Quickborn. Das einzige im Original erhaltene Kriegsgefangenenlager des Landes soll zur Ausstellung werden – aber nicht zum Wohlfühlen.

Jetzt ist es amtlich und verbrieft. Das rote Backsteinhaus im Quickborner Himmelmoor, das nach einem seiner jüdischen Kriegsgefangenen Henri Goldstein benannt ist, ist jetzt offiziell als NS-Gedenkstätte in Schleswig-Holstein anerkannt. Staatssekretär Oliver Grundei überreichte am Freitagnachmittag bei einer Feierstunde in der Comeniusschule dem Fördervereinsvorsitzenden Jens-Olaf Nuckel die offizielle Urkunde.

Zudem erhält der Verein 200.000 Euro vom Land, damit das einzige ehemalige schleswig-holsteinsche Kriegsgefangenlager aus dem zweiten Weltkrieg, das heute noch im Originalzustand besteht, jetzt gesichert und erhalten werden kann.

„Das soll der Grundstock für den Aufbau einer Gedenkstätte sein“, sagte Grundei, Staatssekretär im Bildungsministerium. Anschließend ließ sich der hohe Gast aus Kiel im Himmelmoor das recht unscheinbare Flachdach-Gebäude aus dem Jahr 1936 zeigen. Im Arbeitslager 1416, wie es offiziell hieß, waren in den letzten Kriegsjahren etwa 50 jüdische Gefangene aus Belgien und Frankreich untergebracht. Sie mussten unter täglichem Zwang 15 Kubikmeter Torf im Himmelmoor stechen.

Nur das Nötigste war vorhanden: Wie einige Betten in den Räumen sind auch die Latrinen im Originalzustand erhalten.
Nur das Nötigste war vorhanden: Wie einige Betten in den Räumen sind auch die Latrinen im Originalzustand erhalten. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

In den etwa 100 Quadratmeter großen Innenräumen sind sogar noch die Etagenbetten vorhanden, in denen die Gefangenen zu dritt übereinander schlafen mussten. Auch die Latrinen sind noch im Originalzustand. Dort mussten die Geknechteten zu viert nebeneinander ihre Notdurft verrichten. Weil es kein Wasser gab, herrschte ein unheimlicher Gestank, schrieb Goldstein nach dem Krieg in seinen Erinnerungen. Die Zwangsarbeiter seien von Wanzen und Läusen befallen gewesen und mussten unter Schlägen die schwere Arbeit im Moor verrichten. Zu essen bekamen sie nur braune Brühe und ein Stück Brot am Tag, so Goldstein, der sich in den 80er-Jahren an die Stadt Quickborn gewandt hatte, um diese Gefangenschaft nachträglich anerkennen zu lassen.

Daraus entstand in Quickborn Ende der 90er-Jahre ein Verein, der sich später nach Goldstein benannte und mit seinen 30 engagierten Mitgliedern die Erinnerung an dieses dunkle Kapitel deutscher Geschichte in Quickborn für die Nachwelt wach halten will. „Es gab auch hier Nazis. Wir lebten nicht auf einer Insel der Glückseligkeit“, sagte bei dieser Gelegenheit der Vereinsvorsitzende Jens-Olaf Nuckel.

Mit der Landesförderung sollen nun zunächst das Gebäude gesichert, das kaputte Dach saniert und die undichten Fenster erneuert werden, kündigte Nuckel an, selbst Architekt. Anschließend sei geplant, die Geschichte des Goldstein-Hauses und seiner Insassen historisch aufzuarbeiten und zu beschreiben. Dafür werde eine Historikerin beauftragt. Parallel werde ein Konzept für eine Ausstellung erarbeitet, erklärte Nuckel. Dabei solle nichts verändert oder beschönigt werden. „Wir wollen, dass die Besucher die Grausamkeit, die in diesen Räumen damals herrschte, fühlen, riechen, spüren und schmecken können.“

Namensgeber Henri Goldstein war einer der Gefangenen.
Namensgeber Henri Goldstein war einer der Gefangenen. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Diese „Graswurzel“-Initiative der an die Nazi-Zeit erinnernden Goldstein-Vereinsmitglieder sei es, deren „Herzblut, Engagement und Kompetenz nicht genug zu würdigen ist“, lobte Staatssekretär Grundei. „Dafür danke ich Ihnen im Namen der Landesregierung.“

Kreispräsident Helmuth Ahrens betonte die Bedeutung dieser nun ersten NS-Gedenkstätte im Kreis Pinneberg vor allem für die jüngeren und nachfolgenden Generationen. „Sie sollen lernen, was wir Deutsche hier angerichtet haben und dafür sorgen, dass es nie wieder passieren darf.“

Ähnlich äußerte sich Quickborns Bürgermeister Thomas Köppl. Das ehemalige jüdische Gefangenlager müsse authentisch und historisch nachvollziehbar bleiben, riet er dem Förderverein für die nun geplante Umgestaltung. „Es darf keinen Charme haben. Es war ein Gefängnis, ein Ort des Terrors. Das muss zum Ausdruck kommen.“

Gerhard Fouquet, der als Vorsitzender der Bürgerstiftung die inzwischen 17 NS- und KZ-Gedenkstätten im Land unterstützt, betonte, dass die Gebäudesanierung und die historische Aufarbeitung zu einer Ausstellung nur der erste Schritt sein könnten. Um das Haus im Himmelmoor zu einem dauerhaften Ort der Erinnerungskultur an die Schrecken der Nazi-Diktatur zu etablieren, bedürfe es einer konstanten und soliden Finanzierung sowie weiterhin sehr viel ehrenamtlichem Engagement, sagte Fouquet. Dafür werden der Verein, die Stadt Quickborn, der Kreis Pinneberg und das Land „dicke Bretter bohren müssen. Aber gemeinsam wird es uns gelingen, sie zu durchbrechen.“