Quickborn. Helfer aus unterschiedlichen Bundesländern sanieren den Bau. Dafür wurde sogar ein Förderverein gegründet – der vierte im Moor.

Mit vereinten Kräften wird jetzt das älteste Gebäude im Quickborner Himmelmoor restauriert. Zwei Dutzend Jugendliche aus verschiedenen Bundesländern, die zurzeit ihr Freiwilliges Soziales Jahr in Schleswig-Holstein absolvieren, hämmern, sägen, werkeln und sanieren zurzeit das alte Waagehaus am ehemaligen Torfwerk. Das Gebäude aus der Zeit von 1890 war bis vor drei Jahren sogar noch bewohnt. Jetzt hat es die Bautruppe der Jugend-Bauhütte aus Lübeck, die landesweit handwerkliche Denkmalpflege betreibt, in Beschlag genommen.

„Die Jugend-Bauhütte ist schon schwer aktiv“, freut sich Theodor Hildebrecht vom Vorstand des neu gegründeten Fördervereins Waagehaus, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, das historische Gebäude zu erhalten. „Endlich wird es wieder zum Leben erweckt.“

Dieser neue Verein mit seinen 20 Mitgliedern ist bereits das vierte ehrenamtliche Gremium, das im Himmelmoor aktiv ist. Die anderen Einrichtungen sind der Förderverein Himmelmoor, der sich um das Torfwerk kümmert, die Torfbahn AG, die die Lorenfahrten durchs Moor anbietet, und der Trägerverein Henri-Goldstein-Haus, der das im Originalzustand erhaltene ehemalige Backsteinhaus von 1936, in dem während des Krieges 50 jüdische Gefangene zum Torfstechen untergebracht waren, in eine NS-Gedenkstätte umwandelt.

Die jungen Handwerker sind in ganz Schleswig-Holstein unterwegs

Die jungen Handwerker haben bereits die Schornsteinreste des Waagehauses beseitigt, 120 Quadratmeter alte Dachpappe vom Dach entfernt und erneuert und dabei neue Sparren eingebaut und die alten Fenster von Farbe befreit und wieder neu gestrichen. Der Zimmerermeister Eric Janssen aus Lübeck leitet den jungen Bautrupp, der alle zwei Monate ausrückt, um historische und unter Denkmalschutz stehende Gebäude im ganzen Land zu restaurieren.

Da wurde zum Beispiel das Mauerwerk der alten Dorfschmiede in Rickert bei Rendsburg aufgearbeitet, die Bänke der St.-Annen-Kirche in Lübeck erneuert, das Wallmuseum in Oldenburg wieder fit gemacht und Dach und Fenster der 170 Jahre alten Wollspinnerei in Bad Segeberg ähnlich restauriert wie jetzt das Waagehaus in Quickborn. „Wir kümmern uns um alle möglichen Denkmalschutz-Projekte in Schleswig-Holstein“, erklärt Ivalu Vesely, die die Lübecker Jugend-Bauhütte mit ihren 22 FSJlern leitet – zur Hälfte übrigens junge Frauen und junge Männer. Sie sei sofort begeistert gewesen von dem Gesamtkonzept am Himmelmoor mit dem alten Torfwerk, der NS-Gedenkstätte und dem Waagehaus. Deshalb habe sie spontan zugesagt, als die Anfrage für die Jugend-Bauhütte aus Quickborn kam. „Das ist zwar anstrengend, gerade jetzt bei der Hitze im Sommer“, sagt Moe Hederer, die aus Berlin kommt und ihr FSJ in Lübeck absolviert. „Aber es macht richtig Spaß“, sagt die 20-Jährige, die einmal Tischlerin werden will. Und Kollege Manuel Franz, der gerade schweißtreibend bei 26 Grad im Schatten den neuen Dachsparren-Balken zurechtsägt, sagt: „Ich mache es, weil ich Musikinstrumentenbauer lernen will.“ Der ebenfalls 20-Jährige kommt aus Schifferstadt und macht sein Soziales Jahr bei einem Betrieb in Pahlen. Und Till Fischer aus Nortorf sieht die Projektarbeit als guten Einstieg in sein Architekturstudium, das er bald beginnen möchte.

Untergebracht sind die jungen Leute beim Deutschen Roten Kreuz an der Quickborner Feldstraße. Dort hat das DRK Zelte mit Feldbetten aufgestellt, sagt der Zweite Vorsitzende Karl-Heinz Tapken. „Da können sich die jungen Leute duschen und die Küche nutzen. Dafür haben wir ja die Räume.“ Das Ganze nutze dem Quickborner Himmelmoor. Aber auch für das DRK sei dies eine gute Sache. „Für uns ist das eine praxisnahe Übung für mögliche Einsätze unseres Bereitschaftsdienstes“, sagt Tapken. Seine Leute könnten so den Auf- und Abbau von Feldbetten, einer improvisierten Feldküche und der Zelte gut trainieren.

Das Waagehaus ist das älteste noch erhaltene Industriegebäude im Moor

Christina Lefebvre, die stellvertretende Vorsitzende des Goldstein-Vereins, hat die Aktion vermittelt. „Das ist ganz toll, was die jungen Leute hier geschafft haben“, sagt sie. Der Vereinskollege Matthias Fischer-Willwater, der sich seit vielen Jahren mit der Erforschung des industriellen Torfabbaus und der Geschichte des Goldstein-Hauses beschäftigt, hatte den Kontakt zu den Lübeckern hergestellt. „Das frühere Waagehaus ist das älteste noch erhaltene Industriegebäude im Himmelmoor“, sagt der Historiker. Es diente den Bewohnern von Quickborn und den umliegenden Dörfern dazu, ihre Torf-Fuhren für das Heizen im Winter abzuwiegen, die dann der Ausfahrer Wolke Bohlken, der nebenan wohnte, mit seinem Pferd Peter und Kutsche zu ihnen nach Hause fuhr, weiß Fischer-Willwater. Bohlkens Häuschen steht allerdings nicht mehr.

Total begeistert von der Sanierung des historischen Gebäudes ist Maya Schniering. Sie ist selbst Restauratorin und hat 13 Jahre lang bis 2020 in dem Waage-Haus zur Miete gewohnt. „Ich finde es super und bin heilfroh, dass das Gebäude jetzt erhalten und von Fachleuten restauriert wird.“ Dafür habe sie immer schon plädiert, aber kein Gehör bei der Stadt Quickborn gefunden, sagt sie.

Das Sturmtief „Xavia“ am 5. Oktober 2017 bescherte ihr auch ein Unglück, erinnert sich Maya Schniering noch genau an jenen Tag, als die 33 Meter lange und 18 Tonnen schwere Zwillingspappel auf das Waagehaus knallte und das Dach zerstörte. Da habe die Feuerwehr sie gerettet, sagt sie. „Ich wollte immer schon dahin ziehen, wo kein Mensch wohnt.“

Wenn es fertig saniert und restauriert ist, soll das historische Waagehaus die erste Anlaufstelle für Touristen sein, die das Himmelmoor, das Torfwerkmuseum oder die NS-Gedenkstätte besuchen wollen, erklärt Wolfgang Korndörfer, Schatzmeister im neuen Förderverein. „Hier wollen wir die Besucher willkommen heißen.“ Ein Café sei auch geplant. Aber dafür wird auch nach der Hilfsaktion der Jugend-Bauhütte noch allerhand Arbeit nötig sein. „Wir hoffen dabei auf die Unterstützung der Aktivregion Holsteiner Auenland.“ Die könnte dafür EU-Fördergelder beantragen.