Uetersen. Mindestens 80 Prozent der TSV-Herrenfußballer wechseln am Saisonende zu Rasensport Uetersen, müssen aber neu beginnen
„Es gibt keinen Zoff und schon gar keinen Todesstoß für den Uetersener Fußball.“ Bernd Enderle, 56, wehrt sich gegen das Vokabular, das aufgrund der neuen Konkurrenzsituation in der Rosenstadt schon Verwendung fand. Dass es bei den Kickern des TSV Uetersen rumorte, wird nicht bestritten. Aus Langeweile und Zeitvertreib hat Enderle den TSV-Vorgänger Rasensport Uetersen nach 55 Jahren bestimmt nicht ins Leben zurückgeholt und auch gleich den Vorsitz des Clubs übernommen.
Er beginne damit, sich mit dem Unvermeidlichen abzufinden, sagt Enderle. Ein paar Monate hatte er sich Hoffnung gemacht, mit dem TSV-Vorstand um Lutz Schölermann Einigung zu erzielen. Dieser Wunsch, dass der TSV klein beigibt und seine Fußballabteilung den Rasensportlern komplett überlässt, ist nun vom Tisch. Die Gespräche verliefen im Sande und werden nach Enderles Darstellung auch nicht wieder aufgenommen. „Der TSV Uetersen wird auch weiterhin Fußballsport anbieten und an Punktspielen teilnehmen“, heißt es unmissverständlich im Internetauftritt der Rot-Weißen. Für die Rasensportler bedeutet das, in der untersten Spielklasse, ab 2016/17 die Kreisklasse B, ganz von vorn beginnen zu müssen. Es gibt (fast)keine Chance mehr, die aktuellen Startplätze der TSV-Kicker in der Landesliga, Bezirksliga und Kreisliga zu übernehmen.
Raspo-Boss Enderle sieht nur noch ein Schlupfloch: „Der TSV müsste eine außerordentliche Mitgliederversammlung abhalten, die dann einen juristischen Vertrag mit uns durchwinkt. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass so etwas geschieht.“
Als Verlierer steht zunächst einmal der finanziell angeschlagene TSV Uetersen da. Konkrete Zahlen liegen noch nicht auf dem Tisch, aber eine Hochrechnung kann Bernd Enderle schon abgeben. „Mindestens 80 Prozent der Spieler von der ersten TSV-Mannschaft, der Zweiten, der Dritten, der Senioren und der Supersenioren sowie sämtliche Trainer dieser Teams wirken nächste Serie für Rasensport.“ Auch TSV-Jugendobmann Michael Schippmann wechselt die Seiten.
Aktuelle Sponsoren des Landesligateams präsentieren ihr Logo bereits auf der Homepage der Rasensportler. Die Trainer und Betreuer der TSV-Nachwuchsabteilung wurden gebeten, über das Raspo-Nachwuchskonzept nachzudenken. Kommt’s noch zur Gegenoffensive des TSV, der ab Sommer zudem auf die Dienste des aktuellen Abteilungsleiters Thorsten Reinke verzichten muss?
Bernd Enderle, als Reinkes Vorgänger der Mann, der die Profis des FC St. Pauli 2014 an die Alsenstraße holte, will keinen Streit: „Jeder nimmt seine eigenen Interessen wahr. Das ist doch völlig legitim. Aber wir werden uns oft auf den Sportplätzen des Rosenstadions über den Weg laufen. Ich bin für ein freundschaftliches Miteinander unter Sportlern.“
In Planung ist schon ein Stammtisch für alle Fußballfreunde der Stadt, die sich für das neue Fußball-Modell in den Kinderschuhen interessieren.
Das ehemalige TSV-Clubheim kommt als Begegnungsstätte nicht mehr infrage. In dem Gebäude sind mittlerweile Sparten wie Yoga und Sitzgymnastik untergebracht. Publikumsverkehr ist dort nicht mehr erwünscht, was die Fußballer maßlos ärgerte und letztlich zur Palastrevolte führte. Die Kicker wissen noch nicht einmal, wohin mit ihren Pokalen.
Als die Landesliga-Fußballer in Wedel den Warsteiner-Cup gewannen, ließen sie die Trophäe gleich in der Steinberghalle. Bernd Enderle wertete den Erfolg als ein Zeichen, dass die scheidenden Protagonisten, darunter auch seine Söhne Eddy-Morton und Mats, bis zum letzten Spiel im TSV-Trikot um ein würdiges Auftreten bemüht sein werden.
Im Fokus steht vor allem das Hamburger Oddset-Pokalspiel (Achtelfinale), das am Sonntag, 24. Januar, gegen Altona 93 ausgetragen wird. Bitter für Trainer Peter Ehlers, der ebenso wie sein Assistent Frank Weche und Betreuer Uwe Wolter zu den Rasensport-Gründungsmitgliedern zählte, ist aber die Enddiagnose, dass Lennart Maack beim Wedeler Turnier einen Kreuzbandriss sowie einen Knorpelschaden erlitt. Für das Defensivtalent ist die Saison damit zwangsläufig bereits beendet. Angreifer Marcel Jobmann wechselte zum Niendorfer TSV II. Peter Ehlers ist sich aufgrund der ganz besonderen Umstände derzeit noch unschlüssig, ob er nach Ergänzungen des Kaders Ausschau halten soll.