Rellingen. Die Rellinger Bürgerstiftung hat der Sozialstation therapeutische Bewegungstechnik finanziert. Die Hintergründe.
Nein, Christoph Rind hält keine schwere Kugel in der rechten Hand. Auch wenn es so wirkt. Der Geschäftsführer der Rellinger Bürgerstiftung hat dank eines computergesteuerten Gesundheitsprogramms, einer so genannten Memore-Box, nur das Gefühl, genau das zu tun. Denn gekegelt wird mit Bewegungen, die mittels Kamera auf einen großen Bildschirm übertragen werden. Ein Computerspiel, bei dem man sich bewegt. Eingesetzt wird die neue Technik – dank der 4500-Euro-Spende von Stiftung und Förderverein – nun in der Rellinger Sozialstation und Tagespflege des DRK am Appelkamp.
Rellingen: Wie Senioren vorm Fernseher fitter werden
Weil Therapieerfolge nachgewiesen werden können, wird das interaktive Programm sogar teilweise von den Krankenkassen gefördert. Ziel des Projekts ist nämlich, bei den Bewohnern von Senioreneinrichtungen die körperliche Beweglichkeit und die kognitiven Leistungen zu steigern und ihnen ein schönes Gemeinschaftserlebnis zu verschaffen. Es soll die Kommunikation untereinander und damit die Geselligkeit fördern und als Gedächtnistraining eingesetzt werden können. Sogar das Verhältnis zu den Pflegekräften soll sich dadurch spielerisch verbessern, denn „auch uns macht das Spaß“, sagt Petra Grimpe, Leiterin der Tagespflege im DRK-Seniorenheim.
Inwieweit sich damit ein bereits eingesetzter Demenzprozess bei Senioren aufhalten lässt, wird momentan in einer größeren Studie erforscht und erprobt. Einige Krankenkassen finanzieren das Projekt für zwei Jahre unter der Voraussetzung, dass die jeweilige Einrichtung alle drei Monate an einem Qualitätszirkel mitwirkt, in dem die positive Wirksamkeit getestet wird. „Das fließt in das Forschungsprojekt der Hamburger Firma Retrobrain ein, die es entwickelt hat“, sagt Petra Grimpe. Sie hatte das Förderprogramm bei der Barmer Krankenkasse entdeckt. Retrobrain habe für die Entwicklung bereits Preise gewonnen.
Rellingen: Spielen als gemeinsamer Spaß
Es mutet zwar anfangs grotesk an, vor einem großen Bildschirm stehend die Figur darauf mit eigenen Bewegungen zu führen. Weil der davor stehende Spielende aber im Normalfall im selben Raum umringt ist von weiteren Menschen, die er kennt, wird das Computerspiel schnell zum gemeinsamen Spaß mit Mitmach- und Wettbewerbscharakter. „Ziel ist es, über verschiedene Spiele alle ins Boot zu holen, damit es keine Verlierer gibt“, sagt Leiterin Nicole Giese. Allein soll es aber ebenfalls Spaß machen und positiv wirken – „Daddeln gegen Demenz“ titelte das Hamburger Abendblatt vor einigen Monaten.
Zur Wahl stehen in Rellingen: Sonntags mit dem Motorrad nach Berlin zum Brandenburger Tor fahren, Tischtennis spielen, Tanzen, Kegeln oder – das anspruchsvollste von allen – mit dem Fahrrad Briefe austragen und zielgenau rechts und links in die blauen und gelben Briefkästen werfen. Hier geht es um wiederkehrende Bewegungen, aber auch um Koordination, Reaktion und den Wechsel zwischen Rechts und Links.
Wer spielen möchte, kann anfangs zwischen einem Mann und einer Frau als Avatar auf dem Bildschirm wählen. Dann fertigt eine vorn eingebaute Kamera vom Spieler ein Porträt an, und es kann losgehen. Ohne einen großen Bildschirm nützt allerdings die schönste Memore-Box nichts, weshalb Bürgerstiftung und Förderverein der Einrichtung einen neuen finanziert hat. Genutzt wird er außerdem für Vorträge, Fortbildungen oder Kinonachmittage. Die Box sieht aus wie eine große Brotdose. Da sie über einen einzigen Knopf in Gang gesetzt wird, trauen sich auch Menschen daran, die sonst vor Technik zurückscheuen.
Rellingen: Bürgerstiftung setzt auf Nachhaltigkeit
„Wir finden, dass das eine tolle Sache ist“, sagt Christoph Rind. „Wir hatten schon ein großes Bewegungsprogramm mit dem RTV entwickelt, aber dann kam Corona.“ Dann habe das DRK-Heim zaghaft bei der Stiftung angeklopft. Nach zwei Jahren werden Petra Grimpe und Nicole Giese vor der Entscheidung stehen, das Programm für 1500 Euro zu kaufen – oder zu leasen und damit von Verbesserungen, Software-Updates, Ergänzungen und einem Reparaturservice zu profitieren.
Seit zwölf Jahren ist die Rellinger Bürgerstiftung aktiv im Namen des Gemeinwohls. „Uns ist Nachhaltigkeit wichtig“, sagt Rind. „Und das mobile Gerät ist für viele andere Zwecke einsetzbar.“ In diesem Jahr ist es das größte Projekt der Stiftung. Darüber hinaus finanziert sie Osterferienprogramme für Schüler, Besuche von Kindern im Entdeckergarten oder im Juni ein großes Sommerfest im Arkadenhof.
Corona habe der Spendenbereitschaft keinen Abbruch getan, sagt Rind. „Viele im Ort geben uns regelmäßig kleinere Spenden. Wir sind sehr dankbar für die Resonanz.“