Serie TBS Pinneberg beheimatet Mitglieder aus 40 Nationen. Türk Birlikspor bedeutet in etwa so viel wie türkische Gemeinschaft im Sport

Pinneberg. Am 14. April freuten sich die 150 Zuschauer an der Müssentwiete nach dem ersten Tor ihres TBS Pinneberg durch Fatih Gürel gegen den HEBC doppelt. Nach dem Treffer sprang die Leuchtziffer der neuen Anzeigentafel um und zeigte das 1:0 an. "Hat alles bestens geklappt", sagt TBS-Manager Yusuf Demir. Gürel gefiel das so gut, dass er noch zweimal traf. TBS siegte 3:1. Die Anzeigentafel passt zum Verein: Sie ist außergewöhnlich. Süner Balci, Mitgründer des Clubs, zog Sponsoren für die Finanzierung der Tafel an Land.

Präsident Sami Demir legte beim Bau selbst kräftig Hand an. Innerhalb von zweieinhalb Wochen war das neue, elektronisch betriebene Schmuckstück mit stabiler Stahlvorrichtung einsatzbereit. "Wir sind eben anders, als viele vermuten", sagt Florian Gossow, Coach der ersten Mannschaft. Er selbst hat das schon erfahren. Im harten Winter schippten die Fans den Schnee vom Platz. Als er einmal die Verpflichtung eines Stürmers, dem der TBS Pinneberg eine Aufwandsentschädigung zahlen wollte, eigentlich schon zu den Akten gelegt hatte, überraschten ihn die Fans beim Training. Sie spendeten den entsprechenden Betrag.

Das TBS in Pinneberg steht für Türk Birlikspor, was in etwa so viel bedeutet wie Türkische Gemeinschaft im Sport. Doch der noch junge Verein pflegt eine besonders internationale Gemeinschaft. "Wir haben Mitglieder aus 40 Nationen", sagt Demir. Die Nationalitäten der Spieler der ersten Mannschaft lesen sich wie eine Reise kreuz und quer über den Globus. Die Kicker kommen aus Ghana, Iran, Afghanistan, Deutschland, Marokko, Türkei, Italien, Eritrea, Albanien, Niger, Spanien und Polen.

Sportlich harmonieren sie prächtig. In der Saison 2007/08 begann ein steiler Aufstieg von der Kreisklasse bis in die Landesliga. Dort mischt Gossows bunte Truppe munter im Aufstiegskampf mit. Im Training stehen nicht selten Tempoläufe auf dem Programm. TBS ist fitter als manches andere Team, setzt die Gegner gerne mit rasantem Pressing und spielerischen Leckerbissen, oft serviert von Gürel (17 Treffer), Roberte Rodriguez (3) oder Top-Joker Adem Ismaili (7), unter Druck. Hinten sorgen Keeper Nick Gyateng, Innenverteidiger Rafat Waseq und Sechser Bilel Querfeli für Stabiltät.

Menschlich laufe es ebenfalls prima, so Gossow, der gleichwohl angekündigt hat, dass er nur noch bis zum Saisonende Trainer sein wolle. Der Coach unterstreicht: "Die Klischees, die gerne über ausländische Teams verbreitet werden, nehmen wir im Training durch viel Flachs selber auf den Arm. Die Jungs spielen mit den Vorurteilen. Das ist oft lustig und wäre fernsehtauglich", sagt Gossow. Zwar habe das Team den einen oder anderen Feldverweis zu viel kassiert, "doch unser Kennzeichen sind garantiert nicht Disziplinlosigkeit, wilde Prügeleien oder gar Spielabbrüche".

Dies zeigt sich auch in der Jugendabteilung. "Mir ist Disziplin wichtig", sagt Rico Kieselbach, Trainer der B-Jugend. "Die Jungs wissen, wo die Grenze ist." Dafür komme der Spaß nicht zu kurz. Als Kieselbach, leidenschaftlicher HSV-Anhänger, betrübt ob des 2:9 seines Lieblingsclubs bei den Bayern beim Training erschien, musste er schmunzeln. Drei Spieler kamen in Bayern-Trikots. Neben Spaß und Disziplin hat jedoch auch der Ernst des Lebens seinen Platz bei TBS. Stürmer Zina Efchary kam aus dem Iran nach Deutschland, wandte sich an TBS. Der Verein gab ihm Deutschstunden. Bei der Praktikumssuche hilft Kieselbach den Spielern. Im Training muss er nicht immer eingreifen. "Mein Kapitän Hasan Sütcü ist sehr gewissenhaft. Als ein Spieler traurig war, ging er von sich aus hin und tröstete ihn." Besonders glücklich machte den Coach ein Spiel bei der B-Jugend-Bundesliga-Mädchenmannschaft des HSV am 10. Februar, das seine Jungs 2:1 gewannen. Vor der Partie fragten seine Spieler Kieselbach, wie es denn mit dem Körperkontakt im Spiel aussehe. Sie wollten die Mädchen nicht verletzen. "Als ich dann von den Eltern der HSV-Spielerinnen hörte, wie sie unseren disziplinierten Auftritt lobten, war ich sehr stolz", so Kieselbach.

Ebenso wie sein Sohn Kevin, der die A-Jugend in der Landesliga betreut. Ein Klischee über ausländische Mannschaften fand er bestätigt, nämlich offensiv spektakuläre Darbietungen und mangelndes defensives Denken. Er löste es kreativ. "Wir haben eine rein deutsche Viererkette mit Spielern wie Timo Blank und Marvin Sawatzki", sagt Kevin Kieselbach. "Vorne dürfen sich die anderen austoben." Allerdings dürfen sie nicht zu spät kommen. Ist dies der Fall, muss die ganze Mannschaft zehn Minuten sprinten. So holen sich die Jungs mittlerweile gegenseitig ab, sind meistens eine halbe Stunde vor dem Treffpunkt da.

Drei Werte seien entscheidend: Pünktlichkeit, Respekt und Ehrlichkeit. Die Mannschaft halte sich daran. Auf dem Feld wird dann gemeinsam gekämpft. Im Nachbarduell gegen die SV Halstenbek-Rellingen lag das Team nach 87 Minuten 0:2 zurück und holte noch ein 2:2 - weil Fatih Ertürk trotz Schmerzen im Fuß durchhielt und das 1:2 machte und Burak Tuncer in der vierten Minute der Nachspielzeit die Anweisung seines Trainers ignorierte. "Ich rief, er sollte flanken, aber er knallte den Freistoß direkt rein. Zur Belohnung durfte er den Spielball behalten", sagt Kevin Kieselbach, der gleichzeitig auch Jugendobmann ist.

Man wolle noch viele solcher Geschichten gemeinsam bei TBS schreiben, die Jugendsparte ausbauen. Manager Yusuf Demir bestätigt das. Dies habe auch mittel- und langfristig ganz klar Vorrang vor einem eventuellen Aufstieg der ersten Mannschaft in die Oberliga. "Mit der aktuellen Landesliga-Saison sind wir sehr zufrieden. Und bei uns im Verein kennen wir uns alle mit Namen, können Werte vermitteln. Darüber freuen wir uns am meisten."