Kreis Pinneberg. Trendwende in Sicht? Etwas mehr Frauen ergreifen MINT-Berufe oder werden Chefin. Wo in Pinneberg es besonders gut läuft.
Noch immer sind Wirtschaft und Verwaltung in Deutschland weit von der Gleichverteilung ihrer Führungspositionen an beide Geschlechter entfernt. Ähnlich sieht es in den mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Berufen (MINT) aus, die Männer sehr viel häufiger ergreifen als Frauen. Aber es wird besser. Gerade in den Verwaltungen. Ein positives Beispiel ist die Stadt Pinneberg, wo gerade mit Anja Epper die nächste Frau als Leiterin eines großen Fachbereiches ihre Arbeit aufgenommen hat – neben Maren Uschkurat, die schon seit längerem die Leitung des Fachbereiches Innerer Service im Rathaus innehat.
Gleichstellung: Im Pinneberger Rathaus hat sich schon viel getan
Auch auf dem Feld der Technik geht’s dort voran: „Wir haben in allen technischen Bereichen gemischte Teams“, sagt Deborah Azzab-Robinson, die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt. Dass im Rathaus immer mehr Frauen in Führungspositionen aufrückten – das Bürgermeisteramt und das des Bürgervorstands liegen ebenfalls in weiblicher Hand – seien „Maßnahmen, die man nach außen teilweise nicht sieht, die aber wirken. In der Privatwirtschaft ist das leider noch nicht so“, sagt Deborah Azzab-Robinson.
Sie unterstützt deshalb über ihre Netzwerke jede Art von Frauenförderung, auch in der freien Wirtschaft, denn „ich sehe an meiner täglichen Arbeit, dass das klappt“. Das kann – für die Verwaltung – auch Jasmin Stürzebecher bestätigen, die seit dem vergangenen Jahr als IT-Administratorin im Pinneberger Rathaus arbeitet. „Gemischte Teams sind das Beste für alle“, sagt sie.
In den MINT-Fächern sind Frauen noch immer in der Minderheit. Aus diesem Grund war Jasmin Stürzebecher im Laufe ihres Berufslebens aufgrund ihres Geschlechts mitunter mit „unschönen Situationen“ konfrontiert. „Aber ich habe mich immer behaupten können und bin so auch zu meiner starken Haltung gekommen“, sagt sie in einem Gespräch, das die Gleichstellungsbeauftragte mit ihr für den vom Kreis initiierten Blog www.lotsinnen.de geführt hat. Dieser Blog vernetzt Frauen im Kreis Pinneberg im Sinne einer stärker gleichberechtigten Gesellschaft.
Gleichstellung: Immer mehr Frauen belegen MINT-Fächer
Langsam werden Frauen bei der Berufswahl aber offenbar mutiger und bilden sich weiter, „vor allem in Fächern, die sie aus den typischen Frauenjobs herausholen und bessere Bezahlung und Arbeitsbedingungen versprechen“, schreibt Kathrin Werner in der Süddeutschen Zeitung. Besonders stark sei die Zahl der Frauen gestiegen, die während der Pandemie Kurse in den so genannten MINT-Fächern belegt hätten, also in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, „230.000 Frauen in Deutschland lernten zum Beispiel über Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik“, so Werner.
Die Pinneberger Gleichstellungsbeauftragte wünscht sich, dass alle Mädchen ihren beruflichen Weg so gehen können, wie sie es wünschen – diskriminierungsfrei. „Um das zu ermöglichen, ist der Blick zu weiten für alle Berufsfelder, die es gibt.“ Da sei noch viel zu tun, „weil Mädchen immer noch an Geschlechter-Stereotypen hängen“, sagt sie. Es sei wichtig, „dass aus den Schulen Impulse kommen“. Solche Impulse, wie sie Jasmin Stürzebecher erlebt hat: „Besonders mein Techniklehrer hat meine Mitschülerinnen und mich konkret unterstützt. Er hat kreative Experimente gemacht und so Begeisterung, Neugierde und Wissensdrang bei uns geweckt.“
Anstöße können aber auch aus der freien Wirtschaft kommen, was teilweise auch passiert. Auf Anregung der Gleichstellungsbeauftragten des Kreises Steinburg und von „Frau und Beruf“ beispielsweise findet am Fraunhofer-Institut für Siliziumtechnik (ISIT) in Itzehoe einmal im Jahr ein Info-Tag für Mädchen der achten bis zehnten Klasse statt – mit gut 20 Ausstellern aus der Wirtschaft, die in dem mathematisch-technisch-naturwissenschaftlichen Bereich Nachwuchs suchen.
MINT-Berufe: Faszination schon in der Schule wecken
Dass insgesamt noch einiges im Argen liegt, bestätigt Thomas Kenntemich, Chef der Arbeitsagentur in Elmshorn. Eltern, Lehrer und Medien müssten daran mitwirken, damit Jugendliche ihren eigenen Weg fänden. „Bei Frauen verkümmert das oftmals, weil sie dominiert werden durch die Erwartungen anderer“, ist seine Beobachtung, die MINT-Berufe betreffend. Dieser Bereich sei aber bei beiden Geschlechtern relativ unbekannt, was auch an denen liege, die diese Berufe ausübten. Sein Vorschlag: Schulen könnten ihre Projektwochen nutzen, um solche Betriebe in die Schulen einzuladen, was gut vorzubereiten sei. Würden im Fach Physik beispielsweise Pumpen erklärt, könne daran ein Exkursionstag zu einem Betrieb geknüpft werden, der Pumpen herstelle.
Zu vermitteln, wie spannend diese Berufe erlebbar seien, das beginne schon daheim, sagt Kenntemich. „Wenn Eltern zuhause Dinge reparieren, zeigen sie ihren Kindern das? Gerade solche Bereiche wie Technik bieten viele Möglichkeiten, etwas auszuprobieren.“ Möglicherweise werde aber heute nicht mehr so viel repariert, wie das früher der Fall gewesen sei. Für den Unterricht in der Schule gelte es, die Transformation von Unterrichtsinhalten zur praktischen Lebensanwendung hinzubekommen.
Gleichstellung: Deutlicher Anstieg von Frauen in MINT-Berufen
Einen kleinen Hoffnungsschimmer liefern die Zahlen des Statistikamtes Nord. Ende 2021 waren im Kreis Pinneberg 95.673 Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt. 18.918 von ihnen arbeiteten in den sogenannten MINT-Berufen, darunter 3189 Frauen. Drei Jahre zuvor waren 2901 Frauen in MINT-Berufen beschäftigt, ihr Anteil ist also von 14,6 Prozent auf 16,9 Prozent gestiegen.
Und: „Jüngere Frauen interessieren sich inzwischen öfter für MINT-Berufe“, sagt Gerold Melson, Sprecher der Arbeitsagentur. Wobei der Chemiebereich, Metall- und Maschinenbau, Kraftfahrzeugtechnik sowie Bauelektrik und Gebäudetechnik weiter überwiegend in Männerhand bleibe. Fazit von Melson: Der Anteil der Frauen in MINT-Berufen wächst, jedoch langsam, biete dabei „sehr viele interessante und gut bezahlte Arbeitsbereiche und sollte daher unbedingt in die Berufswahl einbezogen werden.“