Kreis Pinneberg. Kindermund tut Wahrheit kund? Zumindest was Wortkreationen angeht, legen die Kleinen oft eine große Kreativität an den Tag.

Jede Kolumne braucht LeserInnen, wenn sie fertig ist. Aber diese kleine Geschichte brauchte die LeserInnen schon, bevor sie überhaupt geschrieben werden konnte, ja: Sie hätte ohne Sie gar nicht entstehen können. Denn wieder einmal haben Sie mit Ihren zahlreichen Zuschriften und Leserbriefen quasi selber entschieden, worum es sich heute drehen soll. Und das kam so:

Wenn sich eine Kolumne praktisch von selbst schreibt

Vor einiger Zeit hatte ich über die von meinen Kindern erdachten Worte und Redewendungen geschrieben – vom Paparieren, dem Verdickern und dem Sich-Hinsesseln. Was wiederum viele von Ihnen dazu bewogen hat, mir die wunderbaren Wortkreationen ihrer Enkel und Kinder zu schicken. So schrieb Beatrix T.: „Unser Sohn, jetzt sieben, hatte die Erleuchtung, als sein Opa neue Batterien in seine Taschenlampe einsetzte und er stolz verkündete: Opa hat meine Lampe batteriert! Und auf der Fähre nach Föhr bekam er den Kapitän zu Gesicht, war danach in seinem Buggy natürlich stets der Baggitän.“

Heidi N. erzählte in einer Mail von ihrer Tochter Toya (drei Jahre): „Mama, steck doch mal wieder eine Wunderkerze an, ich habe schon so lange keine mehr abgewundert.“ Hannelore und Eckart M. erinnerten sich an einen Ausdruck ihrer Enkelin Nina. Zum genauen Untersuchen von kleinen Dingen benutzte sie immer Opas Lupe und sagte: „Ich muss das jetzt erstmal lupen!“ Und Barbara R. berichtete, wie der damals zweieinhalbjährige Enkel bei ihr übernachtete und sie zum Aufstehen bewegen wollte. Als alle seine Bemühungen nicht halfen, kam folgender Satz: „Oma, dunkel fertig!“

Was macht Opa in seinem Zimmer mit der „kleinen Netten“?

Wie hartnäckig kindliche Worterfindungen den Menschen ein Leben lang begleiten können, schrieb Susanne V., deren inzwischen 23 und 17 Jahre alten Kinder sich bis heute „abverreden“, wenn sie sich mit Freunden treffen wollen. „Am besten aber“, so Susi weiter, „ist unser Synonym für ein damenhaftes Bekleidungsstück, das bei uns tatsächlich immer noch in Gebrauch ist: der Brustbehälter.“ Ich denke, alle wissen, was gemeint ist.

Edith H. arbeitet in einem Kindergarten und hatte gleich mehrere Wort(bei)spiele parat: So „besen“ die Kinder die Puppenecke oder „kreiden“ an der Tafel. Besonders schön: Der Kindergarten steht neben einer Kirche. „Und um zwölf“, so Edith, „nahmen wir das Läuten immer zum Anlass, die Spielsachen im Garten einzuräumen.“ An einem Tag ohne Spielzeug aber wunderte sich prompt eines der Kinder: „Hää? Warum glockt die Kirche? Wir haben doch gar nix ausgeräumt!“

Zum Abschluss noch Gisela B., die von einem Geburtstag ihres Mannes berichtete, der eine Klarinette geschenkt bekommen hatte. Der damals dreijährige Enkel informierte die eintreffenden Freunde und Verwandte: „Opa ist noch in seinem Zimmer. Er hat da ‘ne kleine Nette und spielt mit ihr.“ Ich wette, die abverredeten Gäste haben sich darauf mächtig einen abgewundert.

Oliver Lück (49) ist Journalist und Buchautor. Jede Woche erzählt der Henstedt-Ulzburger an dieser Stelle von seinen Beobachtungen und Begegnungen. www.lueckundlocke.de