des BMTV, 2006 mit der Mannschaft in Worms, liegt eine Weile zurück.

Auch Imani schaut optimistisch nach vorne: „Nicht nur in der Jugend, auch als Erwachsene möchte ich zur deutschen Meisterschaft der Frauen. Im ersten Jahr teilnehmen, im zweiten Jahr gewinnen. Und dann geht es zu Olympia.“ Das werde aber wahrscheinlich nicht passieren, meint sie dann noch. Ihre Augen sagen dabei etwas anderes.