Schenefeld. Zwei Drittel der Grundschüler schwimmen nicht sicher. In Schenefeld hat die DLRG deshalb nun eine besondere Idee.
Obwohl der beginnende Sommer den Anschein erweckt, als habe es Corona nie gegeben, machen sich die Ausläufer der Pandemie noch immer in allen Lebensbereichen bemerkbar. Viel Verpasstes muss nachgeholt werden – vor allem von den Jüngsten. In der Zeit der Lockdowns und Kontaktbeschränkungen fielen beinahe sämtliche Schwimmausbildungen der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) Halstenbek-Rellingen-Schenefeld „ins Wasser“. Deshalb hat die Ortsgruppe nun eine Anfängerschwimmen-Offensive gestartet. Teil derer ist ein mobiles Schwimmbecken, in dem im Juni 100 Kinder das Schwimmen lernen sollen.
Schenefeld: DLRG bietet Schwimmkurse in mobilem Becken
Die Anfängerschwimmausbildung ist eine der Hauptaufgaben der DLRG. Deshalb sei es ein Herzenswunsch der Ortsgruppe Halstenbek-Rellingen-Schenefeld, jetzt möglichst vielen Kindern die Fähigkeit zu vermitteln. Darum hat der Verein ein mobiles Schwimmbecken mit den Maßen zwölf Meter mal acht Meter angemietet, das sich auf dem Sportgelände Blankeneser Chaussee in Schenefeld befindet.
Mit einer maximalen Tiefe von 1,5 Metern entspricht es einem klassischen Lehrschwimmbecken. Die Kinder sollen in Unterrichtseinheiten von je 60 Minuten darin schwimmen lernen: am Morgen Schüler der beiden Schenefelder Grundschulen und am Nachmittag weitere Kinder, die sich zuvor für das Angebot angemeldet hatten. Die Nachfrage sei groß, sagt der Vorsitzende der DLRG-Ortsgruppe, Tobias Wittenberg. Nach nur wenigen Tagen war jeder Platz belegt. Die Schwimmanfänger sind sechs bis zehn Jahre alt. Viele von ihnen sind „Corona-Nichtschwimmer“, deren Schwimmunterricht den Kontaktbeschränkungen zum Opfer gefallen war.
Schenefeld: Schwimmkurse dank Förderung kostengünstig
Dank des ehrenamtlichen Einsatzes der DLRG-Ortsgruppe und diverser Spenden sowie finanzieller Zuschüsse von Land, Kreis und Kommune kostet die Schwimmausbildung im mobilen Becken nur zehn Euro. Außerdem müssen die teilnehmenden Kinder eine Mitgliedschaft bei der DLRG abschließen, die sich auf 41 Euro im Jahr beläuft. „Zum Vergleich: In Hamburg kostet ein Schwimmkurs etwa 180 Euro“, sagt Wittenberg.
Er hatte den Startschuss für das Projekt gegeben: „Im Herbst 2021 war das eine Schnapsidee von mir“, erzählt er. Wittenberg recherchierte online nach Möglichkeiten, zusätzliche Wasserflächen zu schaffen, um Kindern das Schwimmen zu ermöglichen. Dabei ist er auf einen süddeutschen Anbieter für die mobilen Schwimmbecken gestoßen. Die monatliche Miete des Bade-Provisoriums beträgt 10.000 Euro. Insgesamt kostet die DLRG das Angebot aber mehr als das Dreifache, denn Reinigung, Chlorung und Heizung der Anlage fressen Strom und Geld. „Momentan hat das Wasser zum Beispiel 30 Grad. Das hat den Hintergrund, dass die Trainer schnell auskühlen, wenn sie da drei oder vier Stunden drin stehen“, erklärt Wittenberg.
Schenefeld: DLRG-Mitglieder bewachen Schwimmbecken
Ursprünglich sollte das Becken schon am 30. Mai in Schenefeld eröffnet werden. Letztlich startete der Schwimmbetrieb aber erst am 3. Juni, weil die DLRG unerwartet zusätzliche Auflagen der Stadt zu erfüllen hatte. Genauer handelt es sich um einen Wachdienst, der 24 Stunden am Tag vor Ort zu sein hat. „Deswegen stehen hier auch der Wohnwagen und der Campingbus neben dem Becken“, sagt Wittenberg und deutet auf die massigen Fahrzeuge.
Einige von den 30 insgesamt am Projekt beteiligten Ehrenamtlichen der DLRG übernachten also regelmäßig neben der Wasserfläche. Keine Selbstverständlichkeit. „Überlegen Sie sich doch mal, wer in unserer Gesellschaft dazu bereit ist“, sagt Jochen Möller, Präsident des DLRG-Landesverbands Schleswig-Holstein. Immerhin hätten die freiwilligen Helfer auch reguläre Jobs, nach deren Feierabend sie sich zum Wohl der Kinder für eine Nacht im Wohnmobil entscheiden würden.
Schenefeld: 2020 kaum Schwimm-Abzeichen vergeben
Das Ausmaß der Kontaktbeschränkungen wegen der Coronapandemie wird anhand der wenigen Schwimmanfänger aus dem Jahr 2020 deutlich. Lediglich 543 Seepferdchen-Abzeichen wurden damals in Schleswig-Holstein vergeben. Im vergangenen Jahr ist die Zahl mit 1895 wieder angestiegen. Ganz ähnlich sieht es bei den weiteren Abzeichen aus. So erhielten 2020 etwa nur 1178 Schleswig-Holsteiner das goldene Abzeichen, 2021 waren es schon 3078 Schwimmer.
„Allein 2020 hat Corona uns 30.000 Plätze in Schwimmkursen gekostet. Insgesamt sind durch die Pandemie 50.000 Plätze weggefallen“, so Möller. „60 Prozent der Kinder können nach der Grundschulzeit nicht sicher schwimmen – das sind die Fakten“, sagt er. Die vielen jungen Nichtschwimmer sind insbesondere im Küstenland Schleswig-Holstein ein Problem. Denn für Kinder, die sich nicht sicher im Wasser bewegen können, wird jeder Badeurlaub zur Lebensgefahr. „Schwimmen ist ein Teil der Daseinsvorsorge“, mahnt der Präsident des Landesverbands deshalb. Außerdem entgehe Nichtschwimmern eine Menge sportlicher Spaß, oder gar die Entdeckung einer neuen Leidenschaft.
Aus diesem Grund setzen sich viele DLRG-Ortsgruppen gegen die Corona-Lücke ein. Sie konnten bereits im Jahr 2021 rund 200 zusätzliche Schwimmkurse anbieten, machten 2333 Nichtschwimmer zu echten Wasserratten. Finanziert wurde die Initiative unter dem Motto „Schleswig-Holstein lernt schwimmen 2.0“ mithilfe von Landesmitteln sowie weiteren Finanzspritzen, etwa von der Investitionsbank Schleswig-Holstein. Im Übrigen ist nicht allein die Pandemie verantwortlich für das Schwimm-Defizit der Kinder, meint Möller.
Schenefeld: Kind gleich bei Geburt für Schwimmkurs anmelden
„Man hat die Bäder-Infrastruktur vor die Hunde gehen lassen“, sagt er im Hinblick auf veraltete, marode und geschlossene Hallen- und Freibäder in Deutschland und der Region – beispielsweise in Schenefeld, wo ein Becken gerade wegen einer Panne nach der Sanierung unbenutzbar ist. „Das mobile Becken legt deshalb den Finger in die Wunde“, so Möller. Gäbe es genügend Möglichkeiten für die Kinder, um schwimmen zu lernen, hätte es die DLRG nicht anschaffen müssen.
Die Lage ist seit Jahren katastrophal, berichtet Wittenberg: „Wir hatten schon vor Corona rund 300 Kinder im Bereich Halstenbek-Rellingen-Schenefeld auf der Warteliste für den Schwimmunterricht. Jetzt ist es noch schlimmer, deshalb haben wir die Liste erst einmal vom Netz genommen.“ Und mit welchen Wartezeiten ist dementsprechend zu rechnen? „Wenn Sie mich jetzt nach einem Schwimmkurs für Ihr Kind fragen, rufe ich Sie in vier Jahren mal an“, sagt er. Am besten sei es, seine Kinder gleich nach deren Geburt für den Unterricht anzumelden.