Elmshorn. Etwa 200 Teilnehmer beim Kundgebung in Elmshorn. Hauptredner Gregor Gysi sprach sich gegen Aufrüstung aus.
Mit der Mehrheitsentscheidung im Bundestag für die Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine haben viele Menschen in Elmshorn ihre Probleme. Bei der Mai-Kundgebung am Sonntag äußerten sie ihren Unmut. Zwischenrufe wie „Kriegstreiber“ waren zu hören, SPD-Politiker Ralf Stegner erntete Buh-Rufe, als er davon sprach, dass es richtig sei, die Ukraine nicht nur politisch und ökonomisch, sondern auch militärisch zu unterstützen.
1.-Mai-Demo: 200 Teilnehmer bei Kundgebung in Elmshorn
Unter dem Motto „Gemeinsam Zukunft gestalten“ waren mehr als 200 Menschen vom Bahnhof Richtung Alter Markt gezogen, um ihren Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit und Frieden Nachdruck zu verleihen. Vertreten waren Parteien, Arbeitnehmerverbände, Gewerkschaften und Initiativen.
Das Nein der Linken zu Waffenlieferungen an die Ukraine begründete der prominente Bundestagsabgeordnete Gregor Gysi, Hauptredner der Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes und außenpolitischer Sprecher der seiner Fraktion. Er erinnerte an die deutsche Geschichte und den Zweiten Weltkrieg, als Deutschland die Sowjetunion überfallen hatte und 27 Millionen Menschen getötet wurden. „Wir dürfen kein Land der ehemaligen Sowjetrepublik gegen ein anderes aufrüsten“, so Gysi. Sonst könnten andere Länder folgen, die auch Waffen geliefert bekommen wollen. „Wir dürfen auch kein Land zur Kapitulation auffordern“, sagt er mit Blick auf die Ukraine. Die habe ein Selbstverteidigungsrecht. Länder wie Frankreich und England könnten anders verfahren als Deutschland, da ihre Geschichte eine andere sei.
Gysi, der sich stets für bessere Beziehungen zu Russland ausgesprochen hat, betonte, dass kein Grund Putins Angriffskrieg rechtfertigen würde. „Wir müssen einen Dritten Weltkrieg verhindern.“ Drei Szenarien könnten dazu führen. „Erstens, Russland zündet die Atombombe über der Ukraine. Ich habe mir von Experten sagen lassen, dass sei unwahrscheinlich“, so Gysi. Zweitens: Putin greife ein Nato-Land an. Und Drittens, die Nato entsende direkt Soldaten in die Ukraine oder richte eine Flugverbotszone über der Ukraine ein. Dies fordern die Ukrainer, weil Russland die Lufthoheit über der Ukraine hat.
1.-Mai-Demo: Gregor Gysi spricht sich gegen Aufrüstung aus
Der ehemalige Fraktionsvorsitzender der Linksfraktion (von 2005 bis 2015) hofft, dass die 100 Milliarden Euro für Militärausgaben nicht in das Grundgesetz aufgenommen werden. „Wir müssen zurück kehren zu einer Politik der Deeskalation, Diplomatie und der strikten Wahrung des Völkerrechts, wenn wir friedlich zusammen leben wollen.“ Eine friedliche Zukunft ohne oder gegen Russland sehe er nicht, mit Putin werde das aber auch nicht mehr möglich sein. „Wir müssen nach dem Krieg helfen, die Ukraine wieder aufzubauen“, sagte Gysi, der mit 74 Jahren noch als Rechtsanwalt, Politiker, Autor und Moderator arbeitet.
Zeitzeugin des Zweiten Weltkrieges und Friedensaktivistin Marianne Wilke (92) aus Wedel fand als Rednerin klare Worte: „100 Milliarden Euro für die Bundeswehr. Wozu? Das hilft der Ukraine nicht.“ Das Geld sei für künftige Kriege, die vorbereitet werden. „In Kriegen geht es nicht um Menschenrechte, sondern um wirtschaftliche Interessen.“ Deutschland brauche keine Atomwaffen, das sei atomarer Selbstmord. „Es darf nicht sein, dass eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag für ein Aufrüstungsprogramm stimmt“, sagt die Trägerin des Bundesverdienstkreuzes in Elmshorn. Und forderte die Zuhörer auf, bei der Landtagswahl am 8. Mai abzustimmen und dafür zu sorgen, dass die AfD unter der Fünf-Prozent-Hürde bleibe. Noch 2017 war die umstrittene und zerrissene Rechtsaußen-Partei mit 5,9 Prozent in den Landtag gekommen.
Die Rechten wieder rauswählen, forderte auch der Pinneberger SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner. Als einziges Bundesland hätte Schleswig-Holstein die Mietpreisbremse wieder abgeschafft, die Kitagebühren zählen zu den höchsten innerhalb Deutschlands. Beides sei falsch. Stegner sprach sich zudem dafür aus, sich solidarisch zu zeigen mit Geflüchteten, Familien stärker zu entlasten und die Gewerkschaften durch Eintritte zu stärken.