Pinneberg. Die Kreisstadt als Einkaufsstandort ist besser als ihr Ruf und auch vergleichsweise gut durch die Corona-Krise gekommen, sagt Citymanagerin Birgit Schmidt-Harder.

Das Coronakrisen-Lamento ist vielerorts schon fast zur Gewohnheit geworden, auch in Einzelhandel und Gastronomie. Aber geht es wirklich seit Beginn der Pandemie bergab? Nein. Darauf lassen zumindest die Zahlen seit dem Jahr 2019 nicht schließen, die das Stadtmarketing vorgelegt hat. Demnach geht es nämlich entgegen aller Vermutungen bergauf: Seit Sommer 2019 haben sich 28 neue Dienstleister, Gastronomen und Einzelhändler in der Pinneberger Innenstadt angesiedelt.

An Geschäftsaufgaben sind der Citymanagerin Birgit Schmidt-Harder seit Sommer 2019 nur zwölf bekannt. 13 Flächen stehen derzeit in der Innenstadt leer, „die Freiflächenquote liegt nach unseren Berechnungen bei 7,26 Prozent. Sie ist sehr niedrig, wenn man bedenkt, dass der stationäre Einzelhandel in der Krise steckt“, so Schmidt-Harder. Diese Krise werde immer mit einem angeblichen Innenstadtsterben gleichgesetzt, „was erstens nicht der Wahrheit entspricht und zweitens die Sachlage nicht korrekt beschreibt“, kritisiert sie.

Ihr Fazit: „Bei 28 neuen Dienstleistern, Händlern, Gastronomien und Einzelhändlern in der Pinneberger Innenstadt innerhalb von zwei Jahren Corona-Pandemie kann man nur von einer positiven Entwicklung der Innenstadt sprechen. Sie ist äußerst lebendig. Nur eben anders. Sie wandelt sich.“ In der Tat schrumpft der stationäre Einzelhandel. Dennoch sind aktuell 40 Prozent der Verkaufsflächen mit Bekleidung und Wäsche belegt.

Unter den Neuen sind allerdings kaum sogenannte „schöne Geschäfte“. Eher sind es Friseure, Nagelstudios, Testzentren, Kosmetikstudios, Versicherer, Turnstudios und einige Restaurants. Aktuell sieht die Mischung so aus: 51 Einzelhändler, 91 Dienstleister und 24 Gaststätten, wobei es bei Mischkonzepten Überschneidungen gibt.

In diesem Zusammenhang beruft sich Birgit Schmidt-Harder auf das Einzelhandelsgutachten (wir berichteten) und geht auf Anregungen ein, die darin enthalten sind. Eine gute digitale Sichtbarkeit sei wichtig. Noch immer reagierten 67 Prozent der Betriebe im Einzelhandel nicht auf Kundenbewertungen, 25 Prozent besäßen keine Website. Solche Dinge allein ersetzten aber keinen schlecht geführten Laden ohne Service.

Auch wurde in dem Gutachten verschiedentlich die Gestaltung von Fassaden, Schaufenstern und Werbemitteln als sanierungsbedürftig oder veraltet moniert. Schon frühere Analysen des Einzelhandels ergaben, dass Menschen nicht ausschließlich zum Einkaufen in die Innenstadt kommen. Sie möchten mit anderen Menschen etwas erleben, vielleicht ein Konzert oder eine Theateraufführung besuchen, etwas essen, einen Optiker oder Arzt besuchen oder auf dem Wochenmarkt den Bauern ihres Vertrauens treffen. Die Mischung all dieser Aspekte des öffentlichen Lebens – „das sind unsere Stärken und unsere Kernkompetenz für die Zukunft“, sagt die Citymanagerin.

Und was sagen die Pinneberger Geschäftsleute? Tim Glindmeyer (35) ist gebürtiger Pinneberger und Geschäftsführer des Modehauses Glindmeyer, das seit 90 Jahren existiert. „Wir sind ein reiner Familienbetrieb in der vierten Generation. Das Geschäft lauft sehr gut, wir sind sehr zufrieden. Das verdanken wir der guten Stammkundschaft, die uns durch die ganze Pandemie treu geblieben ist. Das ist unser Vorteil gegenüber den großen Ketten: Die Leute wollen den lokalen Handel unterstützen. Das hören wir sehr oft.“

Was fehlt seiner Meinung nach in der Innenstadt? „Ich finde, es fehlt der Branchenmix. Aber es wird auch viel gebaut und renoviert. Wenn man sich andere Städte in ähnlicher Größe anschaut, da haben die eine Leerstandsquote von 30 bis 40 Prozent, wir liegen hier bei acht – trotz Pandemie. Ich sehe einen Wandel zum Positiven in Pinneberg. Wir haben uns angepasst in der Pandemie: Wir haben Click und Collect gemacht, eine App entwickeln lassen, WhatsApp-Kataloge verschickt. Wer sich nicht anpasst, bleibt stehen.“

Schließung von Leder Homann wird allgemein bedauert

Ein weiteres Traditionsgeschäft ist der Bücherwurm, der 1947 von Traute Roder gegründet wurde. Lena Rahlf arbeitet seit sieben Jahren in der Buchhandlung und sagt: „Die Pinneberger lieben den Bücherwurm. Das haben wir auch gerade zu Corona-Zeiten gemerkt. Wir haben viele treue Kunden, die zu uns gehalten haben. Viele haben das Lesen für sich wiederentdeckt. Ganz neu haben wir Schreibwaren übernommen, weil ,Papier & Stift’ schließt. Doch man merkt schon, dass weniger los ist, wenn man hier über den Drosteiplatz guckt. Das liegt wohl an der Verunsicherung der Leute und vielleicht auch am Krieg und den Spritpreisen.“ Die Buchhändlerin betont, dass sie auch von Kunden immer mal wieder hört, dass sie eine Veränderung im Pinneberger Einzelhandel wahrnehmen. Bedauert werde beispielsweise nach wie vor die Schließung von Leder Homann. Lena Rahlf: „Was wir und auch die Kunden wünschen, ist, dass der Markt auch am Sonnabend stattfindet. Das würde sicherlich noch mal mehr Kunden in die Innenstadt locken.“