Kreis Pinneberg . 1125 Personen nehmen an den Seminaren teil, 800 wagen Schritt in die Selbstständigkeit. Warum das Angebot jetzt ausläuft.

14 Jahre lang hat die Wirtschaftsförderungsgesellschaft (WEP) des Kreises Pinneberg Menschen in die Selbstständigkeit verholfen. Von 1125 Teilnehmern haben sich seit 2008 rund 800 Männer und Frauen im Kreis Pinneberg auf diese Weise ihre selbstständige berufliche Existenz aufgebaut. Doch jetzt musste die WEP ihre Existenzgründer-Seminare einstellen. Der Grund dafür: Das Land hat die finanzielle Förderung für dieses landesweite Erfolgsmodell aufgegeben.

Kreis Pinneberg: Angebot für Existenzgründer läuft aus

Für WEP-Chef Harald G. Schroers ist das völlig unverständlich. „Das zeigt aber, wie wichtig ein Gründerzentrum für den Kreis Pinneberg ist, damit wir langfristig die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit im Kreis Pinneberg erhalten können.“ Wie berichtet, plant der Pinneberger Kreistag ein Gründerzentrum für junge Start-up-Unternehmen einzurichten und mit fünf Millionen Euro zu bezuschussen. Die Städte und Gemeinde sind aufgefordert, sich als Standort zu bewerben.

Josef Juncker hat die Existenzgründer-Seminare von Anfang an für die WEP organisiert und begleitet. In Kursen von zwei bis drei Wochen haben die Teilnehmer in Elmshorn, Pinneberg und Quickborn darin in kompakter Form alle wichtigen Informationen erhalten, die sie für ihren Schritt zur Selbstständigkeit brauchten. Sie erfuhren von Experten, wie sie ihr Büro oder Geschäft organisieren, wie sie Preise kalkulieren, welche Rechtsfragen sie beachten müssen, welche Kosten und Steuern auf sie zukommen und vor allem, wie sie Aufträge und Kunden akquirieren und ihre Dienstleistungen und Produkte bewerben und vermarkten sollten, um erfolgreich am Markt zu bestehen.

Kreis Pinneberg: Etwa 800 Menschen haben ein Unternehmen gegründet

„Jeder ist am Ende mit einer Geschäftsidee und einem fertigen Businessplan nach Hause gegangen“, sagt WEP-Projektmanager Juncker.„Wir haben hier ganz tolle und kreative Ideen gefördert und Potenziale gehoben, die da im Verborgenen schlummerten“, sagt WEP-Chef Schroers. 88 Gründungscamps sind in den 14 Jahren angeboten worden mit 1125 Teilnehmern. Das waren durchschnittlich 80 Teilnehmer in sechs Gründungscamps pro Jahr, bilanziert Juncker. Zwei von drei Teilnehmern, also im Schnitt 57 pro Jahr, haben sich anschließend selbstständig gemacht, meist als Soloselbstständige, Freiberufler oder Gewerbetreibende.

„Praktisch jede Woche hat sich jemand eine neue Existenz aufgebaut“, sagt Juncker. Jeder der 800 Existenzgründer im Kreis Pinneberg habe im Durchschnitt noch einen weiteren Arbeitsplatz für einen Mitarbeitenden geschaffen. „Das war ein Super-Erfolgsmodell für viele Menschen im Kreis Pinneberg, Arbeitslosigkeit zu vermeiden“, erklärt Schroers.

Umso unverständlicher für ihn, dass das Land dieses Programm nun beendet hat. Etwa 70.000 bis 100.000 Euro hatte das Land der WEP dafür pro Jahr zur Verfügung gestellt. Gelder, die aus Förderprogrammen der Europäischen Union stammten. „Nun können wir das in dieser Form leider nicht mehr anbieten“, sagt Schroers. Übergangsweise würde die WEP jetzt noch Video-Beratungen für potenzielle Existenzgründer machen.

Viele Unternehmer gründen in den eigenen vier Wänden

Die berufliche Bandbreite der Existenzgründer deckte alle möglichen Branchen und Dienstleistungen ab. Jeweils jeder vierte Teilnehmer machte einen eigenen Handel für neue, innovative Produkte auf, bot anderen Unternehmen seine Dienstleistungen an oder machte sich mit eigenen Dienstleistungen selbstständig. Einige wurden Makler, selbstständige Versicherungskaufleute, Anbieter von Gesundheitsprodukten, Lehrer, Erzieher, Handwerker, Schneider, Landwirte oder Gastronomen.

Praktisch die gesamte Palette bekannter und auch neuer Berufszweige sei dabei herausgekommen, erklärt Juncker. In den meisten Fällen – zu 94 Prozent – hätten die Existenzgründer ihr Unternehmen zunächst bei sich zu Hause in den eigenen vier Wänden gegründet. Wer ein Handelsgeschäft aufmachte, brauchte gleich zu Beginn dafür eigene Geschäftsräume. Juncker geht davon aus, dass zwei Drittel aller Existenzgründer mit ihrem Geschäftsmodell erfolgreich am Markt bestehen konnten und heute noch existieren.

Kreis Pinneberg: Erfolgreiche Existenzgründung mit Hilfe der WEP

Wie zum Beispiel Doris Gundlach aus Prisdorf, die 2008 eine der allerersten Teilnehmerinnen dieser Kurse war. „Ich betreibe seit 2008 ein Planungs- und Konstruktionsbüro“, sagt die heute 53-Jährige, die bis zu ihrer Selbstständigkeit mit 38 Jahren als angestellte Bauzeichnerin gearbeitet hat. „Das Existenzgründer-Seminare bei der WEP hat mich sehr gut darauf vorbereitet, was mich erwartet, ob ich die richtige Nische getroffen habe, wie realistisch meine Geschäftsidee ist und was ich bei meinem Businessplan beachten muss“, erklärt Doris Gundlach. „So bin ich nicht blauäugig, sondern mit Bedacht in die Selbstständigkeit gegangen.“ Und sie habe sich bis heute am Markt behaupten können. „Ich habe genug zu tun“, betont sie. Manche Auftraggeber müsse sie auf den nächsten Monat vertrösten.

Ähnlich erfolgreich ist Michael Gießler (36) aus Quickborn vorgegangen. Der Mann, der als angestellter Bus- und Behindertenfahrer arbeitete, hatte schon einmal versucht, sich selbstständig zu machen. Doch der erste Versuch scheiterte, auch weil er sich nicht ausreichend über mögliche Fallstricke informiert hatte. Das änderte sich für ihn, als er 2019 das WEP-Gründerseminar besuchte und von Mitarbeitern der Finanzverwaltung aus erster Hand erfuhr, mit welchen Kosten und Steuern er zu rechnen habe, wenn er seine Idee einer Transportfirma realisieren würde.

Kreis Pinneberg: 8,4 Millionen Euro für Förderung von Existenzgründern

Gießler hat mit Bankkrediten inzwischen 180.0000 Euro in den Ankauf von drei Firmen in Hamburg und Berlin investiert und sechs eigene Mitarbeiter angestellt. Zudem beschäftigt er heute fünf weitere selbstständige Transportunternehmer. „Ich bin mit meiner Transportfirma, die Handelswaren im Im- und Export für große Unternehmen im Hamburger Hafen oder Großwäschereien abwickelt, recht erfolgreich am Markt“, sagt Gießler. „Hätte ich schon vor meiner ersten Selbstständigkeit das Seminar bei der WEP besucht, wäre auch das Unternehmen schon erfolgreich gelaufen.“

Allein in der letzten Förderperiode der vergangenen sieben Jahre standen landesweit 8,4 Millionen Euro für dieses Projekt der Existenzgründer-Förderung zur Verfügung, teilt Karen Sieksmeyer vom Kieler Wirtschaftsministerium auf Anfrage mit. „Landesmittel wurden keine eingesetzt.“ Das Projekt wurde aus EU-Mitteln, genauer dem Europäischen Sozialfonds (ESF), gefördert, so die Sprecherin. Die letzte Förderperiode sei 2020 ausgelaufen.

„Die EU-Mittel sollen zur Bewältigung der Herausforderungen genutzt werden, die beispielsweise in den sogenannten nationalen Reformprogrammen und länderspezifischen Empfehlungen genannt sind“, erklärt die Ministeriumssprecherin. „Das Thema Existenzgründungen wurde für Deutschland von Seiten der EU in diesen Dokumenten nicht mehr adressiert.“ Deswegen sei es im neuen ESF+-Programm für Schleswig-Holstein, dass die Europäische Kommission im Mai 2022 für die Förderperiode 2021 bis 2027 genehmigt hat, nicht mehr enthalten.“