Kreis Pinneberg. Präventionsbeamte der Polizeidirektion Bad Segeberg geben Supermarkt-Kunden Tipps, wie sie sich schützen können
„Die meisten Leute hier verhalten sich vorbildlich“, sagte Polizeioberkommissar Christian Schmok anerkennend. „Da muss ich ja gar nicht eingreifen.“ Der erfahrene Polizeibeamte von der Präventionsstelle der Polizeidirektion Bad Segeberg ist zurzeit mit seinen Kollegen in den Supermärkten in den Kreisen Pinneberg und Segeberg unterwegs, um dort vor allem ältere Kunden vor Taschendieben zu warnen.
In der vorigen Woche waren die auf Prävention spezialisierten Beamten in Schenefeld sowie in Rellingen in zwei Aldi-Märkten aktiv. In Bad Segeberg, Kaltenkirchen und Bornhöved suchten sie Wochenmärkte sowie weitere Lebensmitteleinzelhändler auf.
„Die Taschen in den Einkaufswagen sind das Hauptproblem“, erklärt Oberkommissar Schmok. Denn sie würden schnell zur leichten Beute für gewiefte Langfinger, wenn die Besitzerinnen sie auch nur kurz aus den Augen und damit für einen Moment unbeaufsichtigt ließen. Ein schneller Handgriff und die ganze Tasche sei weg, beschreibt Schmok den raschen Zugriff der Taschendiebe. Wenn die Handtasche sogar geöffnet sei, fingerten die Taschendiebe in Sekundenschnelle das Portemonnaie heraus, ohne dass dies einer mitkriegen würde.
Doch in diesem Fall bei bei Rewe in Kaltenkirchen schienen viele Kunden diese möglichen Gefahren schon verinnerlicht zu haben und richtig zu reagieren. „Die meisten nehmen sich den Einkaufskorb und lassen die Handtasche direkt am Körper“, hat Oberkommissar Schmok beobachtet. Das sei die absolut sicherste Art und Weise einzukaufen, lobte der Präventionsbeamte. Wenn die Handtasche eng und verschlossen am Körper sei, könnte kein Taschendieb zuschlagen.
Frauen sind meistens die Opfer
„In den meisten Fällen sind Frauen die Opfer“, sagt Schmok. „Denn Männer tragen in der Regel keine Handtasche bei sich.“ Aber auch sie könnten bestohlen werden, wenn sie zum Beispiel ihr Portemonnaie oder ihre Geldbörse offen sichtbar in der hinteren Hosentasche mit sich führten, erklärt der Präventionsbeamte. Besonders gefährlich sei das inzwischen bei den großflächigen Smartphones, die wegen ihrer Größe oft weit aus der Hosentasche herausragten und so geschickten Menschen mit krimineller Energie leichtes Spiel böten, es unbemerkt herauszuziehen. „Insofern sind nicht nur ältere Menschen, sondern auch Jüngere Opfer dieser Taschendiebstähle“, sagt Oberkommissar Schmok.
Nun hat er eine Frau entdeckt, die ihr Handy tatsächlich in der hinteren Hosentasche bei sich hat. Der Polizeibeamte geht sofort ein paar Schritte auf sie zu und spricht sie freundlich an. „Ich möchte Ihnen raten, dass Sie ihr Smartphone lieber in die vordere Hosentasche stecken“, sagt er. Und die Dame fühlt sich leicht ertappt. „Das weiß ich doch eigentlich auch selbst“, sagt Birgit Ostermann und steckt es rasch in die andere Tasche. Ihre Handtasche hat sie dagegen vorbildlich direkt am Oberkörper. „Das sage ich meiner Mutter auch immer: ‚Niemals die Handtasche in den Einkaufswagen legen‘“, sagt sie. „Und meine Mutter hält sich auch daran. Sie ist nämlich mit 80 noch sehr aufgeweckt und fit.“
Allerdings ist auch eine aufgeklärte Seniorin nicht davor gefeit, schnell hinters Licht geführt zu werden, wenn professionelle Betrüger ein perfides Netz an Lügen um sie spannen. Das habe ihre Mutter jüngst am eigenen Leib zu spüren bekommen, erzählt Birgit Ostermann. „Um ein Haar wäre sie Opfer eines fiesen Enkeltricks geworden. Dabei hat sie immer darüber gelacht und sich gewundert, wie leichtgläubig manche Menschen seien.“
Aber diese Betrüger schrecken offenbar vor nichts zurück, erzählt Birgit Ostermann diese Episode, die zahleichen anderen Senioren auch passieren könnte. „Meine Mutter rief mich ganz aufgelöst an, was denn bloß mit unserer Tochter Lena und ihrem Freund los sei“, sagt sie. „Ich darf euch das ja eigentlich gar nicht erzählen“, habe die Mutter die Anweisung der Betrüger wiedergegeben. „Aber wo wart ihr denn denn bloß? Ihr seid ja nicht zu erreichen gewesen.“ Was natürlich nicht stimmte.
Dann rückte sie mit der Sprache heraus, die Enkeltochter hätte einen Unfall gehabt und sitze nun heulend auf der Polizeistation. „Mit dem angeblichen Polizeibeamten hatte meine Mutter auch telefoniert.“ Dem sollte sie ihre Wertsachen und Geld übergeben, erzählt Birgit Ostermann. „Ich habe sofort meine Tochter angerufen, der natürlich zum Glück nichts passiert war und ihr gesagt, sie solle sofort bei Oma anrufen und sie beruhigen.“ Das war gerade noch mal Glück im Unglück. „Ich hätte aber nie gedacht, dass meine Mutter darauf reinfällt.“
Sofort zur nächsten Polizeistation gehen oder den Notruf 110 anrufen
Polizeioberkommissar Schmok hat nun seine Taschendiebstahl-Beratung im Rewe-Markt beendet. Morgen gehe es zu einem anderen Supermarkt, nächste Woche in eine andere Stadt im Kreis. Auch Vorträge vor Seniorenvereinen halte er, ebenso wie Verkehrserziehung und Medienaufklärung in den Schulen. „Ich hoffe, dass ich Sie nicht brauche“, raunt ihm eine Seniorin freundlich zu, als sie mit ihren Einkaufstaschen den Laden verlässt.
Falls jemand doch einmal Opfer eines Taschendiebstahls werden sollte, möge er sofort zur nächsten Polizeistation gehen oder 110 anrufen, rät Oberkommissar Schmok. Den Täter oder die verschwundene Handtasche womöglich noch zu suchen oder erst nach Hause zu fahren, um den Ehepartner zu verständigen, würde zu viel Zeit verstreichen lassen.
„Der Täter verlässt in Windeseile den Laden, wenn er das Portemonnaie oder die Tasche gegriffen hat.“ Darum sollten Kunden auch immer nur so viel Geld mit sich führen, wie sie benötigen würden, rät er. Wem die Scheckkarte gestohlen wurde, sollte sie mit dem Sperr-Notruf 116 116 sofort gesperrt werden. Auch die Bundespolizei gibt unter der kostenlosen Hotline 0800/68 88 000 weitere Informationen.
In Schleswig-Holstein ist die Zahl der Taschendiebstähle zuletzt wieder stark angestiegen. 3028-mal haben voriges Jahr Taschendiebe in Schleswig-Holstein zugeschlagen. Das ist der höchste Wert der vergangenen zehn Jahre und rund 50 Prozent mehr als noch im Jahr 2017, so die amtliche Statistik.
Dabei ist die Aufklärungsquote dieser Delikte weiterhin leider sehr gering: Nur 4,1 Prozent der Taschendiebstähle konnten 2021 aufgeklärt werden – also nur jeder 25. Fall. Auch das ist der niedrigste Wert seit 2012.