Kreis Pinneberg. SPD, Grüne und Linke wollten Hilfesuchenden helfen. CDU, FDP und AfD wähnen zu viel Bürokratie – und setzen auf Bau von Wohnungen.
Die Entscheidung im Pinneberger Kreistag fiel denkbar knapp aus. Mit 31 gegen 31 Stimmen scheiterte nach langer Diskussion der Antrag, von der Kreisverwaltung ein Konzept zur Gründung einer kommunalen Wohnungsagentur erstellen zu lassen.
Damit wollten SPD, Grüne, Die Linke und die Basispartei, „Menschen in wirtschaftlichen Notsituationen“ helfen, nicht obdachlos zu werden beziehungsweise eine Wohnung zu finden. CDU, FDP und AfD lehnten dies ab, weil eine solche Agentur keinen zusätzlichen Wohnraum schaffen könnte und zu viel Bürokratie verursache.
Kreistag Pinneberg: Agentur für Hilflose auf Wohnungsmarkt scheitert an Politik
Die Positionen prallten ziemlich deutlich und unversöhnlich aufeinander. Die Befürworter einer Wohnungsagentur argumentierten mit den großen Erfolgen, die eine solche Einrichtung in Nordfriesland erreicht habe. Dort seien innerhalb eines Jahres alle obdachlosen Menschen mit Wohnungen versorgt worden, sagte Grünen-Fraktionschefin Susanne von Soden-Stahl. „Wenn das kein gutes Argument für eine solche Agentur ist, weiß ich auch nicht.“ Und Heidrun Keck (SPD) sieht in der Wohnungsnot „das größte Problem unserer Tage“.
Frauenhäuser appellieren an den Kreistag, Wohnungsagentur zu gründen
Auch die Frauenhäuser im Kreis Pinneberg haben sie dabei auf ihrer Seite. Diese appellierten in einem aktuellen Schreiben an die Fraktionen im Kreistag, dass die Frauenhäuser akut überbelegt seien, „weil sie nicht wieder ausziehen können, weil sie keine Wohnung finden“.
Viele Vermieter würden „grundsätzlich nicht an Bürgergeld-Empfängerinnen“ vermieten, klagten die Frauen-Einrichtungen. „Migrantinnen mit begrenztem Aufenthaltstitel haben gar keine Chance, eine Wohnung anzumieten“, heißt es weiter darin. Das habe zur Folge, dass sie unnötig lange in den Frauenhäusern verbringen oder bei ihren Partnern „ungewollt lange Gewaltbeziehungen aushalten“ müssten.
Abgeordnete Kunkel aus Elmshorn war selbst ein Jahr obdachlos
Die Abgeordnete Karin Kunkel (Die Linke) aus Elmshorn gestand in einem sehr emotionalen Redebeitrag, dass sie aus eigener Anschauung wisse, wie sich diese Menschen fühlten. Sie selbst sei ein Jahr lang obdachlos gewesen. Jedes Jahr würden es mehr.
„Ich weiß, wie es ist, keine Perspektive zu haben und auf der Straße zu sitzen“, sagte sie und fragte: „Sind diese Menschen nichts wert.“ Und René König (Linke) sagte: „Der Markt regelt es nicht. Der Lösungsvorschlag hat in Nordfriesland funktioniert.“ Das sollte der Kreis Pinneberg auch ausprobierten.
Gründer der Schenefelder Tafel warnte, die Armutsschere werde immer größer
Mathias Schmitz (Grüne) erinnerte daran, dass er die Schenefelder Tafel mitgegründet habe und ebenfalls gute Kenntnisse über diesen Personenkreis habe. „Diese Menschen finden keine Wohnung und fallen durchs Raster.“ Das Hauptproblem sei heute, dass zwar immer mehr alter Wohnraum saniert werde, dieser aber nicht mehr den ärmeren und bedürftigen Bevölkerungsschichten zur Verfügung stünde, weil die sich diesen nicht leisten könnten. „Diese Schere wird immer größer.“
Dagegen argumentierten Justus Schmitt (CDU) und Annina Semmelhaack (FDP). Es gebe zwar einen „Mangel an bezahlbarem Wohnraum“, befand Schmitt. Aber dieser werde nicht durch die Gründung einer solchen Agentur beseitigt. Das könnte nur durch den Bau neuer Wohnungen erreicht werden, indem zum Beispiel die Kommunen gezielt und schneller entsprechende Bebauungspläne beschlössen. Das Land unterstütze dies in mehreren Städten.
Semmelhaack: Es braucht eines neues Netzwerk Kreis und Wohnungswirtschaft
Die liberale Abgeordnete Semmelhaack, die für ein Wohnungsbauunternehmen arbeitet, äußerte sich ähnlich. „Wir haben zu wenig Wohnraum im Kreis Pinneberg. Aber dieses Problem wird auch so eine Agentur nicht lösen.“ Diese koste viel Geld und sorge eher für unnötige Doppelstrukturen, sagte sie. Vielmehr bedürfe es wieder einer gemeinsamen Initiative von Kreis, Sozialverbänden sowie der öffentlichen und privaten Wohnungswirtschaft.
Die Pinneberger Erklärung, die seinerzeit der Behindertenbeauftragte Axel Vogt, mit verschiedenen Vermietern und Verbänden erreichte, sei „ein großartiger Zusammenschluss“ gewesen, der als gutes Netzwerk wiederbelebt werden sollte. „Wir brauchen einfach mehr Wohnraum.“ Bei Stimmengleichheit wurde der Antrag für eine kommunale Wohnungsagentur abgelehnt.