Kreis Pinneberg. Bei der Förderung von hochbegabten Schülerinnen und Schülern liegt der Kreis Pinneberg bundesweit weit vorn.
Ein Mensch mit einem Intelligenzquotienten ab 130 aufwärts gilt als hochbegabt. Aber längst nicht alle Kinder, auf die das zutrifft, werden entsprechend gefördert. Der Kreis Pinneberg macht es sich seit 1999 zur Aufgabe, solche Schülerinnen und Schüler speziell zu unterstützen. In Schleswig-Holstein, wenn nicht in Deutschland, liegt die Region damit inzwischen weit vorn, sagt Kerstin Tschekan, Sachgebietsleiterin beim Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen (IQSH) im Land, das an das Kieler Bildungsministerium angegliedert ist. Seit 1999 werden hier Projekte für hochbegabte Kinder gefördert und entwickelt – „hier ist der größte Enrichment-Verbund des Landes“, sagt die promovierte Philologin, die sich auf Begabungsförderung spezialisiert hat.
Hochbegabung: Quickborner Gymnasium ist Kompetenzzentrum
Initiatorin war damals im Kreis Pinneberg die Schulpsychologin Marlen Bartels. Gestartet war sie damit am Quickborner Elsensee-Gymnasium, das bis heute ein Kompetenzzentrum geblieben ist. Auch die Elsa-Brändström-Schule und die Leibniz-Privatschule in der Stadt Elmshorn haben sich eine solche Förderung auf ihre Fahnen geschrieben, beispielsweise über das Programm „Leistung macht Schule“. Gesponsert wird die Begabtenförderung bis heute von der Sparkasse Südholstein.
Mit dem sogenannten Enrichment-Programm (Enrichment = Anreicherung) bietet das Land Schleswig-Holstein ein zusätzliches Kursusangebot außerhalb der Unterrichtszeit für Schülerinnen und Schüler aller Klassenstufen. Meist finden sie in den Ferien statt. Diese Kurse sollen thematisch und methodisch den üblichen Unterricht erweitern, der sich an den Fächervorgaben orientiert. Dort wird beispielsweise „in kleinen Gruppen mit ähnlich Begabten anderer Schulen auf einem anderen Niveau gelernt, weil sie ähnliche Interessen bzw. Denk- und Arbeitsweisen mitbringen und sich weiter entwickeln wollen“, heißt es auf dem Bildungsportal des Landes.
Hochbegabung: Ziel ist es, Stärken zu fördern und neue Interessen zu wecken
Auch neue Freundschaften oder Netzwerke könnten und sollten darüber entstehen. „Ziel ist es vor allem, Stärken zu fördern, neue Interessen zu entdecken und zu weiterem Lernen zu begeistern.“ Kleine Lerngruppen ermöglichen es den Pädagogen in diesem speziellen Rahmen, sich intensiv den Kindern und Jugendlichen zuzuwenden.
„Manche Kinder könnten mit 13 Jahren Abitur machen. Die sollte man nicht sinnlos in irgendwelchem Unterricht rumsitzen lassen“, betont Kerstin Tschekan. Zahlreiche Schulen hat sie beraten, „viele haben sich aber noch nicht so recht da rangetraut“. Dabei hätten die Schulen in Deutschland große Gestaltungsfreiräume innerhalb der Rahmenverordnungen. „Es geht uns schließlich darum, alle Kinder abzuholen.“
Intelligenztests seien interessant, hülfen aber allein nicht weiter. „Uns geht es nicht um Wunderkinder, sondern darum, Talente zu fördern“, sagt Tschekan. Bei dem Thema schlügen die Wellen hoch, das stellt sie immer wieder fest. „Ein hochemotionales Thema“, sagt sie. Mangelnde Leistungen in der Schule seien schambesetzt, aber auch der Umgang mit besonderen Talenten sei nicht einfach, denn der Leistungsbegriff sei in Deutschland eher negativ besetzt, im Gegensatz zu Amerika. „Wir versuchen, hier, das zu verstecken“, sagt Kerstin Tschekan, die aber auch da langsam eine Verbesserung feststellt.
Hochbegabung: Leistungsbegriff ist in Deutschland oft negativ besetzt
Am wichtigsten sei es, Hochbegabung festzustellen. „Unsere Lehrkräfte lernen, wie sie das erkennen können. Wir haben mittlerweile viele qualifizierte Beratungslehrer für Begabungsförderung an den Schulen“, so Tschekan. Wird Hochbegabung festgestellt, werde eine Zielvereinbarung erarbeitet, wie solche Kinder besonders gefördert werden könnten. Bestimmte Projekte würden ihnen auch digital zur Verfügung gestellt. Hier sei das IQSH fest eingebunden.
Darüber hinaus wurde ein sogenanntes Springer-System entwickelt, das jetzt auch auf Gesamtschulen ausgeweitet wird. Es bedeutet, dass hochbegabte Kinder eine Stufe überspringen können und dann von einem Mentor begleitet werden, der gemeinsam mit dem Kind einen Lernplan entwirft. „Wir bemühen uns um Projekte und Strukturen, die innerhalb des regulären Unterrichts geschaffen werden“, sagt Kerstin Tschekan.
Hochbegabung: Unterstützung gibt es aus Kiel
Auch Schülerpatenschaften wurden vielerorts gebildet. Inspirationen und neue Ideen haben sie und ihre Mitstreiter in anderen Bildungssystemen weltweit gesammelt. Sie stammen aus Neuseeland, Kanada, Skandinavien, Holland – und sogar aus Australien.
Auch wie solche Kinder nach wie vor in der Gemeinschaft zurechtkämen, sei ein Thema. „Die Sensibilität dafür hat eindeutig zugenommen“, stellt sie fest. „Wir haben am IQSH ein Beratungstelefon mit drei Mitarbeitern, wo Eltern und Schüler anrufen können. Was macht man zum Beispiel mit einem Kind aus dem Yemen, das unfassbar schnell die deutsche Sprache gelernt hat? Da müssen wir was tun!“ Schützenhilfe komme auch aus Kiel, wo die Deutsche Gesellschaft für das hochbegabte Kind sitzt, außerdem sind die Schulpsychologen des Kreises laut Kerstin Tschekan bestens im Thema vertraut.