Helgoland. Stephan Hauke zog für den Job des Tourismusdirektors vom anderen Ende der Welt in den Norden. Hier hat er viel vor.
Vor einem Jahr übernahm Stephan Hauke den Posten als Tourismusdirektors auf Helgoland. Dafür zog er von Neuseeland auf die Nordseeinsel. Der gebürtige Karlsruher war 1981 nach dem Zivildienst für mehrere Monate nach Neuseeland gereist. Damals war das Land weitgehend unbekannt. „Im Reisebüro glaubte man zunächst, ich wollte ins kalifornische Oakland. Von Neuseeland hatte dort noch niemand gehört“, sagt der 64-Jährige. Als er zurückkehrt, studiert er zunächst in Heidelberg und Frankfurt und dann in Auckland, macht drei Magister in Sport und Sportwissenschaften, Geografie sowie MBA-Business Administration, und ein Diplom in Travel & Tourism.
Helgoland: Tourismusdirektor kam vom anderen Ende der Welt
„1988 erhielt ich dann die Chance, nach Neuseeland zurückzukehren und das Land für ein Tourismusunternehmen zu vermarkten“, sagt Hauke. In Europa war Neuseeland zu der Zeit noch ein relativ blinder Fleck. „Auf den ersten Präsentationen vor 300 bis 400 Reiseagenten wurden wir gefragt, wo Neuseeland denn überhaupt liege.“ Selbst in der Reisebranche hielten es viele für einen Teil Australiens. Anfang der 90er wird aus der unentdeckten Reisedestination ein Traumziel. Reisen zu den Kiwis boomen. „Es waren vor allem rüstige Rentner mit deutschsprachiger Reiseleitung, die am Ende der Welt das Abenteuer suchten“, sagt Hauke. In der zweiten Welle kamen junge Rucksackreisende, um die einmalige Natur zu entdecken.
Hauke ließ sich in Auckland nieder. Dort genießt er Annehmlichkeiten einer Stadt,, braucht aber nur eine Stunde Autofahrt, um ungestört die Natur genießen zu können. „In die Pampa zu ziehen, wäre auf die Dauer zu einsam geworden“, sagt er. Das ist es auch, was andere Auswanderer ihm schildern.
Helgoland: Hauke hat viel Erfahrung im Tourismusbereich
Zehn Jahre war Hauke dann in den Bereichen Touristik und Management tätig und gründete 1999 die Unternehmensberatung Domino International Ltd. in Auckland mit den Schwerpunkten Marketing und Branding, Strategie und Controlling sowie Personalwesen und Führungskraftentwicklung. „Zu unseren Kunden gehören Firmen wie Mercedes, Audi und Porsche. 60 Prozent der Kunden kommen allerdings aus der Tourismusbranche.“
Die Geschäfte liefen gut, bis Corona alles zum Erliegen brachte. Neuseeland schottete sich komplett ab. Selbst Geschäftsreisende kamen plötzlich nicht mehr von Australien zurück. Wer einreisen wollte, musste zwei Wochen in Quarantäne. Doch das Hotel, was dazu eingerichtet war, war über Monate ausgebucht, erinnert sich Hauke. „Also führte man ein Losverfahren ein. Die Gewinner durften einreisen und ins Quarantänehotel.“
Hauke besitzt für Neuseeland den Daueraufenthaltsstatus. „Damit darf ich wählen und arbeiten. Nur Premierminister von Neuseeland kann ich nicht werden“, sagt der 64-Jährige. Anders als seine drei bereits erwachsenen Kinder, die in Neuseeland geboren wurden, hat Hauke keine doppelte Staatsbürgerschaft. „Würde ich die neuseeländische beantragen, würde ich den deutschen Pass verlieren. Das würde vieles kompliziert machen.“
Helgoland macht guten Eindruck beim Tourismusdirektor
Erstmals auf Helgoland war der dreifache Vater im November 2020. „Ich hatte einen Kunden am Bodensee getroffen und dort zufällig Bürgermeister Jörg Singer kennengelernt.“ Singer lud Hauke ein, für drei, vier Monate nach Helgoland zu kommen und dabei zu helfen, den Helgoland Tourismus-Service neu auszurichten. „Ich kam am 3. November 2020 mit Beginn des Lockdowns an. Der letzte Urlauber hatte gerade die Insel verlassen“, erinnert sich Hauke an die Anfänge.
Er führte viele Gespräche mit den Insulanern. Sein erster Eindruck von den Helgoländer: herzlich und zugewandt. „Es ging alles gleich per du. Alle sind offen und ehrlich.“ Die 60 Angestellten im Tourismussektor hätten sofort mitgezogen. Dieser offenen Art, die er aus Neuseeland kennt, sei er nicht überall in Deutschland begegnet. Am Bodensee seien kleine Plaudereien an der Supermarktkasse oder auf Wanderungen eher skeptisch aufgenommen und kaum erwidert worden.
Helgoland: Was der Tourismusdirektor mit der Insel vor hat
Hauke fühlt sich sofort wohl auf Helgoland. Auch die Aufgabe, die Insel touristisch nach vorn zu bringen, reizt ihn. „Hier liegt unheimlich vieles wie auf einem Silbertablett vor“, sagt er. Das sei auch der Hauptgrund gewesen, den Sprung von Neuseeland nach Helgoland zu wagen. Natur, Gesundheit, Ornithologie, Sternwarte und Wassersport sind die großen Themen, die er als Tourismusdirektor angehen will. Wie Pellworm und Spiekeroog könnte auch Helgoland Sterneninsel werden. Geringe Lichtverschmutzung könnte mit einem gigantischen Sternenhimmel und dem seltenen Blick auf die Milchstraße belohnt werden.
Nun hatte sich der neu gegründete Seniorenrat unter anderem besser ausgeleuchtete Straßen gewünscht. „Das soll mit Laternen geschehen, die kaum Lichtverschmutzung verursachen, weil sie nach unten leuchten“, sagt Hauke, der sich bemüht, die Interessen verschiedener Gruppierungen zu berücksichten. Diese könnten mit Bewegungsmeldern ausgestattet werden. „Ein größeres Problem ist unser Leuchtturm, dessen Lichtstrahl alle fünf Sekunden über den Himmel huscht.“
Die International Dark Sky Association prüft derzeit, ob Helgoland offiziell als Sterneninsel anerkannt werden kann. Ein erstes Ergebnis könnte Ende Juni vorliegen. „Ornithologen sagen, dass die Lichter auch Vögel verwirren“, sagt Hauke. Die Reduzierung der Lichtverschmutzung würde also auch ihnen zugute kommen. Sowieso würden sich Vogelkunde, Fotografie und Astronomie thematisch wunderbar ergänzen, findet der Wahl-Helgoländer.
Helgoland: Stärkerer Fokus auf den Wassersport
Auch Achtsamkeit und Gesundheit sollen künftig eine größere Rolle spielen. „Tief durchatmen und zur Ruhe kommen, ist vielen Menschen nach Corona noch wichtiger geworden.“ Hier soll das Programm durch Angebote wie Yoga, Meditation, Strandgymnastik und Massagen ausgebaut werden. „Ein größeres Hotel, gebaut aus nachhaltigen Materialien, im Nordostland, wo eine neue Marina mit Restaurants und sanitären Anlagen entstehen soll, würde eine neue Zielgruppe ansprechen“, sagt er.
„Ich war allerdings erstaunt, dass so wenig Wassersport angeboten wird“, so der begeisterte Segler. Den Vereinen fehle es an Nachwuchs. „Wir wollen versuchen, Stand-up-Paddeln, Kanufahren und Windsurfen wieder zu etablieren.“ Doch wer könnte die Kurse geben? „Es ist schwer, Personal zu finden“, sagt Hauke. Mittlerweile sei man im Gespräch mit der Schule, habe Schüler der Abschlussklasse angesprochen, ob sich jemand vorstellen kann, so etwas zu übernehmen. „Nach Corona wollen die jungen Leute aber auch erst mal ihr Leben nachholen“, so sein Eindruck. „Aber wir sind dran.“
Im Hinblick aufs Segeln hat sich zumindest eine neue Möglichkeit aufgetan. „Jetzt hat ein Helgoländer privat einen Segelkatamaran gekauft, auf dem er Touren anbieten möchte“, sagt Hauke, den immer ein wenig Heimweh überkommt, wenn er ans Segeln in Neuseeland denkt. Auf dem Katamaran möchte er deshalb neben seiner Arbeit als Tourismusdirektor als Segeltrainer anheuern.
In Auckland schulte er unter anderem die Küstenwache in Navigation und Meteorologie. Er segelte auch Regatten mit Blinden und Sehbehinderten als Crew. Segelte selbst viel vor Neuseelands Küste und überführte in einer fünfmonatigen Tour mit einem Engländer und einem Neuseeländer ein Segelboot über 12.000 Seemeilen von Neuseeland über den Indischen Ozean nach Südafrika. Für ihn ein unvergessliches Erlebnis.
Helgoland: Hauke ist leidenschaftlicher Motorradfahrer
Für sein zweites Hobby bleibt kaum Zeit und Gelegenheit: das Motorradfahren. Haukes BMW 1200 GS steht in einer Garage in Cuxhaven. Sie kommt zum Einsatz, wenn er auf dem Festland zu beruflichen Terminen unterwegs ist. „Das ist wie Therapie und bläst die Spinnweben hinter den Ohren weg“, schwärmt er. Er hat sie in Deutschland gekauft statt eines Autos.
Übrigens: Nicht wenige Helgoländer machen Urlaub auf der Düne. Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dort nicht über Arbeit zu sprechen. Und wie macht ein Tourismusdirektor Urlaub? Im Sommer gar nicht. „Ich habe in der Weihnachtspause meine Kinder besucht“, sagt er. Seine Tochter und die beiden Söhne leben mittlerweile in Berlin und Graz. „Sie genießen Europa und die Vielseitigkeit der Kulturen“, sagt Hauke. Genau wie er. „Ich finde es toll, Deutschland neu zu entdecken, mit seinen Burgen, Schlössern und alten Gassen mit Kopfsteinpflaster.“ Weihnachten und Silvester verbrachte er bei seiner Schwester und Freunden im Raum Tübingen.
Alle Brücken hat er nicht hinter sich abgebrochen. „Wenn man mehr als 30 Jahre in Neuseeland gelebt hat, ist es nicht einfach, alles zurückzulassen.“ Das Haus sei vermietet, Auto und Motorrad abgemeldet und in der Garage untergebracht, sagt er. Seine zehn Mitarbeiter in Neuseeland führen die Geschäfte weiter. Momentan hat er einen unbefristeten Vertrag. Was nach seiner Tätigkeit auf Helgoland geschieht, kann Hauke noch nicht sagen. „Meine neue Aufgabe macht mir großen Spaß.“ Das sei für ihn ausschlaggebend.