Kreis Pinneberg. Bürgerinitiative gegen die Erweiterung hatte hochrangige Gäste. Dabei wurde die Forderung nach Alternativen zur Autobahn laut.

Die A23 soll zwischen Tornesch und Hamburg-Eidelstedt vom nächsten Jahr an um zwei weitere Fahrstreifen sechsspurig ausgebaut werden. 210 Millionen Euro sind vom Bundesverkehrsministerium für diesen knapp 16 Kilometer langen Streckenabschnitt als Baukosten eingeplant.

Die Bürgerinitiative für umweltfreundliche Mobilität, deren etwa 60 Anhänger vor allem in den betroffenen Wohngebieten in Pinneberg, Halstenbek und Rellingen entlang der A23-Trasse leben, will das unbedingt verhindern. Jetzt luden sie einen Wissenschaftler und einen Bundespolitiker als Experten in die Christuskirche nach Pinneberg ein, um über mögliche Alternativen zum Autobahnausbau zu diskutieren.

A23-Ausbau: Geophysiker und Bahnexperte fordert „Neue Schienen braucht das Land“

Diese bestünden vor allem im Ausbau des Schienennetzes, forderte der Geophysiker Holger Busche aus Hannover in seinem Vortrag und formulierte ein Lied von Ina Deter aus den 80er Jahren entsprechend um: „Neue Schienen braucht das Land.“

BI-Gastgeber Jochen Kunz-Michel (rechts) mit dem Geophysiker Holger Busche, der den A23-Ausbau für unsinnig hält, weil er nur noch mehr Autoverkehr und Staus in Hamburg verursachen werde.
BI-Gastgeber Jochen Kunz-Michel (rechts) mit dem Geophysiker Holger Busche, der den A23-Ausbau für unsinnig hält, weil er nur noch mehr Autoverkehr und Staus in Hamburg verursachen werde. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Und der ehemalige Hamburger Justiz-Senator und heute Bundestagsabgeordnete der Grünen, Till Steffen, plädierte für mehr Anwohnerparken, um den autofahrenden Pendlerverkehren das Parken ihrer Pkw in der Hansestadt zu erschweren. Außerdem könnte eine neue Stellwerktechnik die Kapazitäten auf den S-Bahn-Linien erheblich erweitern und so auf dem heutigen Schienennetz auf einen Schlag mehr Pendler und Fahrgäste befördern.

BI-Sprecher: Wir wollen erreichen, dass der A23-Ausbau überflüssig wird

„Unser Ziel ist es, dass der Ausbau der Autobahn 23 überflüssig wird“, erklärt Jochen Kunz-Michel, einer der Mitstreiter der BI aus Halstenbek. „Vor dem Hintergrund der aktuellen Klimakrise müssen wir die CO-2-Belastung herunterfahren“, sagte er. Aber solange das Fahren mit dem Auto den Menschen noch zeitliche Vorteile bringt und ihnen bequemer erscheint, sei es schwer, die Leute zum Umsteigen zu bewegen. „Dafür braucht es gute Alternativen.“

Das erfuhren an diesem Abend die Referenten aus Hamburg und Hannover am eigenen Leib. Beide mussten mit dem Taxi aus Hamburg nach Pinneberg fahren, um rechtzeitig zur Veranstaltung zu kommen, weil die S-Bahn an diesem Abend ausgefallen war.

Der Autoverkehr verbraucht drei bis fünfmal so viel Energie wie das Bahnfahren

Geophysiker Busche pries die Vorteile des Bahnfahrens für den Klimaschutz. Wer mit dem Zug fahre, spare zwei- bis fünfmal so viel Energie, als wenn er mit dem Auto unterwegs sei. „Insofern ist die Klimakrise auch eine große Chance“, glaubt Busche, der den Organisationen ProBahn und „Scientists for Future“ angehört.

Auch wirtschaftspolitisch sei der ungezügelte Individualverkehr mit dem Auto nicht mehr zukunftsfähig, sagte Busche. Volkswirtschaftlich mache es schon bald keinen Sinn mehr, einen Großteil der Energie und des Strombedarfs in den Autoverkehr zu stecken. „Wir müssen uns entscheiden, ob wir lieber Auto fahren oder die Arbeitsplätze in der Industrie erhalten wollen“, sagte Busche und stellte die These auf: „Straßenbau ist industriefeindlich und kostet Arbeitsplätze.“

Studie: 85 Prozent der A23-Verkehre nach Süden enden in Hamburg

Diese Feststellung gelte erst recht für die A23. Denn 85 Prozent der Verkehre über diese Autobahn in Richtung Süden endeten in Hamburg und führen nicht durch den Elbtunnel. Somit würde der sechsspurige Ausbau der A23 nur noch mehr Autoverkehre in die Hansestadt bringen und dort noch längere Staus verursachen, sagte Busche. „Das ist eine städtebauliche Katastrophe.“ Und es widerspreche den Klimazielen Hamburgs und Schleswig-Holsteins. Die durch die Klimakrise überhitzten Städte bräuchten „mehr Parks statt Parkplätze“, betonte Busche.

Und die Kommunen hätten es selbst in der Hand, die Mobilität ihrer Besucher zu steuern, erklärte der Geophysiker. So hätten Studien errechnet, dass die Verfügbarkeit von Parkplätzen einen erheblichen Einfluss auf die Autoverkehre hat. Bei einer gleichlangen Fahrtzeit könnte sich der Anteil des Öffentlichen Nahverkehrs von 15 auf über 40 Prozent nahezu verdreifachen, wenn das Parkangebot in der Stadt stark verknappt oder erheblich teurer gemacht wird. So plant die französische Metropole Paris, im September die Parkgebühr für die großen SUV-Vans von sechs auf 18 Euro pro Stunde zu verdreifachen.

Das Anwohnerparken in Hamburg habe die Wohngebiete entlastet

In Hamburg werde dieses Prinzips durch das verstärkte Anwohnerparken bereits angewandt, erklärte der Bundestagsabgeordnet Steffen. „Das hat die Pendlerverkehre durch die Wohnstraßen stark reduziert.“ Zahlreiche der rund 350.000 Arbeitnehmer aus dem Umland, die täglich zur Arbeit nach Hamburg reinfahren und überwiegend das Auto nutzen, hätten diese oft in der Nähe der U-Bahnstationen abgestellt. Jetzt müssen sie die Park-and-Ride-Plätze dafür nutzen. „Das macht sich bemerkbar“, sagte Steffen.

Ex-Justiz-Senator und jetziger Bundestagsabgeordneter Till Steffen lobte das Anwohnerparken, das in Hamburg die Pendlerverkehre aus den Wohngebieten geholt habe.
Ex-Justiz-Senator und jetziger Bundestagsabgeordneter Till Steffen lobte das Anwohnerparken, das in Hamburg die Pendlerverkehre aus den Wohngebieten geholt habe. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Einen positiven Effekt würden auch die Pläne aus dem Kreis Pinneberg zeitigen, einen Radschnellweg nach Hamburg anzulegen und neue Schienentrassen für die S-Bahn zu bauen, sagte er. Das werde in ein paar Jahren erheblich mehr Menschen in die Busse und Bahnen umsteigen lassen, lobte der Abgeordnete diese Vorhaben.

Till Steffen: Letztlich wird der A23-Ausbau an der fehlenden Finanzierung scheitern

Zudem zeige die Diskussion innerhalb der Bundesregierung, die nach einem Streit der Ampel-Koalition kein einziges Straßenbauprojekt in Schleswig-Holstein in die Prioritätenliste der unbedingt zu realisierenden Projekte aufnahm, dass letztlich die Finanzierung entscheidend sein werde. Wenn der Bund kein Geld für den A23-Ausbau zur Verfügung stelle, könnte dieser auch nicht umgesetzt werden, so Steffen. Das auferlegte Diktat zum Sparen würde „solche Wünsch-dir-was-Projekte“ zum Scheitern bringen, weil andere, konkurrierende Vorhaben wichtiger würden.

Und Geophysiker Busche fordert noch ein Umsteuern des Fachpersonals und der Ingenieure. Warum sollte die bundeseigene Autobahngesellschaft Deges, die zurzeit den A23-Ausbau plant, künftig nicht auch Schienenprojekte planen, schlug er vor.

Deges-Sprecher: Wir planen nur Fernstraßen und keine Bahnstrecken

Dazu sagt Deges-Sprecher Ulf Evert auf Nachfrage des Abendblatts, das wäre völliges Neuland. „Wir planen keine Bahnstrecken. Das haben wir noch nicht gemacht. Wir planen Fernstraßenbau.“

Mehr zum Thema

    Zurzeit seien sie dabei, die Grundstücke entlang der A23 nach dem Zustand ihres Baugrundes zu untersuchen. Ob und wie sie für die Fahrbahnen und Lärmschutzmaßnahmen geeignet seien. Dafür müssten die Ingenieure der Deges auch etliche Privatgrundstücke betreten, was sie vorher schriftlich angekündigt hätten. Diese Arbeiten könnten dann mehrere Tage in Anspruch nehmen.

    Im Laufe des Jahres werden die Ausbaupläne zur A23 wieder vorgestellt

    Im Laufe des Jahres werde es zudem eine erneute Planungswerkstatt für die Öffentlichkeit geben, die die konkrete Umsetzung des A23-Ausbaus auf dem neuesten Stand beschreiben soll, kündigt Deges-Sprecher Evert an. Im nächsten Jahr soll der Planfeststellungsbeschluss für den sechsspurigen Ausbau der A23 vorliegen.