Pinneberg. Prozess ohne Öffentlichkeit, weil der Täter geschützt werden sollte. Nun muss der Mann nach seiner bizarren Ergreifung hinter Gitter.
Nachdem knapp vier Monate hinter verschlossenen Türen über den Fall aus Pinneberg verhandelt wurde, ist am Donnerstag das Urteil in diesem denkwürdigen Vergewaltigungsprozess vor dem Landgericht Itzehoe ergangen. Der Angeklagte Dennis L., dessen „schutzwürdige“ sexuelle Interessen mit dem Ausschluss der Öffentlichkeit verborgen gehalten werden sollten, muss für sechs Jahre hinter Gitter.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der 35-Jährige am 19. März 2022 eine 19 Jahre alte Pinnebergerin in der Kreisstadt brutal vergewaltigt hat. Der Prozess, der am 3. März gestartet war, hatte nicht nur eine bizarre Vorgeschichte, er begann auch mit einem Paukenschlag. Denn wegen „schutzwürdiger Interessen“ des Angeklagten schloss Richter Dominik Groß noch vor Verlesung der Anklageschrift die Öffentlichkeit für den gesamten Prozess aus.
Pinneberg: Vergewaltigungsprozess ohne Zuschauer – aus Täterschutz
Sechs weitere Verhandlungstage hatte die 2. Große Strafkammer bis zum 17. April geplant - nun kam das Urteil zweieinhalb Monate später als ursprünglich vorgesehen. Lediglich die Verkündung des Strafmaßes war öffentlich.
Die Tat, die verhandelt wurde, hatte sich im März 2022 in der Kreisstadt abgespielt. Das Opfer, zum damaligen Zeitpunkt 19 Jahre alt, war nachts auf dem Heimweg vom S-Bahnhof und hatte zuvor zwei Männer getroffen, die anboten, sie zu begleiten. Einer davon war offenbar der Angeklagte.
Bereits auf dem Weg soll es im Bereich eines Sportplatzes zu einem sexuellen Übergriff gekommen sein. Die zweite, erheblich schwerwiegendere Tat, soll sich dann im Keller eines Mehrfamilienhaus an der Vogt-Ramcke-Straße abgespielt haben, in dem Dennis L. gemeldet war.
Schnell bestand gegen Dennis L. ein Tatverdacht
Dieser Übergriff ist als Vergewaltigung angeklagt. Schnell konkretisierte sich für die Ermittler der Kripo ein Tatverdacht gegen den damals 34-Jährigen. Der war allerdings nicht auffindbar, nach dem Vorfall wie vom Erdboden verschwunden.
Dies gilt auch für den mutmaßlichen Mittäter, der nicht von der Polizei vernommen werden konnte. Dennis L. jedoch wurde knapp sechs Monate später festgenommen – in Neustadt in Holstein. Dort ist der Angeklagte auch geboren – und dort kannte er sich offenbar gut genug aus, um sich monatelang vor der Polizei zu verstecken.
Angeklagter wurde sechs Monate nach der Tat in Neustadt verhaftet
Zum Verhängnis wurde ihm Anfang September des Vorjahres ein Einbruch in einen Wohnwagen auf einem Campingplatz. Dabei hatte Dennis L. neben einem geringen Geldbetrag auch Kleidungsstücke erbeutet – und diese auch angezogen.
Zwei Tage später, am 11. September 2022, trug er die gestohlene Kleidung in der Nähe des Campingplatzes – und lief dem rechtmäßigen Besitzer über den Weg. Der folgte dem Dieb und alarmierte die Polizei. Als der 35-Jährige wenig später die Polizeistreife sah, lief er zunächst davon.
Gegen den Mann aus Pinneberg bestand bereits ein Haftbefehl
Die Beamten verfolgten den Mann und entdeckten ihn in einem Gebüsch. Auch ein zweiter Fluchtversuch endete kläglich. Bei der Überprüfung der Personalien stellten die Polizisten fest, dass gegen Dennis L. ein Haftbefehl bestand – wegen der Vergewaltigung in Pinneberg.
Zu Prozessbeginn wurde der kräftige Mann von zwei Justizbeamten in den Saal des Landgerichts Itzehoe geführt, wo seine Verteidigerin Catherina Haberland noch vor Verlesung der Anklage den Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit stellte.
Sexualleben und Gesundheitszustand des mutmaßlichen Täters müssen geschützt werden
Während der Einlassung des Angeklagten und im späteren Prozessverlauf – es waren auch zwei Sachverständige geladen – war das Sexualleben und der Gesundheitszustand des 35-Jährigen Thema. Die öffentliche Erörterung verletze die schutzwürdigen Interessen des Angeklagten, so die Anwältin.
Von Opferanwältin Anja Steinmüller, die vor Gericht die Interessen der jungen Frau vertritt, kam kein Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit. Dennoch gab Richter Groß dem Antrag des Angeklagten uneingeschränkt statt. „Ein überwiegendes Interesse an einer öffentlichen Erörterung besteht nicht“, so der Richter Anfang März.
Angeklagter nach Sexualdelikt in Pinneberg ist „noch verheiratet“
Damit erfuhren die Prozessbeobachter, darunter auch die Eltern des Opfers, zunächst nur das Geburtsdatum und die damalige Meldeadresse des Angeklagten. Und seinen Familienstand, den Dennis L. knapp mit „noch verheiratet“ angab.
Am Donnerstag wurde der Angeklagte nun wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Nötigung und Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Zudem muss Dennis L. seinem Opfer 25.198,50 Euro Schmerzensgeld zahlen.