Pinneberg. Stadt Pinneberg gibt zu: Es gibt zu wenig Treffs für Jugendliche. Nun soll eine Lösung her. Was die Stadt vorhat.
Der Ausgleich gegenläufiger Interessen ist mitunter kompliziert, manchmal strapaziert er die Nerven. Bei dem Pinneberger Rentner Volker Deising (77) liegen sie inzwischen blank, und auch die Altenpflegerin Marion Jensen (56) hat so langsam kein Verständnis mehr. Worüber sie sich fast täglich ärgern, sind Basketball spielende Jugendliche auf dem Schulhof des Johannes-Brahms-Gymnasiums an der Lindenstraße. Nach ihrer Beobachtung tummelt sich die Jugend dort bis Mitternacht und darüber hinaus. Vielen Anwohnern werde durch die stundenlangen Aufprallgeräusche der Bälle die Zeit auf dem Balkon vergällt – und trotz vierfach verglaster Fenster fänden sie deswegen sogar nachts oft keinen Schlaf. Zuletzt sei am vergangenen Wochenende bis fast 24 Uhr getobt und gebrüllt worden.
Pinneberg: Zu wenig Treffs und Angebote für Jugendliche
Nun ist es nicht so, dass Deising nicht schon mehrfach mit den Jugendlichen gesprochen und sie gebeten hätte, Rücksicht zu nehmen. „Manchmal gehen sie. Aber nach 20 Minuten kommen sie oft zurück und spielen weiter“, sagt der Rentner, der sich, als alles nichts nützte, sogar an Bürgermeisterin Urte Steinberg gewandt hat. Das sei vor gut einem Jahr gewesen.
„Es ist schon ziemlich laut hier“, pflichtet ihm seine Nachbarin Marion Jensen bei. „Mich stört es weniger. Ich habe ja selber zwei Kinder. Aber bis nach 24 Uhr – das ist einfach zu lang und zu laut.“ Sie und Volker Deising wünschen sich eine klare, unmissverständliche Regelung, dafür entsprechende Verbotsschilder – oder einen weicheren Bodenbelag vor den Basketballkörben. „Es soll ein Miteinander sein, denn es gibt in Pinneberg nur wenige Angebote für Jugendliche. Die müssen dringend geschaffen werden“, sagen sie.
Ein Anruf bei der Polizeidienststelle Pinneberg ergab, dass sich Bürger momentan vermehrt über Lärm in der Innenstadt, speziell in der Fußgängerzone beschweren, besonders in den späten Abend- und Nachtstunden. Vandalismus sei dagegen zurückgegangen, und auch um die Hochbrücke sei es ruhiger geworden. Beschwerden über Schulhoflärm „haben wir generell wenig“, sagt ein Beamter der Pinneberger Wache. In der Zwischenzeit habe auch die Verwaltung einiges unternommen, um die Situation gründlich zu analysieren und Abhilfe zu schaffen.
Pinneberg: Jugendliche werden „überall verscheucht“
Die Orte in Pinneberg, an denen Jugendliche sich stressfrei aufhalten können, werden weniger, hat Heiner Koch, Leiter des Fachbereichs Bildung, Kultur und Sport im Rathaus, kürzlich kritisiert: „Überall werden sie verscheucht. Anwohner beschweren sich sogar, wenn sie sich auf den Bolzplätzen aufhalten.“ Der städtische Streetworker Yasar Topkan will sich nicht konkret äußern, denn er ist ja der Ansprechpartner der Kinder und Jugendlichen. Er bestätigt aber: „Den Jugendlichen fehlt es an Freizeitgestaltung und an sozialen Räumen dafür. Selbst auf den Schulhöfen sollen sie sich nach Schulschluss nicht mehr aufhalten.“
Die Jugendlichen, die Topkan trifft, sind bis zu 27 Jahre alt und meistens männlich. Es seien grob geschätzt vielleicht 100 Kinder und Jugendliche, die sich regelmäßig draußen aufhielten. Zwei Drittel in der Gruppe, ein Drittel allein.
2018 hat die Pinneberger Politik den Sportentwicklungsplan verabschiedet. Der bezieht die Nutzung von Schulhöfen für Sport- und Freizeitaktivitäten ausdrücklich mit ein. Das soll für Jugendliche mehr Möglichkeiten schaffen, sich in ihrer Freizeit zu treffen und sportlich zu betätigen. „Gerade in Corona- oder Post-Corona-Zeiten ist Bewegung bei Jugendlichen wichtiger denn je“, sagt Bürgermeisterin Urte Steinberg.
Pinneberg: Stadt will Schulhöfe für Nutzung öffnen
Dennoch sei sich die Stadtverwaltung bewusst, dass in solchen Fällen Interessen abgewogen werden müssen. Daher hat sie viele Schulhöfe im Stadtgebiet geprüft. Ende April hat dazu ein Runder Tisch zur außerschulischen Schulhofnutzung getagt – mit Beteiligten aus Verwaltung, Politik, Schulleitung und Sport. Die Teilnehmer haben sich auf verschiedene Ziele geeinigt.
Eines davon: Attraktive Schulhöfe seien für die Nutzung der Allgemeinheit mit langen Nutzungszeiten zu öffnen. Es seien auf der anderen Seite aber auch zusätzliche Angebote für verschiedene jugendliche Zielgruppen zu schaffen, „um sich gerade in den Abendstunden und an Wochenenden auszuprobieren. Dabei müssen Angebote entstehen, die der Langeweile und dem Vandalismus auf Schulhöfen entgegenstehen“, heißt es in einem Papier dazu.
Um auch die Interessen von Anwohnern zu berücksichtigen, ist beabsichtigt, mit der Öffnung zentraler Schulhöfe feste Ruhezeiten einzuführen. „Doch es gibt so gut wie keine Handhabe, wenn Regelungen zum Beispiel ab 22 Uhr nicht eingehalten werden“, sagt Stadtsprecher Marco Bröcker. Die Stadt könne kostspielige Maßnahmen wie einen Wachdienst oder einen Zaun umsetzen, wenn Geld dafür da sei. „Das würde aber dem Ziel des offenen Schulhofes widersprechen.“ Um die rechtliche Situation zu klären, sei die Justiziarin der Stadt eingeschaltet worden, sagt Bröcker. Das Ergebnis steht aus.
Pinneberg: Jugendlichen fehlen zentrale Treffpunkte
Für die nächsten Wochen sind Begehungen unterschiedlicher Schulhöfe geplant, die mit dem Kinder- und Jugendbeirat und den Schulleitungen abgestimmt werden. Die Arbeitsergebnisse werden in eine Beschlussvorlage für den Schulausschuss, den für Kultur, Sport und Jugend und die Ratsversammlung einfließen, daran geknüpft ist voraussichtlich die Bereitstellung notwendiger finanzieller Mittel.
Aufgrund von Hinweisen der Anwohner habe der Streetworker der Stadt gezielt den Kontakt mit den Jugendlichen auf dem Schulhof Lindenstraße aufgenommen, die dort Basketball gespielt und Musik gehört hätten, sagt Bröcker.
Als einmaliges Angebot hatte die Stadt Anfang Juni eine Grillparty für Jugendliche unter der Hochbrücke organisiert – „dabei wurde deutlich, dass diesen Jugendlichen zentral gelegene Treffpunkte im Innenstadtbereich in den Abendstunden fehlen“, stellt auch Bürgermeisterin Urte Steinberg fest.