Heidgraben. Seit acht Jahren gibt es in Heidgraben den MarktTreff. Die gute Seele des Treffs ist Manfred Langner.
Bei diesem Eintopf, da gibt’s keine zwei Meinungen. Bissfester Weißkohl mit frischen Kartoffeln und zarten Rindfleischstückchen. Einfach köstlich! Denkt sich Frauke (73), nimmt den Kochtopf aus der Einkaufstasche, reicht ihn über den Tresen und lässt sich von Manfred Langer (61), den hier alle Manni nennen, gleich eine doppelte Portion abfüllen. Frauke und er kennen sich gut. Sie hat mal bei ihm gejobbt. Und kommt immer wieder gern hierher. Um im 400 Quadratmeter großen Supermarkt einzukaufen, ein frisch gekochtes Mittagessen mitzunehmen oder im Café des Backshops einen Kaffee zu genießen.
Ich bin zu Gast im MarktTreff von Heidgraben. Wie Heinz-Hermann Möller (88) und Ehefrau Brunhilde (85). Die beiden sind mit dem Fahrrad hier. Wie fast jeden Tag in der Woche ist der MarktTreff ihr kulinarischer Zwischenstopp, bevor es wieder zurückgeht ins acht Kilometer entfernte Elmshorn.
Heidgraben: Kaffee, Kuchen und Klönschnack
Heute genehmigen sich die beiden statt Mittagstisch eine Tasse Kaffee, dazu ein Stück Kuchen. Der Plausch mit dem Chef ist kurz. Der muss gleich zurück in die Küche. Es ist halb zwölf, und nicht nur Frauke hat Hunger. Bis zu 50 Essen werden hier täglich von montags bis freitags über die Theke gereicht. Meist außer Haus. Heute kommen noch 13 Currywürste mit Pommes dazu, Extrabestellung einer Baumschule.
Jessica Harder (43) unterstützt den Chef in der Küche. „Ich koche gern hier“, sagt die fröhliche Frau mit dem blonden Zopf. Frische, täglich wechselnde Hausmannskost gibt’s zum Preis von 5,90 bis 8,90 Uhr. Fleisch, Fisch, Eintopf und immer wieder mittwochs vegetarisch. Der Renner: Hamburger Labskaus und Steckrübeneintopf mit Kochwurst und Speckstippe. „Dann stehen die Kunden bis draußen“, sagt Manfred Langer.
Heidgraben: Alles unter einem Dach im MarktTreff
Ob Schulkind oder Senior: Man geht nicht zum MarktTreff – man geht zu Manni. Um das zu verstehen, werfen wir mal einen Blick zurück ins Jahr 2009 auf den damaligen Bürgermeister Udo Tesch und seinen Traum. Einen Lebensmittelmarkt für Heidgraben will dieser bauen. Ein MarktTreff soll es werden. Das Konzept überzeugt ihn, weil es alles unter einem Dach bündelt, was sich die dörfliche Gemeinschaft von einem Nahversorger wünscht. Auch wenn keiner der 43 MarktTreffs in Schleswig-Holstein ist wie der andere, basiert doch jeder auf drei Säulen: einer wirtschaftlichen, etwa mit einem Lebensmittelmarkt, aus Dienstleistungen wie einer Post-/Lottostelle, und sozialen Angeboten für alle Generationen – für private Veranstaltungen, Gruppen und Vereine.
Und Manfred Langer soll diesen besonderen Nahversorger führen. „Weil du bekannt bist wie ein bunter Hund“, habe der inzwischen verstorbene Tesch damals gesagt. 24 Jahre war der gelernte Koch im Vorstand des Sportvereins, davon neun Jahre als Vorsitzender. „Da hat man viele Kontakte. Da weiß man Bescheid im Dorf“, sagt der 1,90 Meter-Mann, 48-facher Marathonläufer und zweifacher Ironman. Nach Rücksprache mit Frau Britta willigt Manfred Langer ein. Übergibt die Druckerei in Schenefeld an seinen Sohn, verkauft das Einfamilienhaus und zieht mit seiner Ehefrau in den ersten Stock des im Jahr 2014 erbauten MarktTreffs an der Bürgermeister-Tesch-Straße. Die Baukosten von drei Millionen Euro bezuschusst das Land Schleswig-Holstein mit 750.000 Euro. Heidgraben gründet damals ergänzend eine Bürgergenossenschaft mit 100 Mitgliedern. Die spenden zwischen 100 und 10.000 Euro und nehmen zusätzlich einen Kredit auf, den Manfred Langer mit seiner Pacht tilgt.
Und damit sind wir wieder im Hier und Jetzt. „Hallo, Marion. Alles gut?“, ruft Manfred Langer der dunkelhaarigen, in schwarz-rot gekleideten Dame zu. „Am liebsten ja“, antwortet Marion Sörensen. Spricht’s, stellt den Einkaufskorb beiseite und gönnt sich eine Pause. Die 73-Jährige gehörte damals zur Planungsgruppe des MarktTreffs. Wichtig sei der studierten Bibliothekarin vor allem gewesen, dass auch die älteren Heidgrabener auf kurzen Wegen über das Angebot versorgt sind. So wie ihre betagte Mutter, die sich gerade im Friseurstudio Brilliant die Haare auf Hochglanz bringen lässt.
Heidgraben: Treffpunkt zum Klönen und Genießen auch für Senioren
Heidgraben mit seinen fast 3000 Einwohnern ist eine Gemeinde im Wachstum. Derzeit entstehen zwei Neubaugebiete und ein Gewerbegebiet. Mittendrin der MarktTreff – als lebendiger Marktplatz für Jung und Alt. Ein Treffpunkt zum Klönen und Genießen auch für die Seniorenrunde, mit der Marion Sörensen, seit 40 Jahren Vorsitzende des AWO-Ortsverbands Heidgraben, gern mal im integrierten Veranstaltungsraum einkehrt und ein deftiges Grünkohlgericht à la Manfred Langer genießt.
Manni Delonge schaut vorbei. „Moin Manni“. ,„Moin Manni“. Die Namensvetter kennen sich gut – aus der gemeinsamen Vorstandszeit im Sportverein. Mindestens einmal pro Woche kehrt der Kurier- und Transportunternehmer hier an der Bürgermeister-Tesch-Straße auf einen Kaffee ein. „Immer, wenn ich die Briefe zur Poststelle bringe“, sagt der 75-Jährige. „Manni macht das gut.“ Das Persönliche gefalle ihm hier. Und clever sei, dass er mit seinem Mittagstisch auch auf Facebook zu finden ist.
Auch heute ist Manfred Langer wieder seit 6 Uhr auf den Beinen. Und schafft so früh am Morgen zügig die Rahmenbedingungen für einen florierenden Start in den Arbeitstag: Fährt zunächst Kassensystem, Lotto- und Post-Terminal hoch, sortiert die neuen Tageszeitungen ein und macht das Obst- und Gemüseregal „chic“. Rund 6000 Artikel sind im Warenwirtschaftssystem hinterlegt. Nachbestellungen beim Lieferanten Rewe müssen bis 9 Uhr raus sein. Im Backshop sortieren die Mitarbeiter Brot und Brötchen ein. Die hat zuvor Bäcker Eggers aus Moorrege angeliefert. Um 6.30 Uhr startet der Verkauf. Dann heißt es für Manfred Langer ab an die Kasse, bis um 8 Uhr die erste Kassenschicht kommt. Zwischendurch mal schnell im Backshop aushelfen oder am Postschalter bedienen, bevor es im Küchendress an den Herd geht, um den Mittagstisch vorzubereiten.
Heidgraben: Das Mittagsgericht geht mal wieder weg wie nix
An der Kasse hat Praktikant Justin Flor (18) aus Uetersen alle Hände voll zu tun. Zum 1. August wird er bei Manfred Langer seine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann starten. Er freut sich drauf, denn: „Die Menschen hier sind offen und herzlich. Jeder kennt jeden“, sagt Justin, der auch regelmäßig seine Eltern als Kunden begrüßt und das familiäre Arbeitsklima im Team schätzt.
Am Tresen des Backshops hat sich mittlerweile eine Schlange gebildet. Das Mittagsgericht geht weg wie nix. Ehrlich gesagt, beim Weißkohleintopf, da gibt’s auch für mich keine zwei Meinungen. Ich setze mich ins Café und probiere eine Portion. Und schon werden Kindheitserinnerungen wach. Wie früher bei der Oma – so köstlich schmeckt die nostalgische Gaumenfreude hier im modernen MarktTreff von Manfred Langer in Heidgraben.