Pinneberg. Friedensaktivist Dieter Borchardt hat das vergriffene Buch „Die Freiheit lebt“ kostenlos online gestellt – aus persönlichen Gründen.

Im Frühjahr hat er das Buch „Drei Leben gegen die Diktatur“ von Hildegard Kadach und Dieter Schlichting, das seit Jahren höchstens noch antiquarisch erhältlich ist, einem großen Kreis von Interessenten zugänglich gemacht, indem er es kostenlos online stellte. Nun hat Dieter Borchardt ein zweites Buch über den Widerstand gegen die Nationalsozialisten im Kreis Pinneberg aus der Versenkung geholt.

„Die Freiheit lebt! Antifaschistischer Widerstand und Naziterror in Elmshorn und Umgebung 1933 bis 1945. 702 Jahre Haft für Antifaschisten“, lautet der Titel des Buches von Fritz Bringmann und Herbert Diercks, das 1983 erschienen ist und vor knapp 40 Jahren das erste Buch über den Widerstand in Schleswig-Holstein überhaupt war. Auch dieses Buch können Interessierte nun online lesen – kostenlos.

„Mich hat der aktuelle Bezug der beiden Bücher zur aktuellen politischen Auseinandersetzung ermutigt, Energie in dies Projekt zu stecken“, sagt Borchardt. „Reichsbürger, Corona-Leugner, die sich Juden-Sterne anheften, eine rechtspopulistische Partei, in der Faschisten immer mehr Einfluss gewinnen sowie steigende rechte Gewalt erfordern Widerstand und an erster Stelle Aufklärung über die Ursachen und Charakter von Faschismus und konkret über die Geschichte der Nazi-Herrschaft. Das Buch ,Die Freiheit lebt!’ ist für mich ein wichtiger Baustein.“ Das seien seine Beweggründe, sich dem Online-Projekt zu widmen.

Zuerst, so Borchardt, seien einige Recherchen nötig gewesen, da das Copyright an diesem Buch beim Röderberg-Verlag lag. Der pensionierte Beamte und bekannte Friedensaktivist aus dem Kreis fand heraus, dass der Verlag bereits 1987 mit dem Pahl-Rugenstein Verlag fusionierte, der dann seinerseits 1989 in Konkurs ging.

„Ich versuchte, zu dem Besitzer des Nachfolgeverlages Kontakt aufzunehmen, auf meine telefonischen Nachfragen und meine Mails habe ich jedoch keine Antwort erhalten, sodass ich keine Zusage zu einer Veröffentlichung des Buches bekommen konnte. Freunde rieten mir daraufhin, die Autoren des Buches anzusprechen, ob sie die kostenlose Online-Stellung des Buches unterstützen würden“, so der Pinneberger. Borchardt hatte Erfolg.

Der Autor, Widerstandskämpfer und KZ-Häftling Fritz Bringmann war zwar schon 2011 verstorben, doch der zweite Autor, Herbert Diercks, konnte schnell für das Projekt gewonnen werden. Diercks verfasste auch ein Vorwort zur Online-Ausgabe. Dort beschreibt er sehr anschaulich seine Erinnerungen an die Entstehungsgeschichte dieses Buches.

Das Kapitel „Die Juden in Elmshorn während des Dritten Reiches“ hat Harald Kirschninck verfasst, daher fragte Borchert auch bei ihm nach, ebenfalls ein Vorwort für die Online-Ausgabe zu schreiben. In seinem Vorwort geht Kirschninck auf seine umfangreichen Forschungsergebnisse der vergangenen 40 Jahre zu dem Leben der Juden in Elmshorn ein.

Dieter Borchardt hat, wie er sagt, einen sehr persönlichen Bezug zu dem Buch: „Ende der 70er-Jahre habe ich Viktor Andersen, der mehrmals im Buch erwähnt wird, persönlich kennen gelernt. Ich konnte ihn für öffentliche Gruppenabende mit anderen Jugendlichen als Zeitzeugen gewinnen. Er vermittelte uns anhand seiner persönlichen Erlebnisse neue, wichtige und entscheidende Erkenntnisse über unsere Geschichte, die so in unserem Schulunterricht unerwähnt blieben. Beeindruckend war für mich seine Einschätzung, dass, wenn überall die Widerstandsbereitschaft so groß gewesen wäre, wie in Elmshorn und Uetersen, der Nazi-Spuk nur kurze Zeit im deutschen Reich gedauert hätte. Aber er sagte uns auch, dass die Ursache der Niederlage der Arbeiterbewegung für ihn in der Uneinigkeit der beiden Parteien SPD und KPD auf Reichsebene gewesen sei.“

Als dann 1983 das Buch „Die Freiheit lebt!“ erschien, in dem die unglaubliche Anzahl von 269 Anklagen mit 261 Verurteilungen – immerhin etwa ein Prozent der damaligen Einwohnerinnen und Einwohner Elmshorns und Uetersens – während der „Elmshorner Massenprozesse“ aufgeführt und beschrieben wurden, habe nun jeder nachlesen können, wie der Terror der Nazis diesen Widerstandswillen der Bevölkerung brechen wollte.

„Für mich war es auch immer beeindruckend, dass Elmshorner Antifaschistinnen und Antifaschisten vor dem Ende der Nazi-Diktatur Elmshorn befreiten. Diese Selbstbefreiung ist sicherlich ein bedeutendes Ereignis in der Geschichte von Elmshorn, die so in Deutschland nicht oft vorgekommen ist“, betont Aktivist Borchardt.

Das Buch setze auch ein Denkmal für diesen politischen Widerstand in Elmshorn und Umgebung und für die Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen Opfer geworden seien und nicht vergessen werden dürften.

Wer das Buch online lesen will: Der „Förderverein Gegen das Vergessen – Spurensuche im Kreis Pinneberg und Umgebung 1933-1945“ hat seine Internetseite für die Veröffentlichung zur Verfügung gestellt. Zu finden ist es unter der Adresse https://www.spurensuche-kreis-pinneberg.de/dokumente.

Für Interessierte lohnt es sich, auch in den anderen Dokumenten zu „forschen“. Der Link direkt zum Buch ist https://www.spurensuche-kreis-pinneberg.de/wp-content/uploads/2022/10/Bringmann_Diercks_Die_Freiheit_lebt_1983_v01x.pdf. Der Download des gesamten Werkes ist kostenlos.