Barmstedt. Auf der Barmstedter Schlossinsel betreibt Karin Herbst das Galerie-Café im alten Gefängnis. Im November ist Schluss. Die Gründe.
Die Stadt Barmstedt verliert eine ihrer schönsten Attraktionen. Ende November schließt eines der besonders idyllisch gelegenen Ausflugslokale im gesamten Kreis Pinneberg: das Galerie-Café auf der Schlossinsel am Rantzauer See, das bis vor 100 Jahren noch ein Gefängnis war. Pächterin Karin Herbst gibt nach 13 Jahren am 27. November den Betrieb auf.
Barmstedt: Warum das Galerie-Café auf der Schlossinsel schließt
„Es geht nicht mehr, es tut mir leid. Ich bin traurig“, sagt die 42 Jahre alte Elmshornerin. Aber die inflationär steigenden Preise, die gestörten Lieferketten und der Fachkräftemangel ließen keinen wirtschaftlichen Betrieb mehr zu.
„Ich kann keinen Kaffee für sechs Euro oder ein Stück Torte für acht Euro anbieten“, sagt sie enttäuscht. „Das zahlt doch keiner.“ Die 13 Jahre hätten ihr unheimlich viel Spaß gemacht, sagt die Restaurant- und Hotelfachfrau, die diesen Beruf einst im Hotel Vierjahreszeiten in Hamburg und im Dorchester-Hotel in London von der Pike auf gelernt hat, bevor sie sich mit nur 29 Jahren in Barmstedt selbstständig machte. „Ich habe es immer gerne gemacht. Es waren 13 tolle Jahre mit unheimlich netten Gästen und einem Mega-Team, das immer voll hinter mir stand“, erklärt Karin Herbst. „Ohne das super Team hätte ich es auch nicht so lange geschafft“.“
Aus England hatte sie die berühmte „Tea-Time“-Kultur von der Insel mitgebracht. Sie servierte ihren Gästen gern die leckeren „Scones“ mit „Clotted Cream“, wie das Gebäck bestrichen mit Konfitüre dort genannt wird. Dazu gab es schwarzen Tee, Sandwiches und kleine Törtchen. Bis zum 27. November ist das noch bei ihr im Schlossgefängnis-Café für 26,50 Euro zu probieren. Sofern die Bestellungen von Mehl und Öl, deren Lieferzeiten immer länger dauerten, rechtzeitig einträfen.
Barmstedt: Café auf der Schlossinsel ist ein Publikumsmagnet
Bis zu 400 Gäste hat Karin Herbst mit ihren drei festen Mitarbeitenden und sechs Aushilfskräften an gut besuchten Sonntagen bedient. Die 70 Innen- und 80 Außenplätze seien bis zu viermal belegt gewesen. Wobei sich die Gäste aussuchen konnten, ob sie lieber unter dem Sonnenschirm von der großen Terrasse ihren Blick über den Mühlenteich schweifen lassen wollten. Oder ob sie drinnen im Café in einer der geschmackvoll eingerichteten Stuben oder gar in einer der beiden winzigen Zellen ihren Tee genießen wollten. Die Zellen sind jeweils fast im Originalzustand noch vorhanden.
Rund eine Viertelmillion Euro habe sie damals in die Restaurierung der Räume, neue Elektrik, neue Küche, Lampen, Schränke und Einbauten investiert, erinnert sich Karin Herbst. Ihre Wehmut und leichte Trauer über das Aufhören werde aber auch von einer freundlichen Seite begleitet: „Endlich habe ich mehr Zeit für meine Familie“, sagt sie.
Der Corona-Lockdown, der ihr Café wie alle anderen gastronomischen Betriebe im Land und im Kreis für Monate stilllegte, habe ihr gezeigt, wie schön das Leben auch ohne das ständige Arbeiten am Wochenende sein kann.
Barmstedt will Pacht für das Haus demnächst neu ausschreiben
„13 Jahre waren 13 Oster- und Pfingstfeiertage und in dieser Zeit fast alle Wochenenden, an denen ich hier gearbeitet habe“, so Karin Herbst. Nun freue sie sich darauf, ihr Familienglück mit Mann und der neun Jahre alten Tochter mehr genießen zu können. „Im Lockdown habe ich gemerkt, wie schön es ist, einen Sonntag zu Hause mit der Familie zu verbringen, gemeinsam zu essen und zu spielen.“
Wie es für sie weitergeht, weiß Karin Herbst: „Ich werde erst einmal eine Auszeit nehmen“, sagt sie. Möglicherweise werde sie in ein paar Jahren woanders einen Neuanfang starten. Was mit dem Lokal geschieht, sei Sache der Stadt Barmstedt, die einen neuen Pächter vom nächsten Jahr an suchen müsste.
„Wir werden das demnächst ausschreiben, sind gerade dabei, den Ausschreibungstext zu verfassen“, sagt Barmstedts Bürgermeisterin Heike Döpke dazu auf Abendblatt-Nachfrage. „Jeder kann sich bewerben und sein Konzept vorstellen.“ Sie hoffe auf eine „zeitnahe“ Nachfolge. Im Juni hatte sie Karin Herbst darüber informiert, dass sie den zum Jahresende auslaufenden dritten Pachtvertrag nicht verlängern werde.
„Knastessen“ im ehemaligen Gefängnis war ein Renner
Übernommen hatte die Elmshornerin damals den Betrieb vom Künstler-Ehepaar Rode. Die beiden hatte das historische Gefängnis 1985/86 zum Café-Restaurant umgebaut. Zuvor bekam es die Stadt wie die anderen denkmalgeschützten Gebäude auf der Schlossinsel vom Land geschenkt. Der Bau aus dem Jahr 1836 war sowohl vom dänischen Königreich als auch von 1866 bis 1927 von Preußen für inhaftierte Straftäter genutzt worden. Kurz vor dem 25-jährigen Bestehen der neuen Gastronomie-Nutzung gaben seinerzeit Karin Bergmann-Rode und Freddy Rode den Betrieb aus persönlichen Gründen auf.
Sie hatten hier nach anfänglichen Problemen – ihnen wurde erst 1986 eine Küche und der Ausschank von Getränken erlaubt – das sogenannte Knastessen erfunden, das schnell ein überregionaler Renner wurde. Von Hamburg bis Süddeutschland strömten die Gäste herbei, um von Rode in Sträflingsuniform „Nageknochen, Erdäpfel, Grünzeug der Saison und saure Milch“ serviert zu bekommen. Das waren leckere geschmorte Rippchen mit Kartoffeln, buntem Salat und selbstgemachtem Kräuterquark – ein einfaches Festessen, das auch Karin Herbst bis vor drei Jahren noch auf ihrer Speisekarte hatte.
Ministerpräsident speiste im ehemaligen Schlossgefängnis
Dieses Erlebnisessen war viele Jahre ein Hit, erinnert sich Freddy Rode. „Das war von Anfang an ein Riesenerfolg.“ Im Sommer sei die Terrasse bei gutem Wetter ohnehin „brechend voll“ gewesen. Aber auch im Winter war das Lokal mit seinen 80 Plätzen oft ausgebucht. Sogar Prominente wie Schauspieler Horst Frank, Ministerpräsident Björn Engholm, der Tenor Andrea Bocelli oder Schriftsteller Pavel Kohout waren hier zu Gast, wie noch an Bildern und Berichten in Gefängniszelle Nummer 1 nachzulesen ist.
Ihre Nachfolgerin Karin Herbst habe im 13. Jahr „kein besonders großes Glück gehabt“, glaubt Freddy Rode. „Der Übergang von uns an Frau Herbst war ein Schritt von zwei gastronomischen Laien und einem künstlerisch locker geführten ‚offenen Vollzug‘ in einem alten Gefängnis hin zu einer erstklassig ausgebildeten Hotelfachfrau mit Ambitionen, ein nur wenig uriges Edel-Knastambiente zu schaffen“, beschreibt er den damaligen Wechsel, der ein paar Jahre brauchte, um zu greifen. Und nun sei das leider bald wieder vorbei.
Barmstedt: Wie es mit dem Café aus der Schlossinsel weitergeht
Nun werde sich zeigen, was die Stadt bald mit den leerstehenden Räumen vorhabe. Das Ehepaar Rode wünschte sich eine Fortführung des gastronomischen Betriebes. „Wenn möglich, in der ursprünglich rustikalen und dennoch kultivierten Form“, so Rode. „Die Institutionen auf der Schlossinsel müssen eine Symbiose bilden und benötigen als Zugpferd das Galerie-Café Schlossgefängnis, um Gäste, Käufer und Besucher auf die Insel zu locken“, sagt Rode und rät der Politik: „Die Stadt sollte den Insulanern Pachtverträge anbieten, die den Pächtern nicht die Lust am Arbeiten und nicht das Geld zum Leben nehmen.“
Vielleicht wartet die Stadt auch erst die dringend notwendige Sanierung der historischen Brücke ab, die der Beginn zu einer umfassenden Restaurierung der denkmalgeschützten Gebäude aus dem 19. Jahrhundert sein soll. „Der Zugang zur Insel muss aber jederzeit gewährleistet sein“, versichert Bürgermeisterin Döpke. „Notfalls mit einer provisorischen Brücke.“
Bis zum 27. November ist das Galerie-Café im Schlossgefängnis mittwochs bis sonnabends von 12 bis 18 Uhr sowie sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet.