Kreis Pinneberg. Am 16. März tritt Gesetz zur einrichtungsbezogenen Corona-Impfpflicht in Kraft. Auswirkungen auf Gesundheitssystem sind unklar.
Während die Debatte über eine allgemeine Corona-Impfpflicht für die erwachsene Bevölkerung noch läuft, tritt mit dem heutigen Mittwoch ein vorerst bis Ende 2022 befristetes Gesetz in Kraft, das viele Menschen in Deutschland betrifft: Wer im Gesundheitswesen tätig ist, muss nachweisen, dass sie oder er gegen Covid-19 geimpft ist. Ausnahmen gibt es nur im Falle einer Genesung oder einer ärztlich attestierten Impf-Unverträglichkeit. Wer einen neuen Job antreten möchte, muss sogar zwingend geimpft sein.
Ungeimpften Pflegekräften droht unbezahlte Freistellung
Die Auswirkungen werden im Kreis Pinneberg zu spüren sein. Nur in welchem Maße, ist unklar. Denn noch ist nicht abschätzbar, wie viele ungeimpfte Menschen ihren Beruf aufgeben müssen. „Es gibt die große Gefahr, dass Menschen aus dem Beruf ausscheiden, dann die Belastung größer wird – und noch mehr Menschen ihren Beruf verlassen“, sagt der stellvertretende Landesvorsitzende des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste (BPA), Gunnar Löwe. Er ist auch Leiter des Alten- und Pflegeheims Scheel in Norderstedt. Wie in Deutschland mit der Impfpflicht umgegangen wird, macht ihn sauer. „Was ich ungerecht finde, ist, dass die Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheitswesen ausgesprochen worden ist unter dem Eindruck der Delta-Variante – und es sollte der erste Schritt sein zu einer allgemeinen Impfpflicht.“
Jetzt sei diese in weite Ferne gerückt, es werde eher über Lockerungen diskutiert. „Für die Pflegekräfte ist das stigmatisierend. Und es hat wirtschaftliche Konsequenzen.“ Wer nicht geimpft ist, erhält auch keinen Lohn. Und wer kündigt, könnte vom Jobcenter bis zu sechs Wochen gesperrt werden – dann bliebe nur die Grundsicherung. Als Arbeitgeber selbst könne er einer Person nicht so einfach kündigen, so Löwe, schließlich sei die Impfpflicht nach jetzigem Stand befristet. Theoretisch könnte eine Pflegekraft also monatelang unbezahlt freigestellt sein, im Januar 2023 aber wieder zurückkehren.
Die Kassenärztliche Vereinigung in Schleswig-Holstein hat ihre Mitglieder in der letzten Woche schriftlich auf die neue Situation vorbereitet. „Eine Weiterbeschäftigung ungeimpften Personals ist grundsätzlich gestattet, solange das zuständige Gesundheitsamt dies nicht untersagt hat. Die Fortsetzung regelmäßiger Personaltestungen sowie der Hygienevorhaben ist anzuraten“, heißt es.
Die Agentur für Arbeit Elmshorn hoffe derzeit, dass das Berufsverbot nicht allzu viele Menschen im Kreis trifft, berichtet Sprecher Gerold Melson. „Grundsätzlich spüren wir derzeit keine Veränderung bei den Arbeitslosenmeldungen, die Zahlen sind nicht wirklich gestiegen“, sagt er. Allerdings seien die betroffenen ungeimpften Mitarbeiter aus dem Gesundheitswesen Stand jetzt auch noch nicht arbeitslos. „Was wiederum die Auswertungen über die als arbeitssuchend Gemeldeten aus den Bereichen Gesundheits- und Sozialwesen angeht, hatten wir in den vergangenen drei Monaten 299 Meldungen. Das sind 81 mehr als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum“, so Melson. Er spricht hier von einer „durchaus auffälligen, erheblichen Erhöhung“.
Bisher gehe er davon aus, dass es noch eine Zeit lang dauern wird, bis ungeimpfte Arbeitnehmer aus dem Gesundheits- und Sozialwesen ihre Jobs nicht mehr ausüben dürfen und gekündigt oder freigestellt werden. Denn das Land wolle jeden Einzelfall prüfen, bevor es die schwerwiegenden Maßnahmen ergreift. Wer seinen Job nicht behalten darf, muss sich wohl oder übel „für Tätigkeiten zur Verfügung stellen, die außerhalb seines bisherigen Berufes liegen - oder die Betroffenen erheben Anspruch auf Arbeitslosengeld“, sagt Melson. Immerhin betrifft die einrichtungsbezogene Impfpflicht beinahe den gesamten Gesundheitssektor ausgenommen der Mitarbeiter in Apotheken.
Grundsätzlich gilt: Auch ungeimpfte Personen, die ihren Job verlieren, haben einen Anspruch auf Arbeitslosengeld I, also auf 60 Prozent ihres letzten Nettolohns. Wer mangels Schutzimpfung seinen Beruf verlässt, hat die gleichen Pflichten wie jede andere Person, die arbeitslos gemeldet ist.
So schnell wird es aber nicht gehen. Fehlt der Immunitätsnachweis, beginnen individuelle Verfahren. Denn der Arbeitgeber muss den Fall selbst melden – hierfür gibt seit heute ein Portal der Landesregierung, das bis 30. März offen ist. In der Regel wird eine Person dann von der Behörde zum Vorlegen des Nachweises binnen vier Wochen aufgefordert – mit dem Hinweis eines möglichen Ordnungswidrigkeitsverfahrens inklusive Geldbuße von bis zu 2500 Euro. Wird die Echtheit eines Attestes angezweifelt, könnte sogar eine ärztliche Untersuchung angeordnet werden. Zur Prüfung gehören auch Anhörungen.
Die Behörden sollen Ermessensspielraum nutzen
Im nächsten Schritt kann ein Gesundheitsamt die Tätigkeit und auch das Betreten einer Einrichtung verbieten. Aber auch hier gibt es eine Reihe von Faktoren, die berücksichtigt werden müssen: Ist bereits ein Impftermin vereinbart? Ist die Versorgungssicherheit etwa in einem Pflegeheim gefährdet? Sind verschärfte Schutzmaßnahmen im Umgang mit einer ungeimpften Arbeitskraft umgesetzt? Und: Könnte eine Person vorerst in einem Bereich ohne Patientenkontakt eingesetzt werden? Im Zweifelsfall könnten die Verfahren Monate dauern. „Ich hoffe sehr, dass die Ämter beim Aussprechen von Betretungsverboten die pflegerische Versorgung im Blick behalten“, sagt Gunnar Löwe.
Impfquote in den Kliniken liegt bei über 90 Prozent
Auch in den Regio Kliniken Pinneberg und Elmshorn wird die Impfpflicht ab morgen überprüft. Eine Sprecherin der Kliniken sagte, die Information über Mitarbeiter, deren Impfstatus unklar ist, erfolgt gemäß Vorgabe des Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren erst ab dem 16. März. Zur Meldung haben die Kliniken zwei Wochen Zeit. Grundsätzlich entscheide dann das Gesundheitsamt über das weitere Vorgehen.
Zum Beginn der Impfpflicht seien keine besonderen Maßnahmen erforderlich. Man freue sich, dass die Impfquote der Mitarbeiter mit über 90 Prozent sehr hoch ist, aktuell gehen sukzessive noch stetig Nachweise ein. Mit den Akut-Krankenhäusern in Elmshorn und Pinneberg mit insgesamt 903 Planbetten und mehr als 2400 Mitarbeitern sind die Regio Kliniken der größte private Klinikbetreiber in Schleswig-Holstein.