Pinneberg. Nach Coronapause startet das Pinneberger Theater mit einer abgründigen Aufführung neu durch. Was von der „Niere“ zu erwarten ist.
Der Architekt Arnold hat Oberwasser. Großspurig protzt er vor seiner Frau Kathrin mit seinem enormen beruflichen Erfolg – da eröffnet sie ihm die niederschmetternde Nachricht, dass sie bald sterben wird, wenn niemand ihr eine Niere spendet. Das Stück von Stefan Vögel, in dem diese Szene spielt, hat sich das Forum Theater für die kommende Premiere am 2. April ausgesucht. Es ist zwar eine Komödie und strapaziert des Öfteren die Lachmuskeln. Zugleich werden auf der Bühne existenzielle Themen verhandelt.
Regisseurin des feurigen Amateur-Teams ist dieses Mal Katja Korinth, die seit der Gründung der Theatergruppe 1995 mit an Bord ist. Oft hat sie noch nicht Regie geführt, stattdessen hunderte Male auf der Bühne gestanden. „Ich dachte, Regie zu führen, ist etwas entspannter, als zu spielen“, gibt sie zu. Pustekuchen. Unter Corona-Bedingungen waren die immer wieder von Quarantänezwängen unterbrochenen Proben mehr als kompliziert: „Wir haben dann online geprobt, und ich dachte, das geht nicht. Es ging aber, die haben das mit Ausdruck gemacht. Außerdem hatten wir keine andere Wahl.“
Inzwischen bevölkern wieder vier leibhaftige Schauspieler die Probebühne im Foyer der Johannes-Brahms-Schule. Genauer gesagt: zwei Paare. Arnold (Björn Oberhössel) und seine Frau Kathrin (Martina Asmussen) und auf der anderen Seite Diana (Anna Bonkewitz) und ihr Gatte Götz (Christian Eikhof). Sie sind seit Jahren befreundet und wollen an diesem fatalen Abend eigentlich den neuen Groß-Auftrag von Arnold feiern. Der errichtet in Paris ein 20-stöckiges Hochhaus, den Diamond Tower. Ein Phallus-Symbol, wie Diana findet. Aber diesen Seitenhieb in Zusammenhang mit Freuds Theorie vom Penisneid teilt sie erst später aus.
Die Rollen der Frauen sind denen der Männer ebenbürtig
Zunächst muss Arnold die Nachricht seiner Frau verdauen, die die Frage an ihn beinhaltet, ob er derjenige sein wird, der ihr eine Niere abgibt. Das kann er nämlich nicht gleich beantworten. Da wird er fahrig, weicht aus, will Zeit gewinnen und fängt irgendwann sogar an zu brüllen. Sie dagegen ist die Ruhe selbst. Mit 40 vielleicht schon den Abgang machen – das scheint sie nicht aus der Fassung zu bringen. Hier sind es die Untertöne, die das Stück vorantreiben.
Als Diana und Götz auftauchen, um mit den beiden Essen zu gehen, nimmt das Stück extrem an Fahrt auf. Denn Götz sagt spontan zu Kathrin: „Ja. Ich würde Dir eine Niere spenden.“ Das bringt alle in Wallung und setzt eine unvorhersehbare Dynamik in Gang, in deren Verlauf zutage tritt, in welchem Zustand sich die Beziehungen befinden, wer Mumm und Charakter hat, wer durchblickt und wer wem welche Lügen aufgetischt hat.
Das Stück hat Katja Korinth ausgesucht. Es sollte „nicht altmodisch und nicht albern sein. Eine Komödie mit Anspruch“, sagt sie. Da sie selbst oft flache, typisch weibliche Theater-Rollen spielen musste, achtete sie bei der Auswahl darauf, „dass die Frauen gute, interessante Rollen haben. Denn die spannendsten Rollen haben sonst meistens die Männer“, das weiß sie aus Erfahrung. Hier nicht. Hier sind die Frauenfiguren denen der Männer ebenbürtig.
Die Rollengestaltung ist in diesem eingeschworenen Team kein privater Prozess der einzelnen Schauspieler mit ihrer Regisseurin, sondern es kommt durchaus vor, dass alle dabei mitreden, wie eine Rolle sich entwickelt. Dass eine Figur nicht so ist, wie die Rolle ursprünglich angelegt war, zeigt sich manchmal erst nach dem ersten Durchlauf. Dann, wenn das Stück zum ersten Mal im Ganzen gespielt wird.
„Gute Komödie zu spielen, ist schwer. Das Timing muss stimmen“, sagt die Regisseurin. Die Gruppendynamik, die bei den Proben innerhalb der Truppe entstehe, sei das Salz in der Suppe, das Beste seien die Probenwochenenden. Wenn sich alle mit offenem Ende und ohne Termine im Nacken ausprobieren können, kommen die alten Zeiten hoch: „Wir zitieren dann Worte und ganze Sätze aus anderen Stücken“, sagt Katja Korinth und lacht.
„Die Niere“ Premiere Sa, 2.4., 19.30 Uhr, Rathaus, Bismarckstraße 8. Eintritt 10 Euro (Abendkasse) oder 11 Euro im Vorverkauf, Buchhandlung Bücherwurm. Weitere Termine 3., 8., 9. und 10.4. Infos auch unter www.forumtheater.de.