Pinneberg. 35 Bands verwandeln die Pinneberger Innenstadt für vier Tage in ein Paradies der Musik und der Freude. Die Highlights.
Wer Summerjazz noch nicht erlebt hat und noch nie in dieses Meer der Klänge eingetaucht ist, der kann sich wohl schwer vorstellen, wie schön das in diesem wieder erwachten musikalischen Wechselbad ist. Während die Hitze bis zum frühen Sonnabendnachmittag auf mögliche Besucher abschreckend wirkt, ist die Stadt am Abend proppevoll, und die Ohren so eingegrooved, dass sogar eine so hochkomplexe Band wie „Stubenjazz“ ein riesiges Publikum bekommt.
Die deutschen Volkslieder, auf deren Grundmelodien sie ihr Klangfeuerwerk stets aufbaut, sind dabei leider nicht weiter wichtig. Da wär’ mehr gegangen. Großartig ist diese Kombo vom Bodensee aber trotzdem, wegen ihrer immensen Kreativität und ihrer Hingabe ans Improvisieren, Verflechten, Reagieren und Erfinden.
Bei geschätzten 40 Grad in der Sonne wagen sogar einige ein Tänzchen vor der Bühne
Wer bis dahin durchgehalten hat, hatte schon eine Menge toller Musik intus. Bei geschätzten 40 Grad in der prallen Sonne hatte die Bigband Primera Diversión den Pinnebergern schon mittags so kräftig eingeheizt, dass sich sogar wenige trauen, vorn ein Tänzchen zu wagen. Wie schön, dass sogar eine kleine Dame im Rollstuhl so glücklich ist, dass ihre Füße im Kreis wackeln und ihre Hände dazu. Die hat sich jedenfalls getraut...
An der Bahnhofstraße werfen sich vier Jazz Sisters in den gelegentlich mehrstimmigen Gesang, von Swing Standards bis zum Pop, wobei Katrin Zurborg mit ihrer fulminanten E-Gitarre besonders hervorzuheben ist. Denn die hat es in sich...
Treppab in der bezaubernden, sehr vollen Remise, nimmt wenig später Verena Braun ihre Ukulele zur Hand, um mit ihren beiden Mitmusikern beswingte kleine, freche Lieder zu singen, zu denen leider die Tanzfläche fehlt… Eingegrooved hat die Besucher aber schon das Hanse-SwingProject mit mitreißenden, frisch interpretierten Klassikern wie „Puttin’ on The Ritz“ auf dem Lindenplatz.
Ein Kontrastprogramm fast jenseits des Jazz liefern die Ekstatiker des Festivals, Nineteen Echoes
Im Ratssitzungssaal haben sich einige Musiker aus Leidenschaft eingefunden, um dem wunderbaren Jazzpianisten Ari Erev bei einer Masterclass zu lauschen. Tja, dass ein Musiker, der besser werden will, sich mit seinen Schwächen befassen sollte – das dürfte der eine oder andere aber bereits vorher gemerkt haben.
Ein Kontrastprogramm fast jenseits des Jazz liefern dann die Ekstatiker des Festivals, Nineteen Echoes, ab. Wie ein Körper atmen diese drei Musiker sich in ihre immer dichteren, intensiven Sounds hinein, angeführt von den hypnotischen Riffs, die Thomas Schmeer seinen Gitarren abringt.
Am Sonntag dann zum Warmwerden astreiner Dixieland Jazz der Alabama Hot Six und gut gespielte Jazzstandards mit einer leider schwachen Sängerin und neue Stücke bei den Fishhead Horns.
Die Sängerin und Geigerin Yuliia Vydovska mit dem FUZ Quartet ist die Königin des Festivals
Das reißt wenig später die ukrainische Sängerin und Geigerin Yuliia Vydovska mit dem französischen FUZQuartet dreifach wieder raus. Diese Kindfrau ist Künstlerin durch und durch und die Königin des Festivals – durch ihre große Stimme, ihre Improvisationskunst und ihre ungeheure Wandlungsfähigkeit als eine Jazzerin, die mit ihren Mitmusikern die Kraft hat, das Trennende zwischen den musikalischen Kulturen ganz zu überwinden.
Das gelingt, wenn auch weniger eigenständig, auch der Band Skupa, die den mitreißenden Balkan-Sound, Klezmer und Flamenco mit Geige, Akkordeon, einer sehr lebendigen Tuba, Gitarre und Doumbeck zum Schwingen bringt.