Klein Nordende. Der ESC Klein Nordende macht im Sommer keine Pause mit dem ungewöhnlichen Sport. Abendblatt-Reporter trainierte auf Kunststoffbahn mit.

In der kleinen Gemeinde südwestlich von Elmshorn wird Sport getrieben. Dies ist nicht ungewöhnlich, die gewählte Sportart in hiesigen Regionen schon. Die Mitglieder des ESC Klein Nordende feilen an ihrer Technik und ich nehme an einer Trainingseinheit im Eisstockschießen teil. Im Sommer, bei Hitze – ohne Eis. „Vermutlich trainieren sie in der Sporthalle“, sagt mir ein Einwohner vor der angrenzenden Feuerwache. Falsch gedacht. Ich werde auf dem Bolzplatz neben der Bürgermeister-Hell-Halle empfangen. Die Vorbereitungen laufen bereits. Eine 28 Meter lange Kunststoffbahn wird ausgebreitet.

„Wir arbeiten daran, eine feste Spielanlage zu bekommen, am liebsten eine Betonpflasterbahn, und hoffen, dass es klappt“, sagt der ESC-Vorsitzende Karl Heinz Hildebrand, 70. Bis es so weit ist, greift sein Stellvertreter Wilfried Lintzhöft, 67, zum Besen und entfernt mit den anderen Steine und Dreck von der mobilen Bahn.

Danach bekommt sie mit dem Wischmop Schmierseife verpasst. „Dadurch laufen die Stöcke etwas schneller. Draußen muss man schon mehr Kraft bei den Würfen aufwenden “, sagt Lintzhöft. Und dann geht es auch los.

In Vierer-Teams treten wir gegeneinander an. Ohne Anlauf wird der Stock fünf bis sechs Mal hin- und hergeschwungen und dann mit Ausfallschritt – ähnlich wie beim Bowling – von einem Zielkorridor, drei Meter breit und sechs Meter lang, in den anderen bugsiert. Möglichst nah an die in der Mitte liegende sogenannte Daube heran – Eisstockschießen zählt zu den Präzisionssportarten. Nach dem ersten Wurf, der über die 24 Meter vom Abwurfkreuz im Korridor landet, wird mir eine Teammitgliedschaft angeboten. Die Länge hat schon einmal gepasst. Ob in mir bislang unentdecktes Stocksport-Talent schlummert oder es einfach an der Anzahl von „nur“ 17 Vereinsmitgliedern liegt, ist nicht abschließend zu beantworten.

In der Folge versuchen die Teams, die Stöcke, rund fünf Kilo schwer, in Daubennähe zu platzieren. Dabei ist alles erlaubt. Sowohl die eigenen Stöcke als auch die des Gegners können angespielt werden, um sich in eine bessere Ausgangslage zu bringen. Wird die Daube aus dem rot eingefärbten Bereich geschossen, kommt sie zurück auf die ursprüngliche Position. Auch diese Option ist ein taktischer Zug. „Neben Konzentration und Kraft braucht man vor allem ein gutes Auge und ordentliches Material“, so Lintzhöft.

Aus meiner Sicht ist es neben dem Erreichen des Korridors schon schwierig, die Stöcke meiner Mannschaft von denen des anderen Teams zu unterscheiden – obwohl handgefertigte Stulpen am Stiel eigentlich für Klarheit sorgen sollten. Nach weiteren Würfen scheint die mir anfänglich entgegengebrachte Euphorie etwas verflogen zu sein. Streufaktor und Qualität der Würfe variieren stark. Das Angebot, wie die anwesenden Damen auch, die Abwurfzone ein paar Meter näher an die Daube heranzulegen, verletzt ein wenig meinen Stolz und weckt gleichzeitig den Ehrgeiz. Taktische Anweisungen versuche ich umzusetzen. Ab und zu gelingt es, häufig verhungern die Schüsse aber auch, weil gut gemeinte Ratschläge für Verwirrung in meinem bereits abgespeicherten Bewegungsablauf sorgen.

Jedes Teammitglied hat einen Wurf. Dann ist die Runde – der Eisstockexperte spricht von einer Kehre – abgeschlossen. Die außerhalb des Zielbereichs befindlichen Stöcke, die aus Griff, Stiel, Stockkörper sowie der Sommer-Laufsohle aus Kunststoff bestehen und rund 500 Euro kosten, werden beiseite geräumt. Und dann wird geguckt.

Die Entfernung zur Daube zählt. Der nächstgelegene Stock bringt dem Team drei Punkte. Jeder weitere teaminterne Stock zählt zwei Punkte, so lange, bis ein Spielgerät des Gegners dies unterbricht. Wer schon einmal Diskussionen von Boule-Spielern in Frankreich verfolgt hat, weiß, dass hitzige Wortgefechte über Distanzen entbrennen können. Trotz Zurhilfenahme eines Maßbandes. Dies ist auch bei Trainingseinheiten des Eisstock-Clubs Klein Nordende stets vorhanden. Aber auch der technische Fortschritt macht vor diesem Sport nicht halt.

Lintzhöft hat immer ein digitales Messgerät griffbereit, das mittels Lasers die Entfernungen zur Daube auf den Millimeter genau bestimmt. Nach sechs Kehren – abgeworfen wird von beiden Seiten – ist die Partie beendet.

Von Oktober an geht es für die Sportler wieder auf der Eisfläche weiter

Rund eine halbe Stunde dauert der Vergleich. Turniere gehen oft über sechs oder sieben Stunden. Neben dem Team- gibt es noch den Weiten- und Zielwettbewerb für den Einzelsportler. Eisstockschießen ist weder an Geschlecht, noch an das Alter gebunden. Hildebrands Sohn Vincent, 15, der seinen Vater einst begleitete, ist mehrfach Landes- sowie norddeutscher Meister in seiner Altersgruppe geworden. „Andere Sportarten haben mich nie so wirklich interessiert“, sagt der erfolgreiche Jungspund. Die spitzfindige Bemerkung seines Vaters über das aufkeimende Interesse an der Damen-Welt wird indes gelassen überhört. Auch Lintzhöfts Frau Karin Kruse, 67, ist fester Bestandteil des Teams. Das Ehepaar Bernd und Heike Hintze hat diesen Sport ebenfalls als gemeinsames Hobby entdeckt. Ältestes Vereinsmitglied ist Alfred Resch, 74, der im Winter aus der österreichischen Heimat Steiermark kommend den Club unterstützt.

Ende August stehen die Landesmeisterschaften in Neumünster an – mit den anderen Teams aus Flensburg, Mölln und Neumünster. Im Norden kann Eisstocksschießen getrost als Randsportart bezeichnet werden. Je weiter es südlich geht, desto schwieriger wird es mit der Wettbewerbsfähigkeit. Daher wird fleißig trainiert. Von Oktober an in Hamburg auf Eis. Spätestens dann möchte ich das Eisstockschießen auf dem ursprünglichen Untergrund ein zweites Mal testen.