Pinneberg. Der Evolution feiert in Hamburg seine Weltpremiere. Wie die Pinneberger Dombäcker-Familie zu dem Super-Fahrgeschäft gekommen ist.

So ganz langsam hält dann doch ein wenig das Lampenfieber bei Marilyn Fackler Einzug. An diesem Freitag, 22. März, ist feierliche Eröffnung des Hamburger Frühlingsdoms. Und dabei ist die Schaustellerin doch routiniert und abgeklärt, was das Leben auf den Jahrmärkten der Republik angeht. Schließlich entstammt sie doch der Dynastie der Pinneberger Dombäckerei Heidmann. Doch von diesem Jahr an ist alles anders.

Das Evolution ist ein Fahrgeschäft der Superlative. Mit 66 Metern Höhe ist es das zurzeit größte mobile Flugkarussell.
Das Evolution ist ein Fahrgeschäft der Superlative. Mit 66 Metern Höhe ist es das zurzeit größte mobile Flugkarussell. © Ulrich Stückler | Ulrich Stückler

Denn um 15 Uhr stehen am Freitag die Oberen der Domverwaltung und auch reichlich Hamburger Prominenz bei der Pinnebergerin und ihrer Familie vor der Tür – oder besser gesagt vor dem Kassenhäuschen. Dieses ist erst am Dienstag dieser Woche fast schon auf den letzten Drücker angeliefert worden. Es ist das letzte Puzzlesteinchen zur Dom-Sensation in diesem Frühjahr – und die gehört Marilyn Fackler.

Lilly Becker und andere Prominenz wollen das außergewöhnliche Fahrgeschäft einweihen

Dann, mit Lilly Becker als prominentem ersten Fahrgast, feiert der Evolution nicht nur seine Weltpremiere. Dieses Fahrgeschäft, das auf dem Heiligengeistfeld alles überragend zwischen Glacischaussee und Bunker steht, ist das höchste mobile Flugkarussell auf europäischen Jahrmärkten. Bis zu 66 Meter werden die 32 Fahrgäste pro Tour in die Höhe geschleudert. Ein Nervenkitzel der Superlative, mit dem sich Marilyn Fackler einen Traum verwirklicht hat.

Lilly Becker, Ex-Ehefrau von Boris Becker, soll die Premierenfahrt des Evolution begleiten.
Lilly Becker, Ex-Ehefrau von Boris Becker, soll die Premierenfahrt des Evolution begleiten. © dpa | Felix Hörhager

Damit dieser Traum für die 48-Jährige wahr werden konnte, mussten allerdings nicht nur sie, sondern auch ihre Mutter Edith Vorlop (70), Tochter von Bäckereigründer Erich Heidmann, und Sohn Jamie (17), der sich nun ebenfalls ins Schaustellerleben einfinden will, mit einem großen und wichtigen Teil ihrer Geschichte und Vergangenheit abschließen. Die Dombäckerei gibt es nicht mehr.

Die Dombäckerei bedeutete einen zu hohen personellen Aufwand, darum das Ende

„Das Backgeschäft ist einfach ein zu hoher personeller Aufwand, und du findest nicht überall die richtigen Leute dafür“, sagt Marilyn Fackler. „Wir selbst können ja als Betreiber nicht überall sein und mit anpacken, zumal wir ja auch noch mit der Spielhalle Pirateninsel und einer Crêpe-Bude zwei andere Betriebe vor Ort haben. Und meine Mama will ja auch irgendwann mal in Rente.“

Steht man vor dem Evolution, so geht es schwindelerregend in die Höhe. Ein Nervenkitzel, den sich Dom-Spezis nicht entgehen lassen werden.
Steht man vor dem Evolution, so geht es schwindelerregend in die Höhe. Ein Nervenkitzel, den sich Dom-Spezis nicht entgehen lassen werden. © Ulrich Stückler | Ulrich Stückler

Warum das Backen bei den Facklers keine Zukunft mehr hatte, beschreibt die Schaustellertochter anschaulich. „Bei der Bäckerei hast du so viele Schritte, mit denen einer deinen Berliner versauen kann“, sagt die Hobbymalerin, die als Ausgleich zum Dom-Alltag großformatige Gemälde mit Disney-Motiven malt. „Erst mal muss der Teig stimmen, dann muss der Berliner im Garraum gut aufgehen, er muss ordentlich gebacken werden, der Guss muss gut aussehen, und das Teil muss dann auch ordentlich verpackt sein. Das kannst du einfach nicht mit jedem Mitarbeiter erfüllen.“

Im Sommer keimt zum ersten Mal die Idee des eigenen Fahrgeschäfts auf

Alles ein hartes Stück Arbeit, dem sich aber Oma, Tochter und Enkel vielleicht dennoch weiterhin gestellt hätten, wenn da nicht diese Idee aufgekeimt wäre. „Das war 2021 auf dem Sommerdom; da haben wir zum ersten Mal über ein großes Fahrgeschäft nachgedacht“, erinnert sich Marilyn Fackler. Auch daran, dass nicht jede Idee gleich auch endgültig gut ist. „Da hatten wir noch nicht an den Evolution gedacht, da war es noch der Magic. Da hatten wir überlegt, dass wir einen aus dem Ausland holen und wieder tippitoppi fit machen.“

Marilyn Fackler macht es sich mit Sohn Jamie und Mutter Edith auch auf dem Dom überaus gemütlich. Das Trio trifft sich dort im über 70 Quadratmeter großen Wohnwagen von Marilyn Fackler und ihrem Lebensgefährten Karl-Ernst Hartkopf; schlafen tun Oma und Enkel aber in ihren eigenen Wohnwagen.
Marilyn Fackler macht es sich mit Sohn Jamie und Mutter Edith auch auf dem Dom überaus gemütlich. Das Trio trifft sich dort im über 70 Quadratmeter großen Wohnwagen von Marilyn Fackler und ihrem Lebensgefährten Karl-Ernst Hartkopf; schlafen tun Oma und Enkel aber in ihren eigenen Wohnwagen. © Ulrich Stückler | Ulrich Stückler

Besagter „Magic“ ist zwar ein altes Karussell und hat daher auch ein über Jahrzehnte bewährtes Konzept, aber darin liegt auch der Grund, warum der Plan dieses Familiengeschäfts schnell wieder begraben wurde. „Für dieses Fahrgeschäft hätten wir kaum noch Plätze auf Veranstaltungen bekommen, auf dem Hamburger Dom schon mal gar nicht“, erklärt die Pinnebergerin die Abkehr von Altbewährtem.

Fahrgäste werden gefilmt und können sich die Clips dann bestellen für Tiktok & Co.

Das sieht nun mit dem Evolution ganz anders aus; eine Bewerbung für einen Jahrmarkt ist nahezu mit einer Zusagegarantie verbunden, denn der 66 Meter hohe Lulatsch hat einige Pfunde, mit denen er wuchern kann. Marilyn Fackler: „Er ist eine Neuheit, er ist außergewöhnlich, und er hat eine Kameraanlage, mit der jeder der 32 Fahrgäste individuell gefilmt wird. Die können sich diese Filme dann bei Wunsch senden lassen, ehe wir sie wieder löschen.“ In Zeiten von Tiktok, Instagram und Co. nahezu eine Geschäftsgarantie.

Das Kassenhäuschen ist als letztes Puzzlestück am vergangenen Dienstag angekommen, jetzt steht dem erhofften Besucheransturm ab Freitag nichts mehr im Wege.
Das Kassenhäuschen ist als letztes Puzzlestück am vergangenen Dienstag angekommen, jetzt steht dem erhofften Besucheransturm ab Freitag nichts mehr im Wege. © Lisa Langrock | Lisa Langrock

Aber wie kauft man ein Karussell? Und welches? „Naja, wir hatten nach der Idee mit dem Magic zuerst an eine große Schaukel gedacht, aber davon gibt es auch schon vier in Deutschland“, erinnert sich die Schaustellerin aus Leidenschaft, die mit 26 Jahren durch besagte Crêpe-Bude ihren persönlichen Einstieg in die Jahrmärkte gefunden hat, an die Planungsphase. „Dann haben wir gesagt, dann machen wir es halt richtig und kaufen das Größte, was zurzeit am Markt ist.“

Bei KMG in den Niederlanden findet die Pinnebergerin das Karussell ihrer Träume

Fündig wurden die Facklers und Marilyns Lebensgefährte Karl-Ernst Hartkopf bei einem der größten Händler seiner Zunft, KMG im niederländischen Neede. Der Verkaufsprospekt dieses Platzhirschen am Markt ließ den Interessenten aus Pinneberg die Augen übergehen. „Die haben ja einen Prototypen des Evolution gebaut und ihn entsprechend gut fotografiert; dann warten sie halt, dass einer kommt und ihn dann auch kauft, sprich nachbauen lässt“, erklärt Marily Fackler. „Und die Version Speed 32 – 32 wegen der Sitzplatzanzahl – hat uns vollkommen überzeugt.“

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Jetzt fehlten nur noch ein wenig Mut, die Hausbank, die für die Finanzierung mitzieht, und seeehr viel Geduld. „Das ganze Karussell hat dann rund 3,5 Millionen Euro gekostet, und einen nicht unbeträchtlichen Teil mussten wir selbst aufbringen“, sagt die Evolution-Eignerin, hat aber auch große Pläne mit ihrem neuen Schatz. „Wir werden jetzt jährlich an 15 bis 20 Veranstaltungen teilnehmen.“

Seit Juni 2023 wurde am Evolution für Marilyn Fackler gebaut

Bei dem absehbaren Erfolg des Evolution sind dies beruhigende Aussichten, die aber neben Geld auch mit reichlich Wartezeit bezahlt wurden. Nach der Entscheidung, Finanzierungszusage und Bestellung sind die ersten Bauteile für den Fackler‘schen Neubau Ende Juni 2023 bei KMG eingetrudelt. Die Montage begann, immer wieder folgten dann Besuche beim „werdenden Nachwuchs“.

Dann vor zwei Wochen die Anlieferung am Heiligengeistfeld. „Normal soll der Aufbau, wenn alles eingespielt ist, rund acht Stunden dauern“, meint Jamie Fackler, der Feuer und Flamme für den Zuwachs im Fackler-Universum ist. „Aber wenn alle neu ist, machen wir lieber langsamer und gründlicher.“

Die Sensation hat allerdings ihren Preis, acht Euro kostet eine Fahrt

Eine Sorgfalt, die von Freitag an möglichst viele der rund 1,5 Millionen Besucher des Frühlingsdoms (so viele sind 2023 gekommen) ausprobieren sollen. Doch eine Sensation hat natürlich auch ihren Preis. Für eine Fahrt sind acht Euro fällig, wer sein „Onride Video“ kaufen möchte, muss noch einmal 14 Euro zahlen.