Schenefeld. Stadt steht vor großen Umwälzungen, vor allem im Ortskern. Viele Projekte stocken jedoch. Was in 2024 umgesetzt werden kann.
Christiane Küchenhof tritt am 1. Februar ihre vierte sechsjährige Amtszeit als Bürgermeisterin von Schenefeld an. Von diesem Tag an ist sie Rekordhalterin, nämlich dienstälteste aller 89 amtierenden hauptamtlichen Bürgermeister in Schleswig-Holstein. 78,6 Prozent der Bürger hatten im September 2023 für die 55-Jährige gestimmt, 21,4 Prozent votierten mit Nein. Sie stand als einzige zur Wahl.
Mit fast 18 Jahren im Amt und einer weiteren vierten Wahlperiode, die jetzt bis Anfang 2030 dauert, ist sie die dienstälteste aller 89 amtierenden hauptamtlichen Bürgermeister in Schleswig-Holstein. Und sie steht einer Stadt vor, die einen ausgeglichenen Haushalt für 2024 vorgelegt hat. Erreicht wurde das ohne Steuererhöhungen. Unter dem Strich bleibt sogar ein Überschuss von 21.500 Euro. Die gute finanzielle Situation darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Stadt vor Investitionen in Millionenhöhe steht, die in den kommenden Jahren die Haushalte belasten werden.
Ein neuer Stadtkern, ein modernes Schulzentrum: Das sind die größten Herausforderungen der Stadt
1. Stadtkern: Der Rahmenplan für den neuen Stadtkern muss im März 2024 noch einmal final von der Ratsversammlung beschlossen werden. Grund sind Planänderungen beim Gebäude der ehemaligen Post gegenüber dem Rathaus. Eigentlich sollte die Immobilie der Abrissbirne zum Opfer fallen.
Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass die Bausubstanz sehr gut ist. „Das wäre eine Schande, das abzureißen“, sagt die Bürgermeisterin. Die Stadt hat die von ihr erworbene Immobilie inzwischen an den Wohnungsverein Hamburg von 1902 weiterveräußert. Er wird das Gebäude sanieren, aufstocken und links sowie rechts durch Anbauten erweitern. Auch ein inklusives Wohnprojekt des Vereins „WegGefährten“, der dieses Jahr den Ehrenpreis der Stadt erhält, könnte dort Platz finden.
Bestandteile des Rahmenplans sind das Maßnahmenkonzept und eine Finanzierungsübersicht für die kommenden zehn bis 15 Jahre. Land, Bund und Stadt tragen die öffentlichen Mittel zu je einem Drittel. Die Machbarkeitsstudie zum Bürgerzentrum soll in diesem Jahr erarbeitet werden. Das Bürgerzentrum auf dem Holstenplatz ist das Herzstück des neuen Stadtkerns. Dort sollen etwa Bücherei und Volkshochschule einziehen – und die komplette Verwaltung.
„Wir befinden uns in engmaschigen Abstimmungen mit der Gesellschaft für Ortsentwicklung und Stadterneuerung (GOS), unserem Sanierungsträger“, berichtet Küchenhof. Die Planungen zum Umbau der L 103 (LSE), die in der Ortsdurchfahrt ihren trennenden Charakter verlieren soll, laufen parallel ebenfalls weiter. Der angestrebte Baubeginn in 2025 ist laut Küchenhof angesichts des Planungsstandes aber „wacklig“.
Weiterhin fehlen der Stadt auch zwei Grundstücke, die für den Stadtumbau von überragendem Interesse sind. So gehört der Stadt zwar das Areal des jetzigen Bürgerbüros (ehemalige Sparkasse) am Holstenplatz. Die angrenzenden Wohngebäude befinden sich jedoch nach wie vor in Privateigentum.
2. Sanierung Schulzentrum Achter de Weiden: Nach einer Kostenexplosion stellte die Stadt Ende 2023 beim Schulzentrum alles auf null. Zuvor waren die Investitionen in das Projekt, die in der Machbarkeitsstudie von 2019 auf 42 bis 45 Millionen Euro geschätzt worden waren, auf 120 Millionen Euro gestiegen. Eigentlich war geplant, dass die 1100 Schüler nach den Sommerferien 2023 in ein Containerdorf auf der Bürgerwiese umziehen sollten. Dann wäre ein Teil des in den 1970er-Jahre errichteten Schulzentrums abgerissen und durch Neubauten ersetzt worden. Die erhaltenswerten Gebäude sollten einer umfassenden Modernisierung unterzogen werden.
Jetzt liegt alles auf Eis. Weil in den maroden Gebäudeteilen weiter unterrichtet werden muss, hatte es zuletzt Proteste von betroffenen Eltern gegeben. Wie es weiter geht, soll die Lenkungsgruppe aus Politik, Verwaltung und Politik voraussichtlich im Februar entscheiden. Sicher ist eine Abkehr vom bisherigen Konzept, das bei Gymnasium und Gemeinschaftsschule auf offene Ohren gestoßen war. Im März 2021 hatte eine Jury als Sieger des Architektenwettbewerbs den Entwurf des Berliner Architektenbüros Kleyer, Koblitz, Letzel, Freivogel ausgewählt, im Juli erhielt das Büro dann auch offiziell den Zuschlag zum Bau der Schule. Für die Schüler beider Einrichtungen sollten sich kurze Wege ergeben, die Unterrichtsbedingungen wären dank großer Klassen- und Fachraume sowie ausreichender Differenzierungsorte sehr stark verbessert worden. Mensa und Caféteria hätten das neue Herzstück des Komplexes bilden sollen, ein großer Innenhof rundete den Entwurf ab. Von der Idee, zwei Schulen unter einem Dach zu vereinen, wird sich die Politik vermutlich verabschieden. Möglicherweise könnte das neue Schulzentrum in Modulbauweise errichtet werden, was deutlich kostengünstiger zu realisieren wäre. „Eine Entscheidung ist nicht gefallen“, blockt Küchenhof ab. Auch andere Modelle seien nach wie vor denkbar.
Ihr sei wichtig, das eine moderne Schule mit Aufenthaltsqualität entstehe, betont Küchenhof. Es müsse jedoch für die Stadt in einem finanzierbaren Rahmen bleiben. „Das ist ein echter Brocken“, stellt die alte und neue Bürgermeisterin klar. Die jetzige Situation sei für alle Seiten nicht zufriedenstellend. Küchenhof: „Es ist nicht lustig, ständig darauf angesprochen zu werden.“ Im Fall einer völlig anderen Lösung als bisher müsse die Stadt auch eine neue Ausschreibung in die Wege leiten. Ein Baustart in 2024 scheide damit aus.
3. VHH Busbetriebshof: Die Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein (VHH) wollen die Gebäude auf dem jetzigen Betriebshof am Osterbrooksweg abreißen, dort sollen der Neubau einer E-Bus-Werkstatt und weitere Ladeflächen für Elektrobusse entstehen. Auch Platz für die Verwaltung des Unternehmens ist geplant. In den neuen Betriebshof soll auch die erworbene Fläche der 2017 abgebrannten Sportwelt Schenefeld an der Holzkoppel integriert werden. Die Stadt hatte sich lange dagegen gesträubt, unter anderem eine Veränderungssperre für das Gelände erlassen. Es folgten diverse Gerichtsverfahren, die teilweise noch anhängig sind. Letztlich gelang es den VHH, ihre Rechtsauffassung durchzusetzen und auf Basis des alten B-Plans eine Baugenehmigung vom Kreis zu erhalten.
Bereits im Januar 2023 stellte das Busunternehmen an der Holzkoppel ein riesiges Bauschild auf, das auf die Erweiterung des Busbetriebshofs hinweist. Bautätigkeiten gab es bis heute keine. Und Informationen seitens der VHH gibt es auch nicht. Das Unternehmen teilte auf Abendblatt-Anfrage mit, sich aktuell nicht zu diesem Thema äußern zu wollen.
4. XFEL: Die einzigartige Forschungseinrichtung wird endlich um ein Besucherzentrum erweitert. „Im Herbst ist es fertig“, so die Bürgermeisterin. Sie freut sich sehr über das Projekt und war auch Mitglied der Jury, die den siegreichen Architektenentwurf ausgesucht hat. Das 15 Millionen Euro teure Gebäude wird in einer Dauerausstellung mit interaktiven Exponaten über den einzigartigen Röntgenlaser und die weltweit wichtige Forschung informieren, die in Schenefeld betrieben wird. Dafür stehen 350 Quadratmeter Ausstellungsfläche zur Verfügung.
Hinzu kommen 200 Quadratmeter für Sonderausstellungen, eine Fläche für Virtual Reality-Anwendungen, zwei Schülerlabore sowie Räume für Tagungen und Veranstaltungen für Wissenschaft und Öffentlichkeit. Das Besucherzentrum wird den Namen Lighthouse – also Leuchtturm – tragen und soll zum Herzstück von XFEL werden. Im vorigen Jahr wurde außerdem ein Rundgang über den Forschungscampus eingeweiht. XFEL hat seit 2024 einen neuen Chef. Der Physiker Professor Thomas Feurer ist neuer Vorsitzender des European XFEL Management Boards und damit Nachfolger von Professor Robert Feidenhans’l, der der Forschungseinrichtung bis zum Eintritt in den Ruhestand im Sommer noch als Berater zur Verfügung steht.
5. Kita Blankeneser Chaussee: Das Bebauungsplanverfahren ist abgeschlossen, der Baubeginn für 2025 geplant. „Wir hoffen, dass wir in diesem Jahr ordentlich weiterkommen“, sagt Küchenhof. Denn die Stadt ist im Verzug. Ursprünglich war geplant, dass die Betreuungseinrichtung für 150 Kinder – sie entsteht auf einem der ehemaligen Grandplätze an der Blankeneser Chaussee – in diesem Jahr den Betrieb aufnehmen soll. Dies wird nun frühestens 2026 der Fall sein. Dann wird die Stadt um einen weiteren Kita-Träger reicher sein. „Schenefeld steht für Trägervielfalt“, betont Küchenhof. Für die neue Einrichtung hatte die Stadt ein Interessenbekundungsverfahren absolviert. Am Ende stand die Entscheidung, die Trägerschaft an die Wabe zu vergeben. Ob der Träger selbst die Bauleistungen erbringt oder die Stadt das Projekt stemmt und das Gebäude später an den Träger vermietet, steht noch nicht fest.
6. Fama Schenefeld: Im Eckbereich Kiebitzweg/Buchsbaumweg/Ebenholzweg entsteht ein Seniorenwohnpark, der an das Fama in Lurup angegliedert werden soll. Bauherr ist der Hamburger Investor Arnold von Mallesch, dem das 4000 Quadratmeter große Grundstück seit Langem gehört. Die Bauarbeiten sind in der zweiten Jahreshälfte 2021 gestartet und stehen kurz vor dem Abschluss.
Die ersten Mieter sollen ab Februar in die 56 altengerechten Servicewohnungen einziehen. Interessenten konnten wählen zwischen 40 Quadratmeter großen Ein-Zimmer-Wohnungen, Wohnungen mit einem zweiten Raum (58 Quadratmeter) sowie 80 Quadratmeter großen Drei-Zimmer-Wohnungen in der Endetage. Die Wohnungen verfügen alle über Balkon oder Dachterrasse, sie sind wie das gesamte Gebäude komplett barrierefrei und können mit eigenen Möbeln bezogen werden. Die Mieter leben dort autark, können aber bei Bedarf Serviceleistungen dazu buchen.
7. Lukas-Bau: Auf dem Areal neben dem Stadtzentrum hat sich seit Jahren nichts getan. Es gehört Lukas-Bau aus Hamburg. Verschiedene Anläufe des Investors, das mit einer Industriebrache versehene Gelände einer Neubebauung zuzuführen, sind am Widerstand der Politik gescheitert. 2021 haben die Söhne des verstorbenen Firmengründers einem Kompromissvorschlag des Planungsbüros AGN Leusmann zugestimmt, wie die Fläche Kiebitzweg 16–20 künftig bebaut werden könnte. Sichtbar werden sich dort in diesem Jahr keine Aktivitäten entfalten, der Schandfleck wird bleiben. Zuletzt hat das verwaiste Bürogebäude mehrfach durch Feuerwehreinsatze von sich reden gemacht. „Ich habe mich im vergangenen Jahr einmal mit dem Investor getroffen“, berichtet Küchenhof. Es habe sich jedoch nichts daran geändert, dass die Investorenseite die Pläne nicht so umsetzen wolle wie es sich die Stadt wünscht. Weil die Fläche im Sanierungsgebiet des Stadtkerns liegt, sitzt die Stadt am längeren Hebel.
8. Bauprojekt Hauptstraße/Mühlenstraße: Der Firma Struck Wohnungsbau aus Kellinghusen gehört die Fläche an der Ecke Hauptstraße/Mühlenstraße. Den Altbestand – ein Restaurant und eine Werkstatt – hat sie 2022 abreißen lassen. Dort soll ein Mehrfamilienhaus mit 18 Einheiten entstehen. Ursprünglich war ein Baustart für 2023 und eine Fertigstellung für das Frühjahr 2025 geplant.
Dieser Zeitplan ist inzwischen überholt, vor Ort hat sich bis auf die Aufstellung eines Werbeträgers nichts getan. Als Grund für die Verzögerung wurde genannt, dass die Baugenehmigung später als erwartet erteilt worden ist. Im Anschluss mussten noch die Ausführungsplanung fertiggestellt und die Bauleistungen für die einzelnen Gewerke ausgeschrieben werden. Ein Baubeginn soll in diesem Jahr erfolgen, über das Datum der Fertigstellung ist zunächst nichts bekannt.
9. Kuss-Stiftung: Kuss steht für Kulturstiftung Schenefeld. Sie wird aus den Erlösen einer Erbschaft von 1,1 Millionen Euro finanziert, die die Eheleute Irma und Walter Schmalfeldt der Stadt Schenefeld vermacht haben. Ziel ist die Unterstützung und Stärkung von Kulturschaffenden – im Besonderen von Jugendlichen – in finanzieller und ideeller Hinsicht. Aus einem Wettbewerb ist inzwischen das neue Logo der Stiftung hervorgegangen. „Es ist bunt, vielfältig und fällt aus dem Rahmen“, sagt Küchenhof. Auch die Förderung eines ersten Projektes sei in Vorbereitung. Küchenhof spricht von „ersten, zarten Anfängen“ und verspricht: „Wir werden gucken, wie wir das am besten finanziell aufstellen können.“
10. Genossenschaftlicher Wohnungsbau: Der Wohnungsverein Hamburg von 1902 errichtet in diesem Jahr in Schenefeld 45 Mietwohnungen an drei Standorten. Dieses wird möglich, weil sich die Stadt von ihrem kommunalen Wohnungsbestand getrennt hat. Die Genossenschaft übernahm ein ganzes Paket an kommunalen Liegenschaften – darunter auch mehrere abgängige Objekte sowie eine unbebaute Fläche. Gebaut wird an der Königsberger Straße, am Kreuzweg sowie auf dem Eckgrundstück Hauptstraße/Borgfelde. Auf letzterem Grundstück stehen zwei ältere, baufällige Einfamilienhäuser. Sie werden ebenso der Abrissbirne zum Opfer fallen wie ein kleineres Mehrfamilienhaus am Kreuzweg 18, das aus den 50er- oder 60er-Jahren stammt. An der Königsberger Straße bleibt der von der Genossenschaft übernommene Wohnungsbestand erhalten. Gebaut wird dort auf einer bisherigen Parkplatzfläche, die in den vergangenen Jahren wenig bis gar nicht mehr genutzt wurde. Die Einheiten verfügen über zwei bis vier Zimmer und sind zwischen 50 und 90 Quadratmeter groß. Die Hälfte der Wohnungen entstehen nach dem ersten Förderweg, gelten also als klassische Sozialwohnungen. Die andere Hälfte der Einheiten entstehen nach dem Förderweg C, sind also als preisgedämpfter Wohnraum vorgesehen.
Insgesamt entstehen an der Königsberger Straße 54 neun Wohneinheiten in drei Vollgeschossen, am Kreuzweg 18 sind 22 Wohnungen vorgesehen (drei Stockwerke plus Staffelgeschoss), an der Adresse Borgfelde 3 entsteht ein Mehrfamilienhaus mit 14 Wohnungen in zwei Vollgeschossen und einem Staffelgeschoss.
11. Flüchtlingsunterbringung: Am Osterbrooksweg wird die bestehende Großunterkunft erweitert. Dort hatte die Stadt vor knapp acht Jahren 136 Module aufbauen lassen, die zusammengesetzt die mit Abstand größte Asylbewerberunterkunft im Kreis Pinneberg bilden. Sie sollte eigentlich nur vorübergehender Natur sein. In dem Gewerbegebiet können dank einer Ausnahmegenehmigung bis zu 264 Flüchtlinge untergebracht werden – im Fall einer Vollbelegung. Diese Unterkunft ist für alleinreisende Flüchtlinge konzipiert. Inzwischen müssen sich dort viele Flüchtlinge einen Raum mit Fremden teilen. „Wir haben grünes Licht, werden jetzt Container kaufen und aufstellen“, berichtet Küchenhof. Die Anlage solle insbesondere um einen Bereich für Familien erweitert werden. Diese Klientel kann in der Stadt, die im Kreisgebiet mit über die höchsten Mietkosten verfügt, kaum noch adäquat untergebracht werden.
12. Klimaschutzkonzept: Zwei sogenannte Klimawerkstätten hat Schenefelds Klimaschutzmanagerin Lara Brozio, die seit dem 1. Juli 2022 für die Stadt tätig ist, veranstaltet. Das Klimaschutzkonzept soll Wege aufzeigen, wie Schenefeld den aktuellen Klimaschutzzielen der Bundesregierung nachkommen kann. Dazu bedarf es deutlich sinkender Treibhausgasemissionen in allen Handlungsfeldern der Stadt. Der Entwurf des Klimaschutzkonzeptes liegt inzwischen vor und soll in diesem Jahr mit der Politik und der Bevölkerung diskutiert werden.