Seestermühe. Seestermühe ist ein Geheimtipp für alle Kaffeeliebhaber. In der Landrösterei veredelt Doreen Wendt jährlich 60 Tonnen Bio-Bohnen.

Sie liebt Kaffee. Sie lebt Kaffee. Sie versteht Kaffee. Für Doreen Wendt (34) dreht sich alles um dieses aromatische Heißgetränk, das die Menschen hierzulande gerne morgens zum Frühstück und nachmittags zum Kuchen mögen. Mit 164 Litern je Bürger im Jahr ist es sogar die Nummer eins unter den Konsumflüssigkeiten in Deutschland.

Doreen Wendt ist als gelernte Pâtissier-Konditorin jetzt Chefrösterin der Landrösterei. Die hat sie zusammen mit dem Hamburger Röstmeister Erik Brockholz vor gut zwei Jahren in der früheren Turnhalle von Seestermühe aufgemacht. Der Laden floriert. „Er ist ein Segen für unser Dorf“, sagt etwa die SPD-Vorsitzende Erika Zieger.

Die gebürtige Magdeburgerin, die über unterschiedliche Gastronomiebetriebe an der Ostsee im Jahr 2013 nach Pinneberg zog, hat das Kaffeerösten von der Pike auf gelernt. Sie hat das Handwerk inhaliert, im Blut oder im Gefühl könnte man auch sagen.

Rösterei: Anstoß gab eine Fernsehserie

Den Anstoß dazu erhielt sie durch eine Fernsehserie, bei der das handgemachte Kaffeerösten eine wichtige Rolle spielte. „Das will ich auch lernen“, sagte sich Doreen Wendt und bewarb sich um mehrere Praktika. Zumal ihr das viele Kuchen- und Tortenbacken bei einem im Fernsehen sehr bekannten Hamburger Koch ein wenig langweilig zu werden schien. „Ich wollte einfach noch mal was Neues machen. Aber ich liebe Backen und Eismachen“, erklärt die engagierte Konditorin ihren beruflichen Wechsel.

Da lernte sie den Kaffeeröstmeister Brockholz kennen, der in der Hamburger Speicherstadt auch eine Kaffeerösterei mit Seminaren und einem Museum betreibt. Beide waren schnell auf einer Wellenlänge, was den Kaffee betrifft. Wie sich herausstellte, beriet Brockholz auch die Fernsehserie, die bei Doreen Wendt plötzlich die Leidenschaft für das Kaffeemachen weckte.

200 Grad Celsius – die ideale Temperatur

Brockholz sah, welches Talent in der jungen Pinnebergerin steckte, bildete sie aus und förderte sie. „Ich habe das Kaffeerösten auf einer 100 Jahre alten Maschine gelernt“, erklärt Doreen Wendt. Die hatte nur drei Gashebel, mit der die Temperatur beim Rösten eingestellt werden kann. Sonst nichts. Alles andere, was eine gute Röstmeisterin ausmache, seien Geschmack, Handling und Erfahrung, erklärt die junge Expertin.

Dabei sei das richtig dosierte Kaffeerösten entscheidend für seinen Geschmack. So röste sie in Seestermühe ihre direkt aus Indien, Kolumbien, Honduras, Mexiko und Äthiopien importierten Kaffeebohnen etwa 20 Minuten lang bei 200 Grad Celsius, erklärt Doreen Wendt.

Herkömmlicher Industriekaffee dagegen werde in der Regel nur drei bis fünf Minuten auf 500 bis 700 Grad erhitzt. Aber so könnten sich die Bitterstoffe in der Kaffeebohne nicht lösen und der Zucker darin nicht karamellisieren, erklärt sie. Darum schmecke ihr frisch gerösteter Kaffee viel milder und längst nicht so bitter wie der übliche Filterkaffee aus dem Supermarkt.

Zur Veranschaulichung ihres Handwerks präsentiert sie ihren Besuchern gern Kaffeebohnen unterschiedlich langer Röstvorgänge. Hellbraun für kürzere und dunkelbraun für längere Röstzeiten. Während des Röstens holt sie ständig ein paar Bohnen heraus und probiert sie. Wenn sie den richtigen Geschmack erreicht haben, stoppt sie das Rösten. „Jede Bohne kann bis zu 1000 Geschmackskomponenten entfalten.“ Darum esse sie den Kaffee inzwischen eher. „Ich trinke ihn kaum noch.“

Das Endprodukt – hier die Sorte „Mexico Coro“ – steht in Geschäften der Region.
Das Endprodukt – hier die Sorte „Mexico Coro“ – steht in Geschäften der Region. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Die Landtagsabgeordnete Beate Raudies aus dem benachbarten Elmshorn, die die Seestermüher Bürgermeisterin Erika Zieger in das einzige Lokal im Dorf begleitet hat, ist begeistert: „Eigentlich wollte ich meinen Kaffee wie immer mit Milch und Zucker trinken. Doch dann merkte ich, dieser Kaffee braucht das nicht.“ Und Bürgermeisterin Zieger ist sogar vom Geschmack der einzelnen Kaffeebohnen angetan. „Das ist das erste Mal, dass ich so eine einzelne Bohne probiert habe“, schwärmt sie. Und sie sei heilfroh, dass ihre Gemeinde endlich wieder einen beliebten Treffpunkt hat. Denn in dem Gebäude der Landrösterei, die früher eben eine Turnhalle war und später lange einem Polsterer gehörte, ist auch gleich ein Café eingerichtet. Das betreibt ein Elmshorner Kaufmann, der mehrere Supermärkte im Umkreis hat, die natürlich auch den frisch gerösteten Kaffee aus Seestermühe in den Regalen stehen haben.

Nebenan, in der eigentlichen Landrösterei, hat Doreen Wendt alle Hände voll zu tun. 20-mal am Tag schmeißt sie ihre Röstmaschine an, um den fair gehandelten Kaffee aus Honduras, Kolumbien, Mexiko, Äthiopien oder Indien so zu rösten, dass er schmeckt und bekömmlich ist. Gut 300 Röstvorgänge im Monat sind das, 60 Tonnen Rohkaffee verarbeite sie damit pro Jahr, berichtet die Chefrösterin, die inzwischen auch nach Seestermühe gezogen ist.

Die Kaffeebauern in den Anbauländern würden davon ebenfalls profitieren, versichert sie. „Wir besuchen die Kaffeebauern vor Ort, um den Biostandard zu überprüfen, die Kaffeesorten zu verkosten und den Preis direkt vor Ort zu verhandeln“, beschreibt sie die Arbeits- und Gewinnaufteilung mit den Kaffee produzierenden Ländern. „Ohne Zwischenhändler, ohne Kaffeebörse und ohne zusätzliche Kosten. Hier kommt das Geld direkt beim Kaffeebauern an und die gute Qualität bei unseren Kunden.“

Hofläden, Biomärkte – der Seestermüher Kaffee hat viele Abnehmer

Und die werden täglich mehr. Sie beliefert Cafés, Hofläden, Biomärkte, Lebensmittelhändler und Restaurants im gesamten Kreis Pinneberg und in der Metropolregion von Itzehoe bis Lauenburg und Lüneburg. Dazu gehören der Kaffeebus von Hanna auf dem Elmshorner Wochenmarkt, der Eierhof Schliecker in Klein Nordende, die Gaststätte „Zur Erholung“ bei Rathjens in Uetersen, die Aalkate in Neuendeich sowie einige Edeka- und Rewe-Märkte in der Region.

Es gibt Kaffeebohnen für Filterkaffee, Café Creme oder Espresso. Der Online-Shop laufe gut. Zwei feste und drei Aushilfskräfte arbeiten für die Landrösterei. Bald möchte sie auch kleine Kaffee-Seminare und Tastings anbieten. Dass ihr frisch gerösteter Kaffee mit bis zu 14 Euro das Pfund etwa zwei- bis dreimal teurer als so manche herkömmliche Industriekaffeesorte ist, stört sie nicht. „Der ist mit unserem Bio-Röstkaffee auch nicht vergleichbar“, erklärt Doreen Wendt und sagt selbstbewusst: „Natürlich sind wir besser.“

Sogar eine erste Kaffeepflanze in Seestermühe hat sie jetzt geerntet. Sind zwar nur 30 Kirschen für vielleicht 100 Gramm. Aber vom „Seestermüher Honey“ will sie künftig mehr anpflanzen.

Landrösterei Seestermühe: Dorfstraße 50A, 25371 Seestermühe, Kostenfreie Hotline: 0800 6033380, Kontakt: info@landroesterei.de, Im Netz: www.landroesterei.com