Elmshorn. Am 23. August 2014 überfielen zwei Männer den Marktkauf der Stadt. Warum diese Tat nun wieder interessant für die Fahnder wird.
Nach der Festnahme der RAF-Terroristin Daniela Klette (65) in Berlin rückt auch eine Tat in Elmshorn wieder ins Blickfeld der Ermittler, die sich vor fast zehn Jahren ereignet hat. Zwei Männer hatten den damals noch existierenden Marktkauf SB-Markt am Ramskamp überfallen. Ein Vorfall im Kreis Pinneberg, der im Nachhinein den RAF-Rentnern Ernst-Volker Staub (69), Burkhard Garweg (55) und Daniela Klette (65) zugerechnet worden war.
Das Trio hat zwischen 2011 und 2016 mindestens acht Raubüberfälle in Niedersachsen und Schleswig-Holstein verübt. Einziger Tatort in Schleswig-Holstein ist der ehemalige Marktkauf in Elmshorn. Alle Überfälle liefen stets nach demselben Muster ab, mehrfach waren Läden der zu Edeka gehörenden Kette betroffen.
RAF-Terroristen in Elmshorn? Kurz vor 11 Uhr morgens schlugen die Räuber zu
Ein vermummter Mann hatte gegen 10.50 Uhr am 23. August 2014 eine 36 Jahre alte Angestellte des Marktes am Ramskamp beim Aufschließen des Büros in dieses hineingedrängt. Dort bedrohte er sie und ihren 32 Jahre alten Kollegen, der sich zu diesem Zeitpunkt in den Büroräumen aufhielt, mit einer Schusswaffe. Bei der Tat seien die Räuber ruhig, besonnen und höflich aufgetreten.
Mit seinem dazu gekommenen Komplizen zwang er die Angestellte, ihnen den Tresor aufzuschließen und das darin befindliche Geld auszuhändigen, das in mitgebrachten Behältnissen verpackt wurde. Die Täter entkamen mit ihrer Beute in Höhe von 46.000 Euro über den Notausgang. Sodann stiegen sie in einen an der Rückseite des Gebäudes geparkten älteren dunklen VW-Golf der dritten Modellreihe, vermutlich mit Itzehoer Kennzeichen.
Kein Kunde bemerkte den Überfall, obwohl der Laden voll war
Das Büro lag vor dem Umbau im Erdgeschoss hinter der damaligen Kassenzone gegenüber dem Kunden-WC. In Sichtweite befand sich ein Asia-Imbiss. Laut Polizei herrschte zum Zeitpunkt des Überfalls reger Kundenverkehr, auch weil es sich um einen Sonnabend handelte. Dennoch blieb die Tat, zumindest bei von Kunden, völlig unbemerkt.
Begangen wurde sie von zwei Männern, die vermummt waren und somit nicht genau beschrieben werden konnten. Von einer Frau als weiterer Komplizin war nie die Rede. Dennoch ordnet das federführende Landeskriminalamt Verden in Niedersachsen auch diese Tat dem RAF-Trio zu.
Ermittler kommen aufgrund des Fluchtfahrzeugs auf die RAF-Rentner
Ein wesentliches Indiz soll das Fluchtfahrzeug gewesen sein, das auf die gleiche auffällige Art erworben wurde wie Fluchtfahrzeuge für weitere fünf Überfälle auf Supermärkte in Celle (September 2011), Stade (Dezember 2012), Osnabrück (Januar 2015), Northeim (Oktober 2015) und Hildesheim (Mai 2016) sowie für zwei Überfälle auf Geldtransporter im Jahr 2015 in Suhr und in Wolfsburg.
Die Vorgehensweise wurde damals so beschrieben: Etwa drei Monate vor der Tat sei einer der drei RAF-Terroristen mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu einem Autohändler gefahren, um dort eine Probefahrt zu machen. Dabei lenkte der Interessent jedoch nie selbst, sondern nahm stattdessen auf dem Beifahrersitz Platz.
Fluchtfahrzeuge wurden bar gezahlt und durften nicht mehr als 3000 Euro kosten
Im Anschluss seien die Fahrzeuge, zumeist ältere Modelle von VW, die nicht mehr als 3000 Euro kosten durften, bar bezahlt, aber nicht gleich mitgenommen worden. Stattdessen seien sie außerhalb der Geschäftszeiten vom Grundstück des Verkäufers oder von einem frei zugänglichen Parkplatz in der Nähe abgeholt worden. Nach erfolgtem Überfall wurden die Autos in der Regel in Brand gesetzt, um Spuren zu verwischen. Mit einem anderen Auto fuhren die Täter anschließend weiter.
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Aufgrund der Methodik hatte das Landeskriminalamt Verden 4000 Autohändler im norddeutschen Raum angeschrieben und deren Verkäufe überprüft. Aus einer der Überwachungskameras erhielten die Fahnder 2016 neuere Fotos von Garweg und Staub. Das Trio erbeutete bei der Überfallserie auf Geldtransporter und Supermärkte in Niedersachsen und Schleswig-Holstein damals etwa 400.000 Euro.
Bereits zuvor sollen sie mehrere ähnliche Überfälle in Nordrhein-Westfalen begangen haben. Betroffen war beispielsweise 2009 in Löhne ebenfalls ein Marktkauf-Markt. 1999 wird ein Überfall auf einen Geldtransporter in Duisburg dem Trio zugeschrieben. Damalige Beute: mehr als eine Million D-Mark.
Dritte Generation der RAF soll mehrere Morde und Anschläge begangen haben
Ernst-Volker Staub, Burkhard Garweg und Daniela Klette gehören zur sogenannten dritten Generation der RAF. Ihr werden die Morde am Chef der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, im Jahr 1989 sowie Treuhand-Chef Detlev Karsten Rohwedder im Jahr 1991 vorgeworfen.
Auch der Sprengstoffanschlag am 27. März 1993 auf die Justizvollzugsanstalt Weiterstadt in Hessen geht auf das Konto der dritten RAF-Generation. Ebenso wie der Anschlag auf die US-Botschaft in Bonn im Jahr 1991, auf die 60 Schüsse abgegeben worden waren. 1998 erklärte die RAF ihre Selbstauflösung. Klette, Staub und Garweg tauchten unter. Sie sollen im Anschluss ihren Lebensunterhalt durch die Raubzüge finanziert haben.
Überfall auf Marktkauf im Jahr 2014: Ermittlungen nach Niedersachsen abgegeben
Nach Ende der Überfallserie im Jahr 2016 wurde es ruhig um das Trio. Bis zur Festnahme von Daniela Klette vor wenigen Tagen in Berlin. Die Ermittlungen zum Überfall auf den damaligen Elmshorner Marktkauf-Markt hat die zuständige Staatsanwaltschaft Itzehoe fünf Jahre nach der Tat an die Staatsanwaltschaft in Verden übergeben.