Prisdorf. Der Ex-CDU-Fraktionschef Matthias Booke gründet eine zweite Wählergemeinschaft im Ort. Was das Bündnis bei der Wahl vorhat.

Es gibt keine Kneipe mehr im Dorf, keine Bushaltestelle und auch keinen richtigen Jugendtreff. Dafür werden in der gut 2300 Einwohner zählenden Gemeinde Prisdorf bei der Kommunalwahl im Mai nächsten Jahres gleich vier politische Gruppierungen um die 13 Mandate im Gemeinderat buhlen. Neben der CDU, SPD und der Wählergemeinschaft Bürger bewegen Prisdorf (BBP), die seit 2016 mit Rolf Schwarz (68) den Bürgermeister stellt, wird sich eine zweite Wählergemeinschaft zur Wahl stellen. Matthias Booke, ehemaliger Fraktionschef der CDU, hat mit sieben Mitstreitern jetzt das Bündnis Zukunft Prisdorf (BZP) gegründet.

„Wir streben drei bis vier Mandate an“, sagt Booke zuversichtlich, der der neuen Wählergemeinschaft vorsitzt. Jeder der drei jetzigen Fraktionen – CDU (6), BBP (4) und SPD (3) – würde die neue Wählergemeinschaft am liebsten einen Sitz im Gemeinderat abluchsen. Dann würde sie sich auf Anhieb als vierte politische Kraft im Ort etablieren. Wen sie dann zum neuen Bürgermeister vorschlagen würden, käme auf den Kandidaten an, will Booke sich noch nicht festlegen. Zurzeit „regiert“ BBP-Vorsitzender Schwarz in Prisdorf mit Hilfe der Stimmen der SPD. Zuvor war die Nachbargemeinde der Kreisstadt Pinneberg jahrzehntelang in der Hand der CDU. Hans Albert Höft war 28 Jahre lang, Wilfried Hans danach 14 Jahre bis 2016 Bürgermeister von Prisdorf.

Matthias Booke ist auch Vorsitzender des Vereins „Prisdorf macht Vergnügen“

BZP-Gründer Booke ist seit einem Jahr zudem Erster Vorsitzender des Vereins „Prisdorf macht Vergnügen“, der 1994 von dem damaligen Bürgermeister Höft initiiert wurde, um Osterfeuer und Dorffeste zu organisieren. „Ich versuche, die Vereinsarbeit und die politische Kandidatur zu trennen“, sagt Booke. Ohnehin sei er nicht im Streit bei der CDU ausgeschieden, erklärt der 60 Jahre alte gebürtige Gelsenkirchener, der vor etwa 20 Jahren nach Prisdorf gezogen ist. „Es hat keinen Krach gegeben.“

Das bestätigt Prisdorfs CDU-Parteichef Stefan Brühl: „Wir sind im Guten auseinander gegangen.“ Ex-Fraktionskollege Booke habe sich „neue Wege gesucht“, weil er wohl glaube, die etablierten Parteien könnten sich im ländlichen Raum weniger gut auf die Wünsche der Wählerinnen und Wähler einstellen. „Ich teile diese Meinung nicht“, sagt Brühl. „Als CDU sind wir viel besser vernetzt auf Kreis-, Landes- und Bundesebene.“

Alle acht Gründungsmitglieder sind parteilos, die BZP will die bürgerliche Mitte vertreten

Booke hält dagegen: „Eine Wählergemeinschaft kann in der Dorfpolitik mehr erreichen.“ Schon in den 20 Jahren als CDU-Politiker habe er diesen kommunalpolitischen Schwerpunkt vertreten, den er nun „umso mehr in der Wählergemeinschaft“ verwirklichen könne. Von seinem politischen Neuanfang sei er jedenfalls überzeugt. „Auf Ortsebene kann man mehr mitgestalten und mitregieren. Darin steckt viel Potenzial, wenn die Leute sehen, was man hier bewegen kann.“

Alle acht Gründungsmitglieder wie sein Stellvertreter Ralf Rahmede seien parteilos. „Es wird bei uns keinen Fraktionszwang geben“, verspricht Booke. Dafür muss die BZP, die Booke in der „bürgerlichen Mitte“ einordnet, allerdings erst den Sprung in den Gemeinderat schaffen und dafür mindestens um die acht Prozent der Stimmen in Prisdorf für sich gewinnen.

Das neue Bündnis setzt auf Klimaneutralität und Nachverdichtung bei Wohnraum

Programmatisch setzt die neue Gruppierung auf aktuelle Themen wie Klimaneutralität und Schaffung von neuem Wohnraum, ohne neue Baugebiete auszuweisen. So könnten zahlreiche Grundstücke der 1100 Wohneinheiten in Prisdorf nachverdichtet werden, da davon 900 Einfamilienhäuser seien, wo sich relativ rasch bezahlbarer zusätzlicher Wohnraum schaffen ließe, glaubt Booke.

Wenn ein Großteil dieser Eigenheimbesitzer ihre Dächer mit Photovoltaik oder Solarthermie ausrüsten würde, könnte Prisdorf seinen Teil zum Klimaschutz beitragen. So habe er sich selbst gerade eine 600-Kw-Solarstromanlage für 800 Euro angeschafft, die etwa ein Fünftel seines Strombedarfs decke.

Die BZP will sich auch für junge Leute im Dorf stark machen

Auch für die jungen Leute im Dorf will sich die BZP stark machen. Ihnen fehle ein Treffpunkt im Ort. Mit dem Verlust von Hoyers Gasthofes fehle eine Dorfkneipe. Vom geplanten Bau des Radschnellweges zwischen Elmshorn, Pinneberg und Hamburg entlang der Bahnstrecke versprechen sich Booke und Rahmede bessere Radwege. Und die E-Mobilität solle mit Ladesäulen gefördert werden.

Ob die vierte politische Alternative für Prisdorf eine vorhandene Lücke im politischen Raum ausfüllen werde, müsse die Wählerschaft entscheiden, sagt Bürgermeister Schwarz. „Jeder hat das Recht, seine demokratischen Möglichkeiten auszuschöpfen.“ Aktuell stehe eher der Bau der neuen Mensa in der gemeinsam mit Kummerfeld betriebenen Bilsbek-Schule auf der Agenda, der vier Millionen Euro kosten soll und zurzeit auf Eis gelegt ist.

Will Booke sich als Bürgermeisterkandidat profilieren?

SPD-Gemeindevertreter Uwe Behrend glaubt eher, Booke möchte sich mit der neuen Wählergemeinschaft im Dorf bekannt machen und sich so als neuer Bürgermeisterkandidat profilieren. Er sehe das gelassen, sagt Behrend. Die SPD habe mit der in Prisdorf seit drei Jahrzehnten etablierten Wählergemeinschaft Bürger bewegen Prisdorf „in vielen Punkten die gleiche politische Auffassung.“

Und auch die CDU gibt sich keine Blöße. „Wir wollen bei der Kommunalwahl im Mai 2023 wieder die absolute Mehrheit der Stimmen erreichen“, sagt Parteichef Brühl.