Pinneberg . Wie Landwirte und Jäger Rehkitze mit modernster Technik vor dem sicheren Tod in den Messern von Mähmaschinen retten.

Donnerstagmorgen - Vier Uhr. Während die meisten Anwohner Haslohs noch schlafen, versammeln sich Thorsten Schneidewind und seine Truppe am Rande eines Feldes. Sie treffen sich hier, um im hohen Gras nach Rehkitzen zu suchen. Denn seit Anfang Mai bereiten sich die Landwirte darauf vor, ihre Felder zu mähen und im April haben die letzten Ricken ihre Jungen gesetzt: Die gilt es nun vor dem gefährlichen Mähwerk zu retten.

Thorsten Schneidewind ist Mitgründer des Vereins Wildtierrettung Hasloh/Tangstedt e.V. und setzt sich für die Leben zahlreicher Jungtiere ein. Laut Schätzungen des Vereins, fallen jedes Frühjahr aufs Neue ca. 100.000 Rehkitze landwirtschaftlichen Mähwerken zum Opfer. Der Verein, welcher im Kern gerade einmal zehn Mitglieder umfasst, wurde wie viele ähnliche Organisationen erst letztes Jahr gegründet. Anlass dafür war die neue Technik, die seit Ende 2020 in Form von Drohnen mit innovativen Wärmebildkameras zur Verfügung steht und die Suche deutlich effizienter macht, erklärt Schneidewind.

Die Rehkitze werden aus der Luft geortet

Der Hobbyjäger teilt noch vor Sonnenaufgang die sieben Anwesenden in Teams ein. Gestern waren doppelt so viele dabei, aber da wurden auch mehr Felder abgesucht. Dann beginnt die Suche. Wichtig: Gummistiefel, Mückenspray und wasserfeste Kleidung sollte man haben, denn es geht tief ins Feld. Die Ausrüstung besteht aus Körben für die Tiere, einem großen Kescher, und Handschuhen, zum Schutz der Kitze. Vom Feldrand aus, steuert der Pilot die Drohne übers Feld. Das Fluggerät steigt genau 49 Meter in die Höhe – dort liegt die gesetzliche Grenze, denn der Hamburger Flughafen ist nur sieben Kilometer Luftlinie entfernt.

Die Kamera sieht, was dem menschlichen Auge entgeht: Zum Teil stehen die Suchenden nur einen halben Meter entfernt und entdecken trotzdem kein Tier. Auch Hasen, Maulwurfshügel oder den ein oder anderen Stein findet die Infrarotkamera. Der Copilot beobachtet das Luftbild auf seinem Monitor und teilt dem Rest der Gruppe per Funkgerät mit, wo sie Rehkitze finden. Er braucht ein besonders gutes Auge und viel Aufmerksamkeit, damit ihm nichts entgeht.

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© Luc Hufnagel

Nicht nur Rehe sind schutzbedürftig: Entdeckt jemand beispielsweise ein Vogelgelege, so wird dieses mit Bambus und Flatterband markiert, sodass der Bauer weiß, welchen Bereich er zu umfahren hat. Allerdings ist dies nur selten notwendig: die Kitze stehen im Vordergrund. Läuft ein Reh vor den Helfern davon, wird es auch dem Mähwerk entfliehen können. Gerettet werden müssen nur jene Jungtiere, die liegen bleiben. Wenn ein solches Rehkitz gefunden wird, fixiert man es zuerst unter dem Kescher, dann wird es mit Handschuhen und Gras hochgehoben und in den Korb gesetzt. Anschließend bringen die Wildretter das Tier zum Feldrand, wo es in einer gut belüfteten und sonnengeschützten Kiste in Sicherheit darauf wartet, dass der Bauer sein Feld fertig gemäht hat.

Den Abstellort markiert Thorsten Schneidewind sich auf seinem Handy – früher wurde dafür Flatterband genutzt, doch mit der voranschreitenden Technik wird vieles einfacher. „Bevor es Drohnen gab, sind wir mit Hunden durchs Feld gelaufen.“, erzählt der Gruppenleiter. Das habe jedoch kaum zu etwas geführt – ganz im Gegensatz zur Effizienz der modernen Drohnen. „Dieses Vorgehen hat sich als besonders effizient und stressarm für das Wild herausgestellt.“, berichtet der Verein.

„Meist haben wir gerade so genug Leute"

Es werden stets diejenigen Felder abgesucht, die der Bauer am selben Tag zu mähen plant. Daher ist die Kommunikation mit den Landwirten essentiell. Bei den meisten Höfen genießt der Verein einen guten Ruf: während die Gruppe an diesem Morgen im Feld unterwegs ist, kommt ein interessierter Landwirt zum Drohnen-Team und verschafft sich einen Eindruck. Er zumindest, ist überzeugt von der Arbeit von Thorsten Schneidewind und seinem Team. Es helfe ihm, die Felder schneller abzufahren, sagt er, schließlich liegt auch den Landwirten viel daran, dass kein Rehkitz unter die Klingen gerät. Außerdem gebe es ihm viel Sicherheit zu wissen, dass sein Feld zuvor nach Rehkitzen abgesucht wurde, so der Landwirt.

Nachdem das Feld gegen Mittag abgemäht ist, bringt man die Kitzen wieder an den Fundort zurück, sodass die Elterntiere diese wiederfinden. Auch hierfür werden freiwillige Helfer benötigt, die am Nachmittag Zeit für diese Aufgabe finden. Neben seinen Mitgliedern, verlässt sich der Verein vor allem auf engagierte Bürger, die ehrenamtlich zur Wildtierrettung beitragen. Dass es sich dabei hauptsächlich um Jäger handelt, hat seinen Grund: Als Laie ein Rehkitz anzufassen, wäre Wilderei. Die Jäger kennen sich zudem gut aus und wissen, wo viele Kitze anzutreffen sind.

„Meist haben wir gerade so genug Leute, aber wir suchen immer“, sagt Thorsten Scheidewind. An manchen Tagen werden so viele Felder gemäht, dass zwei Truppen gleichzeitig suchen müssen. Das erfordert dementsprechend mehr Helfer. Es gebe zum Glück viele, die immer wiederkommen, so der Vereinsgründer.

Verein ist auf Spenden angewiesen

Eine dieser verlässlichen Helferinnen ist Sandra Michel. In dieser Arbeit sieht sie auch eine Chance, das Image der Jägerinnen und Jäger aufzupolieren. Es gehe eben nicht nur darum, Tiere zu schießen, sagt sie, Jäger seien dafür zuständigen, das Wild zu hegen und zu pflegen. Wie alle anderen, steht Sandra im Mai regelmäßig vor vier Uhr auf, sucht nach Rehkitzen und macht sich danach auf den Weg zur Arbeit. Gegen sieben Uhr, ist die Gruppe fertig. Heute Morgen haben sie nur zwei Rehkitzen gefunden, gestern waren es acht.

Um ihre wichtige Arbeit zu ermöglichen, ist der Verein auf Spenden angewiesen. Eine Ausrüstung kostet etwa 12.000 Euro, erklärt Thorsten Schneidewind. Wenn man zwei Drohnen nutzt, sind das bis zu 25.000 Euro. Hinzu kommen die Ausbildung von Drohnenpiloten, die Wartung und der Aufwand der Organisation. Der Staat unterstützt Vereine wie den in Hasloh teilweise bei der Anschaffung solcher Technik, um dem Mähtod zahlreicher Rehkitzen entgegenzuwirken.

Des Weiteren gibt es einige Förderer und man erhält Spenden von Landwirten, erklärt Thorsten Schneidewind. Auch über Spenden aus der Bevölkerung, freut der Verein sich immer. Projekte wie dieses, gibt es fast überall und somit auch viel Nachfrage für engagierte Helfer, die vor der ersten Mahd im Frühjahr Rehkitze retten wollen.

Kontakt: IBAN: DE77221914050002020530, BIC: GENODENF1PIN, VR Bank in Holstein, info@wildtierrettung-pinneberg.de