Kreis Pinneberg. Der Éx-Landesminister und CDU-Chef in Pinneberg will auf Listenplatz 1. Wie ihm das gelingen soll und was Daniel Günther davon hält.

Das ist durchaus eine politische Überraschungsmeldung: Christian von Boetticher, Pinneberger Kreisvorsitzender der CDU,Ex-Chef des Lebensmittelherstellers Peter Kölln (Köllnflocken) und Landesminister a.D., will zurück ins Europaparlament. Wie von Boetticher am Freitagabend mitteilte, will er sich beim Landesparteitag am 5. Oktober für Listenplatz 1 seiner Partei für die Europawahl 2024 bewerben. Der 52-Jährige war bereits von 1999 bis 2004 Abgeordneter des Europäischen Parlaments.

„Der starke Zuspruch meiner Familie, ein gutes Gespräch am heutigen Tag mit meinem CDU-Landesvorsitzenden Daniel Günther und die Unterstützung meines CDU-Kreisvorstandes in Pinneberg haben mich darin bestärkt“, so von Boetticher, der bis zum vergangenen Jahr auch Geschäftsführer des Elmshorner Lebensmittelherstellers Peter Kölln (Köllnflocken) war.

Comeback des Jahres? Christian von Boetticher will zurück ins Europaparlament

Angesichts der Tatsache, dass die CDU in Schleswig-Holstein schon bei der letzten Europawahl nur zweitstärkste Kraft geworden war und das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte erzielte, werde von Boetticher nun „alles dafür tun“, damit die Wählerinnen und Wähler das Vertrauen in die Europakompetenz der CDU zurückgewinnen.

Im Kölln- Flagship Store in Hamburg posierte Ex-Geschäftsführer Christian von Boetticher.
Im Kölln- Flagship Store in Hamburg posierte Ex-Geschäftsführer Christian von Boetticher. © Roland Magunia | Roland Magunia

„Gute Politik für die Menschen, Entscheidungen, die die Einwohner des ländlichen Raumes und unsere heimische, mittelständische Wirtschaft angemessen berücksichtigen, nicht gegen städtische Anforderungen ausspielen und für verlässliche und bezahlbare Lebensbedingungen sorgen, ist die beste Politik gegen Populisten“, sagt der CDU-Mann.

CDU-Kreispolitiker bringt seine Expertise ins Spiel

Er werde sich für eine nachhaltige Wohlstandspolitik stark machen, die den wirtschaftlichen Interessen zum Schutz der Arbeitsplätze, den Fragen der sozialen Gerechtigkeit und einer Politik der Ressourcenschonung und des Klimaschutzes gleichsam Rechnung trägt.

Genügend politische Erfahrung bringt er mit: Von 2005 bis 2009 war er Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Ländliche Räume in Schleswig-Holstein, ab Juli 2009 auch Minister für Soziales, Gesundheit, Familie und Senioren sowie stellvertretender Ministerpräsident. Als Fraktionsvorsitzender seiner Partei leitete er die Geschicke von 2009 bis 2011, 2010 und 2011 fungierte er zudem als Parteivorsitzender der CDU Schleswig-Holstein, war Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2012.

Politischer Aufstieg und abrupter Fall des Christian von Boetticher

Bekanntlich trat von Boetticher aber 2011 von seinen hohen politischen Ämtern zurück. Der Schritt wurde notwendig, weil zuvor eine frühere Beziehung des Politikers zu einer 16-jährigen Schülerin öffentlich wurde. Seit 2020 ist er mit seiner Frau Sarah, Tochter eines griechisch-deutschen Herzchirurgen, verheiratet. Ihre Zwillinge Georg und Philipp wurden im August ein Jahr alt.

Nun will Christian von Boetticher nach seinem jähen politischen Karriereende offenbar noch mal angreifen – und wirbt mit seiner Expertise. „Seit 1991 habe ich mich für den europäischen Einigungsprozess als Mitglied der Paneuropa-Union, später auch der Europa-Union engagiert. Von 1992 bis 1996 habe ich Jura mit Schwerpunkt Europa und Völkerrecht studiert, war von 1999 bis 2004 bereits Abgeordneter im Europäischen Parlament und gehöre seit 2006 ununterbrochen dem Vorstand der Europäischen Volkspartei in Brüssel an.“

Christian von Boetticher will für das europäische Projekt werben

Als Anwalt im Energiewirtschaftsrecht und später als Geschäftsführer eines international tätigen Markenunternehmens habe er nicht nur für neue Arbeitsplätze gesorgt, sondern auch eine Zertifizierung für nachhaltige Unternehmensführung erlangt und gleichzeitig die klimaneutrale Produktion am Standort eingeführt. Wirtschaftlicher Erfolg, soziale Fürsorge für Mitarbeiter und Klima – und Ressourcenschonung lassen sich nicht nur marktwirtschaftlich, sondern auch politisch in Einklang bringen – mit der nötigen Erfahrung in der Praxis.

„Ich will im Wahlkampf mit Engagement und Leidenschaft für das gemeinsame europäische Projekt werben, auch um zu verhindern, dass Menschen aus verständlichem Frust über die Arbeit der Bundesregierung einer zutiefst europafeindlichen Partei ihre Stimme geben“, so von Boetticher in seiner Erklärung.

Die EU habe für den CDU-Politiker geschichtliches Ausmaß

Die EU sei für den Politiker das „erfolgreichste politische Friedens-, Freiheits- und Wohlstandsprojekt in der Menschheitsgeschichte“. Großeltern- und Elterngeneration hätten mit dieser Union nach den menschlichen und ökonomischen Katastrophen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine gemeinsame Grundlage für das friedliche und wohlstandsfördernde Zusammenleben von fast 450 Millionen Menschen geschaffen.

Von Boetticher sei überzeugt, dass die Herausforderungen in einer digitalen Welt, vor dem Hintergrund des ökonomischen Aufstiegs autoritärer Staaten, dem Machtstreben Russlands, dem Klimawandel und den Fragen der sozialen Verteilungsgerechtigkeit „nur im Zusammenhalt“ zu bewältigen seien. Er grenze sich damit klar von Rechtsextremen ab. „Eine Partei, die das Europäische Parlament und damit die demokratischen Prozesse in Europa abschaffen möchte, erhebt die Axt gegen die Demokratie und die Wurzeln unseres wirtschaftlichen Wohlstandes“, so von Boetticher mit Blick auf das Erstarken der AfD.

Von Boetticher schießt gegen Links und Rechts

Aber auch die andere politische Extremseite habe er im Blick: „Durch die derzeitigen linken Mehrheiten im EU-Parlament wurden immer wieder Beschlüsse gefällt, die Existenzgrundlagen der Industrie und des Mittelstandes zerstören und vielen Menschen Arbeitsplätze und Zukunft nehmen werden. Der Vergemeinschaftung der Staatsschulden einzelner Mitgliedstaaten ist eine klare Absage zu erteilen.“

Außengrenzschutz- und Verteidigungspolitik bedürfen laut von Boetticher „einer stärkeren Europäisierung. Die Last durch Migration in die Sozialsysteme muss vermindert und in Europa solidarisch durch Verteilung und finanziellen Ausgleich getragen werden.“

Die CDU brauche jetzt Leidenschaft für Europa, Einsatzbereitschaft und Erfahrung in der Gestaltung von nachhaltigem Wohlstandswachstum. „Dieses will ich im Wahlkampf und anschließend im Europäischen Parlament einbringen.“