Schenefeld/Kreis Pinneberg. 80 Elektro-Busse können geladen werden. Wie der Nahverkehr bis 2032 emissionsfrei werden soll und wo es Nachholbedarf im Kreis gibt.
Mit großen Schritten wird jetzt die Elektromobilität im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) im Hamburger Umland forciert. Am Mittwoch weihten Pinnebergs Landrätin Elfi Heesch und Hamburgs Verkehrssenator Anjes Tjarks den landesweit größten Auflade-Bahnhof für Elektrobusse in Schenefeld ein. Auf dem dortigen Gelände der Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein (VHH), an der die Umlandkreise zu knapp sechs Prozent beteiligt sind, können bis zu 80 E-Busse gleichzeitig mit Ökostrom aufgeladen werden. Gemeinsames Ziel der Hansestadt und des Umlandes sei, bis 2032 alle dann etwa 3000 Linienbusse nur noch abgasfrei und klimaneutral verkehren zu lassen.
17,5 Millionen Euro haben die VHH im Osterbrooksweg auf dem 7640 Quadratmeter großen Gelände in den Ausbau der Lade-Infrastruktur investiert, sagte Geschäftsführer Toralf Müller. Wenn gegenüber vom Busbetriebshof im nächsten Jahr alle 80 Ladestationen fertiggestellt sind, zurzeit sind es 64, könnten bis zu 4500 Tonnen CO2 im Jahr eingespart werden. Die Busse würden mit bis zu 150 Kilowatt Gleichstrom aufgeladen werden, was etwa zwei Stunden dauert, sagte Projektleiter Nasrollah Mozhdehi. Wenn alle gleichzeitig am Stromnetz hingen, würde es dreimal so lange dauern.
„Das hier ist jetzt der größte E-Mobilität-Hub in Schleswig-Holstein“, sagte Hamburgs grüner Verkehrssenator Tjarks. Aber auch auf den anderen VHH-Betriebshöfen in Bergedorf (48), Billbrook (41) und Norderstedt (12) würden zusammen knapp 100 Ladestationen eingerichtet. Denn nicht nur alle derzeitigen 1782 Busse der VHH, von denen jetzt 80 elektrisch angetrieben werden, sollten vom Diesel- auf abgasfreie Antriebstechnik umgestellt werden. „Wir wollen den Hamburgern bis 2030 an jedem Ort innerhalb von fünf Minuten ein ÖPNV-Angebot machen“, kündigte der Verkehrssenator an. Dafür seien etwa 2300 E-Busse erforderlich. Ziel sei, dass möglichst viele der täglichen 370.000 Ein- und 140.000 Auspendler den ÖPNV nutzten.
Bisher fährt erst ein Bus im Kreis Pinneberg elektrisch
Dieses Wachstum gelte auch für den Kreis Pinneberg, sagte ÖPNV-Chefplaner Claudius Mozer. Um das Ziel im Kreis Pinneberg zu erreichen, bis 2032 ausschließlich klimaneutrale Linienbusse verkehren zu lassen, müsste ihre Anzahl von derzeit 120 auf etwa 150 erhöht und auf elektrische Antriebstechnik umgestellt werden. Schon in den nächsten fünf Jahren werde es erheblich mehr Busverkehr bedürfen, erklärte Mozer. Denn bis 2026 soll der Anteil von Bus und Bahn am öffentlichen Verkehr von zehn auf 15 Prozent gesteigert werden. „Dafür brauchen wir noch mehr Buslinien und dichtere Takte. ÖPNV kann so einfach sein.“
Gerade erst hat der Kreistag das Busangebot im Kreis Pinneberg zum Fahrplanwechsel im Dezember um weitere 1,8 Millionen Euro erhöht (das Abendblatt berichtete). Unterm Strich gibt er im nächsten Jahr insgesamt 17,6 Millionen Euro für den Linienbusverkehr aus. Der E-Busanteil steckt hier aber noch am Anfang, erklärte Mozer. Zurzeit fahre nur ein E-Bus durch den Kreis Pinneberg. Aber bis 2024 würden 26 Busse bei der Kreisverkehrsgesellschaft und der VHH für den Kreis Pinneberg elektrisch sein. „Die sind beantragt, bestellt und gefördert“, sagt Mozer. „Mit der VHH haben wir da einen starken Partner“, sagte Landrätin Heesch. Der Bund fördere das E-Bus-Anschaffungsprogramm für die Metropolregion mit 160 Millionen Euro, sagte Senator Tjarks.
„Das hier ist eine gute und extrem sinnvolle Investition in die Zukunft“, sagte FDP-Fraktionschef Olaf Klampe, der dem Verkehrsausschuss des Kreistages angehört. Neben dem öffentlichen Personenverkehr müsse aber auch der individuelle Auto-Verkehr verstärkt auf klimafreundliche Antriebstechniken umgewandelt werden, egal ob es Ökostrom, Wasserstoff oder Methan sei, fordert Klampe. „Diese Angebote müssen billiger werden, damit mehr Autofahrer umsteigen können.“
Auch kritische Töne für ein neues VHH-Projekt waren zu hören
Auch Schenefelds Bürgermeisterin Christiane Küchenhof lobte das „ehrgeizige Projekt“ der VHH in ihrer Stadt. „Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. E-Mobilität ist ja zurzeit in aller Munde.“ Die VHH seien „ein toller Betrieb und ein guter Arbeitgeber“ für die 2350 Beschäftigten, sagte die Verwaltungschefin. Allerdings habe sie auch Verständnis für die kommunale Politik, die weiterhin fordere, dass das ehemalige Gelände der 2017 bei einem Großbrand zerstörten Sportwelt Schenefeld eine Gewerbefläche bleiben soll. Das Areal haben inzwischen die VHH erworben, um dort einen Busparkplatz einzurichten.
„Wir sind mit 998 Hektar die mit Abstand kleinste Stadt im Umkreis und brauchen dringend zusätzliche Gewerbesteuereinnahmen, um die steigenden Kosten für Kitas, Schulen und Infrastruktur bezahlen zu können“, merkte Bürgermeisterin Küchenhof kritisch an.