Uetersen. Lebensgefahr für Passanten: Wiederholt stürzen Teile des verfallenen Hauses auf den Gehweg. Eigentümer reagiert nicht.
Was kann eine Stadt tun, wenn Hauseigentümer ihre Immobilien leer stehen und verkommen lassen? Nicht viel, wie sich gerade in Uetersen zeigt. Die Stadt hat seit Jahren ein Problem mit sogenannten Schrottimmobilien. Jüngstes Ärgernis: Von der Ruine an der Marktstraße 35 wurde beim letzten Sturm ein Fenster auf einen öffentlichen Fußweg geweht. Die Stadt hatte den Eigentümer seit Wochen aufgefordert, sein Haus vor dem Herabfallen von Teilen zu sichern. Der stellt jedoch auf Durchzug – trotz der Gefahr für Fußgänger. Und das nicht zum ersten Mal.
Uetersen: Besitzer der Schrottimmobilie reagiert nicht
Bereits 2017 waren Teile des Daches zu Boden gekracht. Mehrere Dachpfannen hatten sich gelöst. Auch damals hatte die Polizei den Weg wegen „Gefahr im Verzug“ vorübergehend sperren müssen.
Der Durchgang verbindet die Park- und die Marktstraße. Viele Schüler nutzen ihn als Schulweg, kommen täglich an dem maroden Haus mit den zum Teil eingeschlagenen Fenstern vorbei. Vor dem Gebäude türmt sich der Müll. Der Eigentümer – ein Uetersener – reagierte damals erst, nachdem sich die Bauaufsichtsbehörde im Kreis Pinneberg eingeschaltet hatte und reparierte notdürftig.
Dieses Mal reagierte der Hausbesitzer gar nicht, trotz mehrerer Aufforderungen und Geldbußen seitens der Stadtverwaltung. Darum ordnete Bürgermeister Dirk Woschei (SPD) die Ersatzvornahme an, nachdem die Frist verstrichen war. Mitarbeiter des städtischen Baubetriebshofes reparierten das Nötigste, so dass keine weiteren Teile auf den angrenzenden Weg herabstürzen und Menschen verletzten können. „Diese Arbeiten stellen wir dem Hauseigentümer in Rechnung“, sagt Woschei. Der Weg ist wieder freigegeben worden.
Uetersen: Schrottimmobilien oft Dauerproblem für Kommunen
Die Stadt hat das Haus offiziell als Schrottimmobilie eingestuft. Damit hat sie sich ein uneingeschränktes Vorkaufsrecht gesichert, allerdings nur bei Eigentümerwechsel. Es gibt im Stadtgebiet mehrere von offizieller Seite als Schrottimmobilien eingestufte Gebäude, davon zwei am Großer Wulfhagen und zwei an der Meßtorffstraße. Aufgelistet war außerdem eine Ruine an der Töpferstraße, die mittlerweile abgerissen wurde.
2012 hatte die Stadt extra dafür eine Satzung verabschiedet, um sich ein Vorkaufsrecht zu sichern. So sollte verhindert werden, dass die Gebäude als Steuerabschreibungsobjekte hin- und her verkauft werden. Wird eine Immobilie allerdings innerhalb der Familie weitergereicht, kann die Stadt nicht aufkaufen. Ziel war es, die vernachlässigten Gebäude nach und nach aufzukaufen, abzureißen oder zu sanieren und dort neue Wohnungen zu schaffen oder Investoren zu finden. Bislang hat die Stadt jedoch keines der maroden Häuser, die dem Stadtbild schaden, erworben.
Gründe, warum Besitzer Häuser leer stehen und allmählich verfallen lassen, gibt es viele. Entweder die Häuser dienen Immobilienfonds als Spekulationsobjekte oder Erben können sich nicht einigen, was mit dem geerbten Haus geschehen soll. Nicht selten werden auch denkmalgeschützte Häuser dem Verfall überlassen, weil sie nicht abgerissen werden dürfen und so irgendwann nicht mehr zu retten sind. Die maroden Immobilien, die jahrelang vor sich hingammeln, werden für die Kommunen zum Dauerproblem.
Uetersen: Wohnraumschutzgesetz in Niedersachsen vorbildlich
„Die Sache ist kompliziert“, sagt Dirk Woschei. „Eine Enteignung ist nicht ohne Weiteres möglich und nur dann umsetzbar, wenn ein besonderes öffentliches Interesse vorhanden sei, etwa beim Bau von Straßen oder Flughäfen.“ Liege die Immobilie in einem Sanierungsgebiet, gebe es eine Grundlage zu handeln. Um ein Sanierungsgebiet auszuweisen, bräuchte es einen Satzungsbeschluss auf politischer Ebene.
„Wird zudem die öffentliche Sicherheit durch den Verfall der Häuser bedroht, also wenn etwa Dachziegel auf Bürgersteige oder Straßen zu fallen drohen, darf die Verwaltung einen Abriss der maroden Gebäude anordnen“, so der Bürgermeister. Der Haken: Das ginge allerdings nur auf Kosten der Steuerzahler. Das Grundstück bliebe aber weiter in Privatbesitz.
Parallel zu dieser Leerstandsproblematik wächst die Wohnungsnot. In Schleswig-Holstein fehlen nach einer Berechnung des Landesmieterbundes mindestens 100.000 Wohnungen. Jährlich müssten rund 15.000 Mietwohnungen neu errichtet werden, um den Bedarf zu decken, forderten die Mietervereine auf ihrem jüngsten Landesverbandstag. Im Angesicht solcher Zahlen seien unbewohnbare Schrottimmobilien doppelt ärgerlich. Abhilfe könnte ein Wohnraumschutzgesetz nach dem Vorbild Niedersachsens schaffen. Dieses gibt Kommunen die Möglichkeit, Eigentümer zur Sanierung zu verpflichten. Unwilligen Immobilienbesitzer drohen bei Verstößen hohe Bußgelder.