Helgoland. Wikkelhouses auf Hochseeinsel wurden sogar ausgezeichnet. Jetzt müssen sie weg. Bürgermeister bleibt dennoch optimistisch.

Sie sind mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet worden, sie waren bei Freischaltung des Angebotes im Internet jeweils innerhalb weniger Stunden für die Saison ausgebucht – und aus den beliebten Tiny-Houses sollten eigentlich noch viel mehr werden. Doch jetzt geht es den beiden Vorzeige-Tourismusbauten auf Helgolands Düne an den Kragen: Die „Wikkelhouses“ müssen wieder abgebaut werden. Dennoch bleibt Helgolands Bürgermeister optimistisch.

Im Sommer 2019 waren die beiden kleinen Häuser auf der Nordseeinsel errichtet worden. Das innovative Projekt ist in den Niederlanden vom Unternehmen Fiction Factory aus Amsterdam entwickelt worden. Laut Unternehmensangaben haben die kreativen Köpfe der Firma vier Jahre an der Entwicklung getüftelt. Die Wände bestehen im Kern aus 24 miteinander verwickelten Schichten Pappe, die eine robuste „Sandwich-Struktur“ mit isolierender Wirkung ergeben.

Mithilfe einer Folie und Holz wird die Feuchtigkeit von außen abgeschirmt. Sämtliche Materialien sind laut Hersteller zu 100 Prozent recycelbar. Als Lebensdauer werden „mindestens 50 Jahre“ angegeben.

Tiny Houses Helgoland: Moderne „Wikkelhouses“ sollten alte Holzhütten ersetzen

Die kleinen Häuser (19 und 28 Quadratmeter groß) sind mit Schlafecke und Doppelbett, Küchenzeile sowie Wohnecke mit Couch, Esstisch, Bank und Stühlen, Schrank, Klimaanlage und Heizung ausgestattet. Im größeren „Papphaus“ steht zusätzlich ein Etagenbett. Jeweils eine Terrasse gehört dazu.

Der Nachteil beim Komfort: Es gibt kein Wasser und keine Toilette. Beides wird vom Campingplatz genutzt. Und obwohl die Tiny Houses nur online und wochenweise gebucht werden konnten, waren sie nahezu durchgängig belegt. Das Wohnen im „Wikkelhouse“ kostete je nach Größe und Saison zwischen 450 und 690 Euro pro Woche.

Innenansicht eines „Wikkelhouses“ auf Helgoland: Schlaf- und Wohnecke sind durch Raumteiler voneinander getrennt.
Innenansicht eines „Wikkelhouses“ auf Helgoland: Schlaf- und Wohnecke sind durch Raumteiler voneinander getrennt. © Helgoland Tourismus Service | Helgoland Tourismus Service

Das große Ziel der Tourismusförderer auf der Nordseeinsel: Die „Wikkelhouses“ sollten endgültig die alten Holzhütten ersetzen, die über Jahrzehnte Urlauber auf die Insel gelockt hatten. Ein großer Vorteil: Es muss kein Fundament gegossen werden, sodass der Aufbau auf der von Natur geprägten Düne anscheinend problemlos laufen könnte, wenn, ja wenn es bereits neue Genehmigungen geben würde.

Vorzeigeprojekt für Urlaub auf der Düne

Die kleinen Papp- und Holzhäuser waren vor vier Jahren als Vorzeigeprojekt des damaligen Bürgermeisters Jörg Singer und Tourismusdirektor Lars Johannson nahe dem Nordstrand eingeweiht worden. Wegen der großen Nachfrage war man sich auf der Insel schnell einig, dass noch weitere dieser einfachen, aber schicken Bauten errichtet werden sollten.

Von bis zu 15 Bauten in dieser Größenordnung war die Rede. Die genaue Zahl und die Aufstellorte sollten im Zuge einer neuen Bebauungsplanung geregelt werden.

Genehmigung für Probezeit ist ausgelaufen

Das Problem jetzt: Die Genehmigung für den Probelauf ist abgelaufen, erforderliche Gutachten liegen nicht zeitnah vor und die Genehmigung des B-Plans ist nicht in den kommenden vier Monaten zu bewältigen. Also muss zurückgebaut werden. Das sei einzig und allein ein laufendes bauordnungsrechtliches Verfahren, zu dem sich die Verwaltung nicht äußere. Mit naturschutzrechtlichen Bestimmungen habe das nichts zu tun, versichert die Sprecherin der Kreisverwaltung, Katja Wohlers.

„Wir wollen keinen Streit mit der Kreisverwaltung. Deshalb bauen wir ab und motten die kleinen Häuser ein“, sagt Thorsten Pollmann, der seit 1. Januar Chef der Inselverwaltung ist. Wenn die Genehmigungsbehörde keinen Spielraum mehr habe, werde Helgoland das akzeptieren, betont der Bürgermeister.

Mit neuem Bebauungsplan mehr neue Tiny-Häuser für die Düne

Pollmann äußerte sich optimistisch, dass die neuen Bebauungspläne im kommenden Jahr mit den allen Fachbehörden abgestimmt werden können. Dann könne man mit Volldampf die alten Ideen für die Wikkelhouses umsetzen, das Dünenrestaurant neu planen sowie Spiel- und Zeltplatz gestalten.

Auch in der kalten Jahreszeit aus sicherer Entfernung ein wunderbares Naturschauspiel auf Helgolands Düne: die Kinderstube der Kegelrobben am weiten Strand.   
Auch in der kalten Jahreszeit aus sicherer Entfernung ein wunderbares Naturschauspiel auf Helgolands Düne: die Kinderstube der Kegelrobben am weiten Strand.   © Sven Sturm | Sven Sturm

Klappt das, könnten die eingelagerten „Wikkelhouses“ und mindestens acht weitere für die Sommersaison 2025 wieder mehr Platz für Langzeiturlauber auf Helgoland bieten. Die Kosten für den Auf- und Abbau der beiden Helgoländer „Wikkelhouses“ seien überschaubar, erläutert Bürgermeister Thorsten Pollmann.

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Bis es so weit ist, muss sich die wachsende Zahl von Liebhabern dieser sogenannten Tiny-Häuser noch gedulden und entweder auf der Düne zelten oder ein großes Holzhaus im skandinavischen Stil mieten.

Aus zwei Tiny Houses sollten insgesamt 15 werden

Noch im Sommer 2021 hieß es: Mittelfristig möchte die Gemeinde gerne weitere Wikkelhouses auf der Düne bauen, um der Nachfrage gerecht zu werden. Planungen für insgesamt 15 dieser Häuschen lagen vor. Allerdings war auch damals noch nicht entschieden, ob beziehungsweise wann die verbleibenden 13 Wikkelhouses tatsächlich gebaut werden.

Seinerzeit sagte der Tourismusdirektor der Insel, man sei in Gesprächen mit der Unteren Naturschutzbehörde und dem Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt & ländliche Räume, um zukünftige Pläne für die Düne zu erörtern und zu formulieren. Ziel war ein ganzes „Wikkelhouse-Village“.

Wikkelhouse-Village muss verschoben werden

Doch diese Pläne müssen nun offenbar mindestens ein Jahr lang verschoben werden. Daran ändert auch die Auszeichnung mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis Design 2021 nichts. Die Jury überzeugte die besonders vorbildliche Gestaltung.

Helgolands Bürgermeister Thorsten Pollmann: „Wir wollen keinen Streit mit der Kreisverwaltung. Deshalb bauen wir ab und motten die kleinen Häuser ein“
Helgolands Bürgermeister Thorsten Pollmann: „Wir wollen keinen Streit mit der Kreisverwaltung. Deshalb bauen wir ab und motten die kleinen Häuser ein“ © Anne Dewitz | Anne Dewitz

„Diese Auszeichnung unterstreicht unsere vielfältigen Ambitionen und Ziele im Bereich Nachhaltigkeit auf Deutschlands einziger Hochseeinsel“, sagte der damalige Insel-Bürgermeister Jörg Singer.

Ohnehin hat die Insel in der Vergangenheit zahlreiche Anstrengungen unternommen, Plastiktüten von der Insel zu verbannen oder Strohhalme aus Papier einzusetzen. Zudem wurde auf Initiative der Meeresbiologin Dr. Rebecca Ballstaedt ein inselweites Nachhaltigkeitsprojekt (www.greensteer.de) initiiert.