Oliver Lück war in einer Kneipe. Ja, solche Orte gibt es noch. Und sie sind voller Originale. Hinter und vor dem Tresen.
Kreis Pinneberg Bin letzte Woche seit langer Zeit mal wieder in der Kneipe gewesen. Ist ja wie Theater, nur echter und ohne Schauspiel oder Schnickschnack, weiß man ja. Und Eike ist die Wirtin einer der letzten Hamburger Eckkneipen, die irgendwo an der Elbe liegt. Der Name dieser Kneipe ist jetzt mal egal, weil es in dieser Geschichte um einen Grundton gehen soll, der immer leiser zu werden scheint. Man könnte aber auch Echtkneipe sagen, Sie wissen schon.
Nun aber Eike, die Wirtin. Sie ist klein, sehr hager und irgendwo in den Siebzigern. Sie kocht alles selber. Sechs Tage die Woche, nur montags nicht. Seit vielen Jahren ist das so. Deutsche Küche: Bratkartoffeln mit Zwiebeln, Fleisch in allen Variationen. Ohne viele Worte, aber mit Beilagen. Manchmal hört man Eike, wenn sie rührt oder mit den Pfannen und Töpfen klappert. Ganz selten brabbelt sie mal etwas, wie: „Schweinebraten ist aus!“ Oder: „Kartoffeln sind fertig!“ Zu sehen ist sie fast nie, nur wenn sie mal kurz den Kopf aus ihrer Küche streckt, um die Lage zu überblicken. Gefolgt von kurzen Kommentaren oder Ansagen wie: „Einmal Kapitänsteller fertig!“ Den gibt es mit handverlesenen Matjesfilets, Krabben, Rührei und Bratkartoffeln für 14,50 Euro. Da kann man nicht meckern. Bei Eike schon gar nicht.
Sie steht alleine in der Küche. Auch das war noch nie anders. „Ist halt so“, sagt Eike. Und ihre Kneipe ist meist ganz gut besucht. Trotz Kneipensterben. Trotz Corona. Alles irgendwie zum Trotz macht Eike einfach weiter. Und so kann es mit dem Essen auch mal länger dauern. Ihre Gäste aber kennen das und bleiben gelassen. Ihre Gäste lassen sich generell nicht so leicht aus der Ruhe bringen, sagen ihre Gäste. Und während Eike kocht, werden natürlich immer auch Geschichten erzählt, um die Zeit zu überbrücken. Deshalb geht man ja in die Kneipe.
So wie jetzt einer am Tresen: „Ich hab‘ längst Feierabend“, ruft er, „warum soll ich um diese Zeit noch auf die Uhr gucken? Beim Warten auf das Essen kann man ja auch Bier trinken.“ Das entschädigt für vieles. Eigentlich für alles. Und dann wird Bier getrunken. Und eigentlich müsste Eikes Kneipe samt aller Stammgäste auch unter Denkmalschutz gestellt werden, damit das für immer so bleibt. Schon deshalb, damit man sich für immer daran erinnern kann, wie es früher einmal in einer Echtkneipe so zugegangen ist.
Früher gab es sehr viel mehr Kneipen und auch viel mehr Ecken im Leben. Und die Uhr an der im dunklen Holz getäfelten Wand in Eikes Nachbarschaftstankstelle, die weder cool noch schick sein will, ist übrigens – es klingt wie ausgedacht, ist aber die Wahrheit, ich schwöre – seit Stunden stehengeblieben. Oder seit Tagen. Oder seit Monaten. Oder schon immer.