Pinneberg/Schenefeld. Das Arbeitsgericht Hamburg hat im Fall des dreifachen alleinerziehenden Vaters, der als Busfahrer bei den VHH arbeitet, entschieden.

  • Alleinerziehender Busfahrer hatte beim VHH um Tagesschichten gebeten, um sich besser um seine Kinder kümmern zu können
  • Arbeitsgericht konnte Argumentation des Busfahrers nachvollziehen
  • Der 42-Jährige ist seit zehn Jahren für die VHH im Einsatz

Busfahrer Cüneyt Yildiz aus Pinneberg kann aufatmen. Zumindest für das nächste halbe Jahr ist die Betreuung seiner drei sieben, zwölf und 14 Jahre alten Kinder gesichert. Vor dem Arbeitsgericht Hamburg hat der 42-Jährige nun mit seinem Arbeitgeber, den Verkehrsbetrieben Hamburg-Holstein (VHH), einen Vergleich erzielt.

Dieser besagt, dass Yildiz bis zum Fahrplanwechsel im Dezember von den VHH nur in Tagesschichten von 8 bis 16.30 Uhr eingesetzt werden darf, damit der alleinerziehende Vater seine Kinder versorgen und sie zur Schule bringen und dort wieder abholen kann.

VHH: Gericht kann Argumentation des Busfahrers nachvollziehen

„Damit ist erst einmal Ruhe in diesem Verfahren“, sagt Yildiz‘ Rechtsanwalt Till Ehmke. „Jedenfalls bis Ende des Jahres.“ Auch wenn sein Mandant keinen kompletten Sieg errungen habe, der ihm dauerhaft eine Tagesschicht als Busfahrer bei den VHH zusichert, sei dies „ein großer Schritt“ in Richtung Zukunfts- und Versorgungssicherheit für seine Familie, so der Rechtsbeistand.

Zumal das Arbeitsgericht in der Verhandlung deutlich gemacht habe, dass sie die Argumentation des Busfahrers, der deutscher Staatsbürger ist, in Hamburg geboren wurde und seit 40 Jahren mit seiner Familie in Pinneberg lebt, nachvollziehen würde, so der Anwalt. Das sei in den fünf Gerichtsterminen in den vergangenen zwei Jahren bisher noch nicht so deutlich geworden. Solange schon hatte Yildiz seinen Standpunkt durch mehrere Instanzen hindurch erstreiten müssen.

Alleinerziehender Busfahrer ist seit zehn Jahren für die VHH im Einsatz

Der Betroffene selbst, der seit gut zehn Jahren für die VHH im Einsatz ist, zeigt sich hin- und hergerissen von dem erstrittenen Vergleich. „Vorübergehend habe ich Ruhe. Aber irgendwie ist das nichts Halbes und nichts Ganzes“, sagt er. Eine dauerhafte Lösung für sein Arbeitszeitenproblem sei damit nicht erreicht. Mit dem Fahrplanwechsel im Dezember müsse er womöglich erneut darum kämpfen, eine Tagesschicht als Busfahrer bei den VHH zu bekommen. Und so fürchtet er, dass diese Geschichte „kein Ende findet“.

Aber solange werde er wie bisher mit Leidenschaft und vollem Einsatz die sogenannte „Bergziegentour“ der Buslinie 488 in Blankenese fahren, die ihm seit März erstmals die familienfreundliche Arbeitszeit von täglich 8.07 bis 16.20 Uhr ermöglicht hat. Davor und danach kann sich der Alleinerziehende um seine drei Kinder kümmern. Er hat das alleinige Sorgerecht für das Trio.

VHH-Busfahrer gerät vor zwei Jahren in die Bredouille

Wie berichtet, war der Pinneberger Busfahrer vor zwei Jahren in die Bredouille geraten, als ihn seine Frau verließ, in die Türkei zurückkehrte und ihn mit den drei gemeinsamen Kindern sitzen ließ. Yildiz versuchte, sich mit seinem Arbeitgeber zu arrangieren und bat um feste Arbeitsschichten, am liebsten am Tag, notfalls auch in der Nacht, wenn sich sein Onkel um die Kinder kümmern könnte. Dafür war er auch bereit, seinen Vollzeitjob aufzugeben und in Teilzeit zu gehen. Für ihn würde das bei einem Bruttoverdienst von 2800 Euro einen monatlichen Verdienstausfall von rund 110 Euro bedeuten. Aber so könnte er morgens vor dem Einstieg in die Buslinie seine Kinder in die Schule und Kita bringen und sie danach bis 17 Uhr abholen.

Doch das Unternehmen, das 1800 Busfahrer und Busfahrerinnen, davon 520 am Standort in Schenefeld, beschäftigt und zu 95 Prozent der Stadt Hamburg und zu einigen Prozent auch dem Kreis Pinneberg gehört, wollte „aus grundsätzlichen Erwägungen heraus partout keine familienfreundlichen Arbeitszeiten zulassen, bei denen Familie und Beruf in Einklang gebracht werden können“, kritisiert Verdi-Gewerkschaftssekretär Andreas Riedl.

In dem Arbeitsgerichtsverfahren machten die VHH geltend, dass sie bei rund 280 Dienstplänen keine reinen Tagesschichten für einige wenige Fahrer möglich machen könnten. Dieser Einschätzung widersprach ein ehemaliger Betriebsrat, der dem Abendblatt erklärte, dass es durchaus etwa 50 ähnliche Fälle gibt, bei denen die VHH bei den Fahrtzeiten auf alleinerziehende Mütter und Väter Rücksicht nehmen würde.

Schon das Landesarbeitsgericht widersprach den VHH

Schon das Landesarbeitsgericht Hamburg folgte der Sichtweise der VHH nicht – und gab Yildiz‘ Argumentation in einem Urteil im vorigen Jahr Recht. Das wollten die VHH aber zunächst nicht anerkennen. Demnach konnte das Gericht eine wesentliche Beeinträchtigung des Organisationskonzepts bei dem Unternehmen nicht erkennen, wenn sie dem alleinerziehenden Pinneberger Busfahrer eine reine Tagesschicht zuteilte.

Zumal die VHH für Neueinstellungen sogar zeitweise auf ihrer Internetseite damit geworben habe, dass sie die zeitlichen Wünsche von Eltern, insbesondere von Alleinerziehenden, flexibel in die Dienstpläne integrieren würde, hieß es in dem Urteil. Das dürfte nicht nur für Mütter, sondern müsste auch für Väter in derselben Situation gelten, forderte das Gericht. Zumal es mit Sicherheit auch andere Einschränkungen im Unternehmen geben müsste, in denen Busfahrer aus gesundheitlichen Gründen keine Nachtschichten übernehmen könnten. Mit solchen Beschäftigten müsste die VHH in irgendeiner Weise umgehen können, schlussfolgerte das Landesarbeitsgericht und verwies die Klage zurück an die erste Instanz, wo der Busfahrer nun diesen Vergleich erzielte.

VHH geben sich nach wie vor verschlossen: Kein Kommentar

„Diesen Vergleich hätten wir viel früher erzielen können, wenn der Arbeitgeber nicht so hartnäckig gewesen wäre“, sagt Verdi-Gewerkschaftssekretär Riedl. Er hofft für den Kollegen Yildiz, für den das unheimlich belastend sei, dass dies jetzt „keine unendliche Geschichte wird.“

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Bei den Verkehrsbetrieben Gamburg-Holstein sollte dieser Rechtsstreit zu einem „Lernprozess“ führen und ein Umdenken in Gang setzen, erwartet Riedl. „Denn nach außen sendet das kein positives Signal auf das Betriebsklima“, gibt er zu bedenken. Das Unternehmen brauche jedes Jahr etwa 300 neue Busfahrer, und da sollte es sich in Bezug auf die Attraktivität für Neulinge „Gedanken machen“.

Wie schon beim jüngsten Bericht im Abendblatt über das Dilemma des Pinneberger Busfahrers möchte sich der Arbeitgeber nicht zu diesem Fall äußern. „Wir werden den Vorgang nicht weiter kommentieren. Vielen Dank für Ihr Verständnis“, teilt dazu auf Nachfrage VHH-Sprecherin Christina Sluga mit.