Helgoland/Wedel. Den besonders gefärbten Stein gibt es nur auf der Hochseeinsel – für Archäologen wie Holger Junker ein Glücksfall.

Die archäologische Gesamtsituation auf der Insel Helgoland lasse sich bestenfalls als unglücklich beschreiben, sagt Holger Junker, Leiter des Stadtmuseums Wedel. Viele Artefakte stammen aus Altgrabungen des 19. Jahrhunderts. „Die Fundumstände wurden nur unzureichend dokumentiert“, sagt der Archäologe. Die natürliche Erosion der Insel, die Rüstungsbaumaßnahmen vor beiden Weltkriegen und die Bombardierungen und Sprengung der Insel 1947 haben ihr Übriges dazu beigetragen, die kulturhistorischen Schichten nachhaltig zu zerstören.

„Gleichwohl liefern die sichergestellten Artefakte aus glücklichen Fundumständen spannende Einblicke in die Kontakte Helgolands“, sagt Junker. Die reichten zurück bis in die Steinzeit und setzten sich durch sämtliche Kulturepochen bis in unsere heutige Zeit fort. „Archäologische Funde sind ein Spiegel der Fernbeziehungen“, sagt Junker. „Obwohl eine Insel, war Helgoland in vergangenen Epochen für Menschen erreichbar und stand wegen seiner natürlichen Rohstoffe in einem regen und intensiven Austausch mit dem Festland.“

Roter Flint ist ausschließlich auf Helgoland zu finden

Daraus leitet sich auch der Titel für die aktuelle Ausstellung im Stadtmuseum Wedel ab: „Highway to Helgoland – Schätze von der roten Insel“, die am heutigen Sonnabend eröffnet wird. Schwerpunkt der Schau sind geologische Exponate, die die Einzigartigkeit Helgolands zeigen.

Der typische Buntsandstein mit türkisen Malachiteinschlüssen und roter Flint sind ebenso zu sehen wie der Abguss eines fossilen Schädels eines Capitosaurus helgolandiae – einem Riesensalamander, der vor 240 Millionen Jahren lebte und eine Länge von vier Metern erreichen konnte.

Der Abdruck des Schädels eines Salamanders Capitosaurus, der vor 240 Millionen Jahren lebte und bis zu vier Meter lang wurde.
Der Abdruck des Schädels eines Salamanders Capitosaurus, der vor 240 Millionen Jahren lebte und bis zu vier Meter lang wurde. © Anne Dewitz

Ein weiteres zentrales Ausstellungsstück ist ein Beil aus rotem Helgoländer Feuerstein, das der ehemalige Lehrer Johannes Gertz aus Wedel in seiner Nordfriesischen Heimat auf einem Feld gefunden hatte. Weitere geologische Leihgaben stammen aus der Sammlung von Alexander Benn, der das Museum Pangaea in der Festung Grauerort in Abbenfleth bei Stade betreibt.

Die Wedeler Ausstellung läuft bis zum 2. Oktober und ist Teil einer Reihe von Veranstaltungen unter dem Motto „Helgoländer Geschichte(n) – eine Insel im Wandel“, welche vom Heimatverband für den Kreis Pinneberg und der Integrierten Station Unterelbe des Landes Schleswig-Holstein in Haseldorf ins Leben gerufen wurde.

Grabhügel lassen auf bedeutende Rolle Helgolands schließen

Eine bronzezeitliche Anwesenheit von Menschen auf Helgoland ist nicht nur durch Funde, sondern auch durch mehrere große Grabhügel belegt. Obwohl die Hügel verschwunden sind, konnten drei mit Sicherheit als bronzezeitlich (1800 bis 700 vor Christus) nachgewiesen werden. Die anderen stammen wahrscheinlich aus der gleichen Zeit. Experten gehen davon aus, dass Helgoland in der älteren Bronzezeit eine bedeutende Rolle gespielt hat. Steinkistengräber weisen auf enge kulturelle Kontakte nach Nordjütland, die nordfrieschen Inseln und in das Mündungsgebiet von Elbe und Weser hin.

Der rote Helgoländer Feuerstein ist in Wirklichkeit dreifarbig: weiß, schwarz und rot.
Der rote Helgoländer Feuerstein ist in Wirklichkeit dreifarbig: weiß, schwarz und rot. © picture alliance / C. Bömke / imageBROKER

„Setzt man den Umfang einer Grabanlage mit der Bedeutung der in dieser bestatteten Person gleich, dann kann im Fall der Insel Helgoland von einer erheblichen Machtkonzentration ausgegangen werden“, sagt Junker. Macht und damit verbundener Wohlstand konnte entstehen, weil die Menschen Zugriff auf natürliche Rohstoffe hatten.

Eine bedeutende Ressource seit der Jungsteinzeit (3500 bis 1800 vor Christus) ist sicherlich der rote Feuerstein, welcher in den Kreideschichten des Witten Kliffs neben Muschelkalk gefördert wurde. Die Farbe entsteht durch die Einlagerung von Eisenverbindungen wie beispielsweise Hämatit. „In der Qualität und Farbe kommt der rote Feuerstein nur auf Helgoland vor“, sagt Junker. In seiner unverkennbaren Einzigartigkeit ist der Helgoländer Feuerstein ein Glücksfall für Archäologen wie ihn, denn so lassen sich Transportwege anhand von Funden nachvollziehen.

Roter Feuerstein wurde 300 Kilometer von Helgoland entfernt gefunden

Die Verbreitungskarte von Artefakten und Rohmaterial des roten Feuersteins zeigt ganz deutlich intensive Verbindungen in die niederländische Drenthe-Region. Unter den Funden aus dieser Gegend sticht einer besonders heraus: der Hortfund von Een. „Irgendwann zwischen 3000 und 2500 vor Christus sind dort in einem Moor Feuersteinbeile und Rohmaterial wahrscheinlich rituell niedergelegt worden“, sagt der Archäologe. Der Hortfund besteht aus vier Feuersteinknollen, einer roh bearbeiteten Beilplanke und zwei großen Beilen. „Vermutlich eine Gabe an jenseitige Mächte.“

Holger Junker schlägt mit metallhaltige Mineralien und Feuerstein Funken und entzündet daran ein Feuer.
Holger Junker schlägt mit metallhaltige Mineralien und Feuerstein Funken und entzündet daran ein Feuer. © Anne Dewitz

Die Beilplanke führte zu der Entdeckung, dass Helgoland bei der Ausfuhr von Feuerstein in die umliegenden Küstenregionen eine Rolle spielte, obwohl auf Helgoland nichts an eine Feuersteingewinnung erinnert. 300 bis 400 Kilometer weit wurde der Helgoländer Feuerstein transportiert, schätzt Junker. Er geht davon aus, dass auch die natürlichen Kupfererz- und Malachitvorkommen im roten Felsen in der Bronzezeit intensiv genutzt wurden.

Feuerstein wurde genutzt, um Werkzeuge herzustellen. Je glatter und glasartiger der Stein, desto höher die Qualität für den Steinzeitmenschen. „Einschlüsse sehen zwar hübsch aus, doch je homogener der Feuerstein, desto härter war er“, sagt Junker. So waren die daraus gefertigten Steinbeile, Schaber, Sicheln und Pfeilspitzen haltbarer. Aber es ging nicht nur um Funktion, sondern auch um Prestige.

Aus den roten Feuersteinen wird auf Helgoland Schmuck gefertigt

Sogenannte Fischschwanzdolche aus Feuerstein entstanden gegen 1600 vor Christus und waren zwischen dem heutigen Hamburg, Schleswig-Holstein und dem Norden Jütlands verbreitet. Damals trat im Norden punktuell schon Kupfer auf. „Mit Fischschwanzdolchen ahmten die Menschen in der Jungsteinzeit Kupferdolche nach. Das waren keine reinen Waffen, sondern Prestigeobjekte.“

Der besonders gefärbte Feuerstein ist noch auf der Düne zu finden. Das Zerschlagen der Steine auf der Düne ist allerdings verboten, weil die scharfen Kanten Robben verletzten könnten. Während die Hauptinsel aus Buntsandstein besteht, ist die Düne und das Gebiet nordöstlich davon aus Kreide- und Muschelkalkschichten entstanden.

Im Stadtmuseum Wedel ist unter anderem ein Beil aus Feuerstein zu sehen.
Im Stadtmuseum Wedel ist unter anderem ein Beil aus Feuerstein zu sehen. © Anne Dewitz

Heute sind besonders im Feuerstein eingeschlossene Fossilien wie Schwämme oder Seeigel begehrt bei Sammlern. Der klassische rote Feuerstein ist in Wirklichkeit dreifarbig: weiß gerindet, schwarze Schichtung und roter Kern. Das Rot reicht von burgunderrot über und violettrot bis rosa, manchmal braun-orange. Heute wird aus dem Helgoländer Feuerstein noch Schmuck gefertigt.

„Highway to Helgoland – Schätze von der roten Insel“: Sa 23.4. bis So 2.10., Stadtmuseum Wedel, Küsterstraße 5, geöffnet Freitag und Sonnabend 14 bis 17 Uhr, Sonntag 11 bis 17 Uhr, freier Eintritt. Termine für Feuerstein-Workshops werden noch bekanntgegeben.