Raa-Besenbek. Nach Pumpenausfall kämpfen Helfer im Kreis Pinneberg um tiefliegende Siedlungen. Dann ist der „Worst Case“ eingetreten.
Die Sorge in den Gemeinden Raa-Besenbek, Altenmoor, Siethwende und Kiebitzreihe, vier kleinen Dörfern in den Kreisen Pinneberg und Steinburg wächst mit der widrigen Witterung erneut. Denn wegen des Ausfalls beider Pumpen im Schöpfwerk bei Elmshorn droht den Gemeinden und weiten Teilen der Marsch immer noch eine Überflutung. Und mit den ergiebigen Regenfällen droht der Pegel nun wieder zu steigen.
Da das etwa 3300 Hektar große Sielgebiet an der Krückau bis zu 1,60 Meter unter dem Meeresspiegel liegt, läuft das Oberflächenwasser in einem Kanal zusammen und muss ständig abgepumpt werden. Wie das ohne das 60 Jahre Schöpfwerk seit mehreren Tagen klappt und wohl noch ein halbes Jahr funktionieren muss, daran wird seit vergangenen Freitag intensiv gearbeitet. Fest steht: Der Kraftakt mit vielen ehrenamtlichen Kräften dauert länger als erwartet.
Schöpfwerk nahe der Elbe kaputt: Dorf im Kreis Pinneberg droht Überflutung
„Wegen der starken Regenfälle steigt der Pegel wieder“, sagte Hans-Hermann Magens am Donnerstag. Er ist seit 30 Jahren Vorsteher des zuständigen Sielverbandes und hat so eine katastrophale Lage noch nicht erlebt. „Wir hatten mal kurze Störungen und Ausfälle einer einzelnen Pumpe, aber noch nie beide kaputt.“ Doch am Freitag war der „Worst Case“ eingetreten.
Nachdem schon am 20. November die große der zwei Pumpen – sie schafft fast fünf Kubikmeter Wasser pro Sekunde – wegen eines technischen Defekts heiß gelaufen und ausgefallen war, setzte sich am Freitag auch die zweite, die kleinere, etwa halb so starke Einheit, fest.
Pumpen kaputt: Bis zu 60 Kräfte des THW seit Freitag im Einsatz
Sofort wurde das Technische Hilfswerk alarmiert. Bis zu 60 Einsatzkräfte aus elf Ortsverbänden in Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen sind seit dem Wochenende im Einsatz. Sie installierten vier große Pumpen sowie vier weitere Tauchpumpen, um über Schlauchleitungen das Wasser in die Krückau zu befördern – bis zu einem Kubikmeter Wasser pro Sekunde. Das reichte vorerst.
Dank des Einsatzes des THW sank der Pegelstand. In dem tiefliegenden Moorgebiet waren am Wochenende erste Straßen bereits überflutet worden. Doch jetzt laufen diese niedrig liegenden Gebiete wieder voll. Deshalb müssen die Pumpen der Katastrophenschützer vorerst noch in Betrieb bleiben.
Bis zu 300.000 Euro kosten die Ersatzpumpen aus den Niederlanden
Auf Dauer muss mehr „Power“ ran. Deshalb sind Hochleistungspumpen eines niederländischen Dienstleisters bestellt worden. Während die Pumpen des THW auch dank des Notstromaggregats vom Kreisfeuerwehrverband auf Hochtouren laufen, werden die Hochleistungssysteme aus dem Nachbarland seit Montagvormittag installiert – Gesamtleistung vier Kubikmeter pro Sekunde.
Am Mittwoch ging die erste dieser Hochleistungspumpen in Betrieb, am Donnerstagnachmittag soll die zweite folgen. „Dann müssen wir abwarten, wie sich der Wasserstand im Gebiet verändert“, sagt Verbandsvorsteher Magens. Er hofft, dass das THW am Freitag seinen Einsatz beenden und die Helfer sowie Helferinnen über Weihnachten in Ruhe zu Hause verbringen können.
Aufbau der Rohrleitungen über den Deich komplizierter als erwartet
„Der Aufbau der Rohrleitungen über den Deich gestaltet sich schwieriger als erwartet“, berichtet der Sielverbandsvorsteher. Nach einem Einsatz am Deich seien die Akteure hinterher lehmverschmiert.
Bis zu einem halben Jahr könnten die beiden Großpumpen aus den Niederlanden in Raa Besenbek im Einsatz bleiben. Bis zu 300.000 Euro würde das den Verband kosten. Auf drei bis sechs Monate wird die Reparatur der eigenen Pumpen geschätzt. Beide stammen aus der Startzeit des Schöpfwerks, werden ständig gewartet und hatten auch die jüngsten Tests laut Verbandsvorsteher einwandfrei bestanden.
Für Magens ist der Großeinsatz auch gleichzeitig der Abschied von der Aufgabe. Zum 31. Dezember endet sein Dienst. Am 1. Januar übernimmt Landwirt Thomas Boldt-Mehl diese Aufgabe. Als Stellvertreter steht er Magens schon jetzt zur Seite. Und auch der scheidende Verbandsvorsteher versichert, dass er seinem Nachfolger bis zum Ende des akuten Einsatzes am Schöpfwerk helfen wird.
Geschichte des Dorfes ist geprägt vom Kampf gegen das Wasser
Die Geschichte des 500-Einwohner-Dorfes Raa-Besenbek ist seit langer Zeit geprägt vom Kampf gegen das Wasser der Krückau und Sturmfluten der Elbe sowie gegen die Wassermassen aus den Mooren. Deiche und Entwässerungskanäle wurden gebaut, nach Deichbrüchen ausgebessert, dann wieder verlegt oder ganz neu angelegt.
Viele Häuser in Raa entlang des Hochwasserschutzwalls sind bis heute auf Wurten oder Warften gebaut. Der Fluss Krückau und dessen Uferbereich sind Teil des europäischen Natura-2000-Schutzgebietes. Auch Teile der Landschaftsschutzgebiete Pinneberger Elbmarschen liegen auf dem Gemeindegebiet.