Pinneberg. Vor allem die Kosten für die Raummiete machen der Pinneberger Amateur-Bühne zu schaffen. Wie es weitergeht, ist noch unklar.
Seit mehr als 20 Jahren ist die Musical Company ein fester Bestandteil der Pinneberger Kultur- und Theaterszene. Vom 27. bis 30. Oktober und vom 3. bis 6. November führt die Company ihr neustes Stück „Die letzten fünf Jahre“, in dem es um die Höhen und Tiefen einer Liebesbeziehung geht, in der Stadt auf. Gespielt wird jedoch nicht wie gewohnt im Hotel Cap Polonio, sondern in der Grund- und Gemeinschaftsschule im Quellental. Möglicherweise wird es das letzte Mal sein, dass die Musical Company überhaupt in Pinneberg auftritt, denn die als Verein organisierten Musical-Freunde werden die Stadt wohl verlassen – wohin es geht, das steht zurzeit noch nicht fest.
Pinneberg: Warum die Musical Company die Kreisstadt verlässt
Grund für den Weggang des Vereins: Die Kosten sind so stark gestiegen, dass sie sich nicht mehr decken lassen. Eine Produktion schlägt mit 25.000 bis 30.000 Euro zu Buche. Den Hauptanteil nehmen die Raummiete und die Miete für die Technik ein: „Das zusammen macht schon fast 50 Prozent der Gesamtkosten aus“, sagt Arnfried Oprotkowitz-Frehsee, Vorsitzender der Musical Company. Hinzu kommen noch Kosten für die Aufführungsrechte sowie kleinere Posten, beispielsweise für Kostüme und Schminke.
1999 in Pinneberg gegründet, hatte der Verein 2001 seine erste Aufführung im Hotel Cap Polonio. Seitdem standen die Darstellerinnen und Darsteller jedes Jahr im Frühjahr und Herbst mit einer neuen Produktion an zehn Abenden auf der Bühne. Bis zu diesem Jahr.
Die Miete im Cap Polonio sei über die letzten Jahre immer weiter angestiegen, sagt Oprotkowitz-Frehsee. Zunächst seien die Preissteigerung noch moderat gewesen. Doch in den vergangenen Jahren habe es erst eine Steigerung um zehn Prozent und während der Corona-Pandemie um weitere 20 Prozent gegeben.
Musical Company: Gestiegene Energiekosten machen Ensemble zu schaffen
Der Vorsitzende betont: „Jetzt kam eben noch mal zusätzlich die Verdoppelung der Energiekosten dazu. Auf den Gesamtpreis bezogen ist das in den letzten Jahren eine Preissteigerung von knapp 70 Prozent.“ Das könne auch über die Ticketpreise, die Haupteinnahmequelle des Vereins, nicht mehr ausgeglichen werden – obwohl die Preise bereits um zwei Euro auf 24 Euro (ermäßigt 19 Euro) angehoben wurden.
Um die steigenden Kosten weiterhin im Rahmen zu halten, wird nun eine generelle Umstrukturierung und Neuorientierung des Vereins angestrebt. Eine Entscheidung sei es unter anderem gewesen, die angemieteten Lagerräume aufzugeben. Der erste Vorsitzende führt an: „Bis jetzt hatten wir einen Fundus, in dem wir Kostüme und Requisiten aufbewahrt haben. Jetzt müssen wir wahrscheinlich die Kostüme nach den Aufführungen weiterverkaufen oder entsorgen, weil es sich nicht lohnt, sie aufzubewahren. Kurz gesagt: Die Kosten pro Quadratmeter Lagerfläche stehen in keinem Verhältnis zu den Kosten der Kostüme.“
Die Musical Company steht mit ihren Problemen nicht allein dar – seit Jahren sind Kulturschaffende im Gespräch mit der Stadt. Die Pinneberger Bühnen sind früher ebenfalls im Cap Polonio aufgetreten, spielen aber inzwischen im Jugendzentrum. Das Forum Theater muss seit Jahren auf seine eigentlich Spielstätte, die Ernst-Paasch-Halle an der Lindenstraße, verzichten und tritt seitdem übergangsweise im Ratssitzungssaal auf.
Pinneberger Bühnen waren ebenfalls im „Cap“, spielen jetzt im Jugendzentrum
„Ich kämpfe seit über zehn Jahren dafür, dass aus der Ernst-Paasch-Halle ein Veranstaltungsort wird“, sagt Gabriela Matthies, SPD-Ratsfrau und Vorsitzende des Ausschusses für Kultur, Sport und Jugend. Selbst wenn die Halle wie geplant Ende 2024 fertig werden sollte, sei dies jedoch keine Option für die Musical Company. Sie biete zu wenig Platz, sagt Oprotkowitz-Frehsee, und andere geeignete Veranstaltungsorte gebe es in Pinneberg nicht.
Der Vereinschef sagt, dass man seit zehn Jahren immer wieder Gespräche mit der Stadt geführt habe. Zunächst ohne besonderen Druck. „In den letzten Jahren haben wir dann gemerkt, dass auch die anderen Theatervereine ihre Spielstätten verloren haben. Aktiv wurden meine Bestrebungen, als es spürbar mit den Preissteigerungen anfing. Das ging vor fünf Jahren los.“ So habe er sowohl mit einzelnen Mitgliedern des Rates gesprochen als auch im Ausschuss sein Anliegen vorgetragen.
Pinneberg: Wie es mit der Musical Company weitergeht ist unklar
Gabriela Matthies zeigte sich dennoch überrascht, als sie im Gespräch mit dem Abendblatt erfuhr, dass die Musical Company Pinneberg verlassen will: „Das war mir bis jetzt nicht bekannt. Das wäre natürlich ein Verlust für die Stadt“, sagt sie.
Marco Bröcker, Pressesprecher der Stadt Pinneberg, betont: „Das ist ein grundsätzliches und strukturelles Problem. Das ist der Stadt bewusst. Die Stadt schöpft jedoch auf Beschluss der Ratsversammlung seit Jahren die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel für die Sanierung und den Neubau von Schulen aus.“ Dem stimmt die Ausschussvorsitzende Matthies zu: „Was anderes als die Ernst-Paasch-Halle kann sich die Stadt überhaupt nicht leisten.“
Die Musical Company hat die Konsequenzen gezogen und sieht sich nach alternativen Standorten für die nächsten Produktionen um – bis jetzt mit mäßigem Erfolg. In Norderstedt und Wedel beispielsweise hat der Verein nichts Geeignetes gefunden. Immerhin: Im nächsten Frühjahr werde man in einer Spielstätte in Itzehoe unterkommen, so der Vereinschef. „Das ist für uns jetzt auch ganz klar eine fortlaufende Testphase“.
Pinneberg: Musical Company spielt „Die letzten fünf Jahre“
Menschen kommen und gehen in jedermanns Leben. Weit über 1000 Gesichter kennen wir laut einer Untersuchung von Rob Jenkins der Universität York. Doch nur mit den wenigstens haben wir wirklich engeren Kontakt und mit noch weniger eine innige Beziehung.
Das Musical, das die Musical Company vom 27. bis 30. Oktober und vom 3. bis 6. November in der Grund- und Gemeinschaftsschule im Quellental aufführt, erzählt von einer ebensolchen innigen Beziehung. „Die letzten fünf Jahre“ zeigt die Höhen und Tiefen einer Liebesbeziehung zwischen dem Schriftsteller Jamie Wellerstein und der Schauspielerin Cathy Hiatt. Die Besonderheit: Die Geschichte wird von beiden Rollen aus zeitlich entgegengesetzten Positionen erzählt. Cathys Geschichte beginnt mit der tragischen Scheidung und endet mit dem ersten gemeinsamen Abendessen, den Schmetterlingen im Bauch.
Jamies Geschichte hingegen fängt beim ersten Rendezvous an und endet mit der Tragik der Trennung. Ein Stück, das sich auf die Emotionen, den Schmerz, die Verzweiflung, aber auch auf die Glückseligkeit, das Hochgefühl und die Leichtigkeit konzentriert, ohne viel Pomp und Brimborium.
Pinneberg: Die Höhen und Tiefen einer Liebesbeziehung
Zwei Geschichten, die im Grunde für sich alleine stehen und doch überall miteinander verwoben sind. Musikalisch widergespiegelt in den vielen Solonummern, dann aber auch im Duett. Bei dem Stück bleiben die Gefühle jedoch nicht nur auf der Bühne. Durch den so alltagsnahen Plot ist das Stück „greifbar für die Menschen“, so Sven Müller, 2. Vorsitzender und Gitarrist in der kleinen Band, die die Darsteller instrumental begleitet.
Das Bühnenbild und die Besetzung sind minimalistisch gehalten: Lediglich ein paar Umzugskartons und ein Türrahmen gibt es, sieben Darsteller stehen auf der Bühne. „Eigentlich wurde das Stück nur für zwei Personen geschrieben“, sagt Hanna Völkl, Gesangsleiterin und eine der beiden Besetzungen der weiblichen Hauptrolle. In der Inszenierung der Musical Company unter der Regie von Heiko Schnorrenberg wurden jedoch weitere Rollen geschickt benutzt, um die Emotionen, die Tragik, aber auch ein wenig die Komik des Stücks hervorzuheben.
Etwa 30 Vereinsmitglieder sind an der Produktion beteiligt. Denn auch Technik, Kostüm, Maske und die Live-Musik gehören mit zu einer erfolgreichen Inszenierung. „Wir haben eine ganz besondere Mischung aus Profis, Semi-Profis und Amateuren, die hier alle zusammen in einer sehr wertschätzenden Atmosphäre spielen können“, betont Hanna Völkl.
„Die letzten fünf Jahre“, 27. -30.10. sowie 3.6.11, jeweils 19.30, außer an den beiden Sonntagen, jeweils um 17.00 Grund- und Gemeinschaftsschule im Quellental, Richard-Köhn-Straße 75; Karten (24/19 Euro) unter www.musical-company.net