Elmshorn. Warum Arbeitnehmervertreter mit Abfindungszahlungen im dreistelligen Millionenbereich rechnen.
Nach den am Freitag angekündigten Schließungsplänen für den Standort Elmshorn sitzt der Schock bei den mehr als 500 Mitarbeitern von Autoliv nach wie vor tief. Der örtliche Betriebsrat hat die Belegschaft für Mittwoch nächster Woche zur Betriebsversammlung geladen. „Bis dahin erwarten wir schriftliche Antworten vom Arbeitgeber“, sagt Betriebsratschef Klaus Brüggemann.
Die Arbeitnehmervertreter haben sich am Montagabend mit Vertretern ihrer zuständigen Gewerkschaft, der IG Metall, getroffen. Diskutiert wurde die Marschroute, wie Betriebsrat und Gewerkschaft mit den völlig überraschenden Schließungsplänen umgehen wollen.
Aus für Standort Elmshorn – Autoliv-Betriebsrat: „Wer nicht hören will, soll zahlen“
Die Spitze des schwedisch-amerikanischen Konzerns, der Sicherheitssysteme für Autos wie etwa Gurte und Airbags entwickelt und herstellt, hatte ein weltweites Restrukturierungsprogramm verkündet, dem an allen Standorten der Gruppe 8000 Mitarbeiter zum Opfer fallen sollen.
In Deutschland, wo Autoliv zwei Standorte betreibt, soll nur der kleinere Sitz in Dachau bei München fortbestehen. Die Deutschlandzentrale in Elmshorn, wo derzeit etwa 540 Mitarbeiter in der Kundenbetreuung, Finanzbuchhaltung, Einkauf und Vertrieb, Engineering und in einer Entwicklungsabteilung für Sicherheitsgurte tätig sind, soll bis Anfang 2025 dichtgemacht und die Aufgaben von Dachau aus wahrgenommen werden.
„Wir haben den Eindruck gewonnen, dass diese Entscheidung nicht mehr rückgängig gemacht wird“, so Brüggemann weiter. Das habe in dieser Woche auch ein Mitglied der europäischen Führungsebene von Autoliv den Mitarbeitern gegenüber bestätigt.
Autoliv: Das Ende in Elmshorn kostet den Konzern Hunderte Millionen Euro
Betriebsrat und Gewerkschaft wollen laut Brüggemann wahrscheinlich darauf verzichten, Gegenvorschläge zu den Schließungsplänen zu machen. Das war 2021, als Autoliv bereits das Ende der Produktion in Elmshorn beschlossen hatte, der Fall gewesen. Brüggemann: „Wir haben enttäuschende Erfahrungen damit gemacht.“
Mehr als 100 Vorschläge seien mit Hilfe von Experten eingereicht worden, wie diese Maßnahme – sie kostete etwa 200 Stellen – verhindert werden könnte. „Der Arbeitgeber hat alle abgelehnt“, erinnert sich Brüggemann.
Aus für Autoliv Elmshorn: Betriebsrat erwartet Antworten von der Führungsspitze
Jetzt wolle man nach dem Motto „Wer nicht hören will, muss zahlen“ vorgehen. Brüggemann schätzt, dass die Standortschließung – sie führt zur Vernichtung von 500 Vollzeitstellen – den Konzern einen Betrag im unteren dreistelligen Millionenbereich kosten wird.
Der Betriebsrat fordert jetzt von der deutschlandweiten Geschäftsführung von Autoliv die Zusage, dass die anstehenden Verhandlungen über den Sozialplan auf der Basis des letzten Sozialplans geführt werden. Er war anlässlich der Auslagerung der Produktion von Sicherheitsgurten – sie ging nach Ungarn und Rumänien – ausgehandelt worden.
Aus für Autoliv Elmshorn: Sozialplan mindestens auf dem Niveau von 2021
Damals erhielten die Mitarbeiter im Durchschnitt etwa eineinhalb Monatsgehälter pro Beschäftigungsjahr – abhängig von dem Lebensalter und dem Dauer der Beschäftigung bei Autoliv. Brüggemann geht davon aus, dass der Konzern noch einiges wird obendrauf legen müssen.
Neben dieser Zusage fordert der Betriebsrat auch die Zusicherung, dass Autoliv in Elmshorn zumindest bis Ende 2024 auf betriebsbedingte Kündigung verzichtet. Dahinter steckt auch die Sorge des Betriebsrates, dass viele Mitarbeiter im Hinblick auf das nahe Ende ihres Arbeitsverhältnisses sich einen neuen Job suchen und kündigen.
Aus für Autoliv Elmshorn: Wann beginnt konkret der Personalabbau?
Das könnte dazu führen, dass die vorhandene Arbeit nicht mehr adäquat erledigt werden könnte. „In Elmshorn werden Tätigkeiten erledigt, die nicht einfach so von Leiharbeitern übernommen werden können“, so Brüggemann weiter.
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Als drittes will der Betriebsrat von der Geschäftsführung wissen, wann genau der Personalabbau beginnen woll – und welche Abteilungen wann betroffen sind. „Die Kollegen wollen wissen, was die Schließungsankündigung konkret für sie bedeutet“, so der Betriebsratschef weiter.
Aus für Standort Elmshorn – Autoliv-Betriebsrat: „Wer nicht hören will, soll zahlen“
Wann muss wer gehen – und in welcher Höhe wird der erzwungene Abschied versüßt? Die drängendsten Fragen der Belegschaft können wohl nicht so schnell beantwortet werden. Dennoch erhofft sich der Betriebsrat nächste Woche erste Antworten in dieser Richtung.
Kommen die nicht, könnte es bei Autoliv ungemütlich werden. Zwar dominiert bei Brüggemann und seinen Kollegen „die Enttäuschung über mangelnde Wertschätzung“. Und ja, die Arbeit am Noch-Standort Elmshorn läuft weiter. Aber kampflos werde sich die Belegschaft den Arbeitgeberplänen keinesfalls ergeben.