Kreis Pinneberg. Elfi Heesch ist die erste Landrätin des Kreises Pinneberg. Das waren die wichtigsten Themen ihres ersten Amtsjahres, und so bewertet sie selbst ihre Arbeit.
Es war sicherlich kein leichtes erstes Jahr als erste Land-rätin in der Geschichte des Kreises Pinneberg für Elfi Heesch, die gerade ihren 58. Geburtstag gefeiert hat. Die Corona-Pandemie hat vieles bestimmt und überlagert. Zahlreiche Antrittsbesuche bei Bürgermeistern, Vereinen, Verbänden und Unternehmen mussten wieder abgesagt oder in die wenigen Sommermonate verlegt werden. Entsprechend werden ihre ersten 14 Monate Amtszeit auch von den Kreispolitikern und Verwaltungschefs mit Licht und Schatten bewertet.
Sie selbst sagt über ihr erstes Jahr, dass sie sich „im Kreis Pinneberg angekommen“ fühlt: „Es war ein abwechslungsreiches Jahr, in dem wir viel auf den Weg gebracht haben – trotz der Pandemie, die uns vor immer wieder neue Aufgaben gestellt hat und weiterhin stellt“.
Ihr Ziel sei es, die Kreisverwaltung so aufzustellen, dass sie die Herausforderungen der Zukunft bewältigen und aktiv und erfolgreich gestalten könne. Dazu zählt sie in erster Linie den Klimawandel, die Mobilitätswende und die Digitalisierung, die sie „bereichsübergreifend ganz oben auf der Agenda habe“.
Aktuell hat sie eine „Koordinierungsstelle Ukraine“ aus mehreren Fachabteilungen eingerichtet, um gute Aufnahmebedingungen für die aus der Ukraine geflüchteten Menschen zu schaffen. „Unsere Gedanken und unser Mitgefühl gelten den Menschen, die in Frieden leben wollen und sich nun in einer Situation wiederfinden, in der ihre Heimat zerstört und ihr Leben bedroht wird.“
Außer Corona und der Kontaktnachverfolgung von möglichen infizierten Menschen, die das Gesundheitsamt monatelang mit mehr als 100 Mitarbeitern zum Zentrum der Kreisverwaltung machte, bestimmte dieses Thema ihre Arbeit: der geplante Neubau einer zentralen Großklinik, der am Mittwoch politisch auf den Weg gebracht wurde und bis 2032 zumindest einen der beiden Krankenhausstandorte Elmshorn und Pinneberg aufgeben wird.
Dabei merkte man, dass sie als langjährige Ministerialbeamtin in Hamburg und Brandenburg sich noch nicht so gut auskennt mit den hiesigen kommunalen Gepflogenheiten. Ein Landesgutachten, das die Schließung der Krankenhäuser zugunsten der Großklinik empfahl, hielt sie monatelang unter Verschluss. Den Besuch von Sozialminister Heiner Garg wollte sie zunächst unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden lassen.
Heesch spricht regelmäßig mit den Bürgermeistern
Auf die Frage, ob ihr noch das Gespür fehle, wie Kommunalpolitik tickt, sagt Elfi Heesch: „Sie haben immer mit Menschen zu tun, nicht mit Einheiten, in denen alle gleich sind. Dass auch mal an einer Stelle nicht alles glattläuft, ist normal. Entscheidend ist, wie man damit umgeht.“ Politik und Verwaltung sollten die Zukunftsaufgaben gemeinsam angehen. „Mir ist es wichtig, vertrauensvoll, transparent und kooperativ mit der Politik zusammenzuarbeiten.“
Darum habe sie mit den hauptamtlichen Bürgermeistern und Amtsdirektoren regelmäßige Gesprächsrunden, meist als Videokonferenzen, vereinbart. „Zwischen den Verwaltungsleitungen und der Kreisverwaltung gibt es fest etablierte Abstimmungsformate. Im Zuge der Pandemie haben wir eine zusätzliche Kommunikationsrunde eingeführt“, sagt sie. „Darüber hinaus: Wenn es Anliegen oder Gesprächsbedarfe gibt, die direkt mit der Landrätin zu klären sind, bin ich jederzeit gesprächsbereit.“
Ihr Verhältnis zur Kreispolitik beschreibt Elfi Heesch so: „Wir sind als Kreisverwaltung – und damit auch ich als Landrätin – ein Ratgeber für Politik.“ Es gebe innerhalb der heterogenen Kreispolitik unterschiedliche Vorstellungen über den richtigen Weg. „Mein Eindruck ist, dass Politik unseren Rat und unsere Expertise sehr schätzt. Ich empfinde das Verhältnis daher als partnerschaftlich.“
Politik und Verwaltung säßen im selben Boot: „Wir handeln aus unterschiedlichen Rollen heraus, aber mit dem gleichen Ziel: die Lebensqualität der Bürger und Bürgerinnen im Kreis Pinneberg zu stärken, die wirtschaftliche Situation der Region zu verbessern und den Weg dorthin sicher, nachhaltig und damit zukunftsfähig zu gestalten.“
Elfi Heesch hat gleich in ihrem ersten Jahr die Strukturen in der Verwaltung verändert und angepasst. Viele konnten von zu Hause aus arbeiten – „als Maßnahme des Gesundheitsschutzes bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit“, sagt sie. Dazu gehörte auch „die Verstetigung zeitgemäßer Arbeitsstrukturen in der Kreisverwaltung mit mobilen Arbeitsplätzen und Desk-Sharing“.
Sie delegiert auch viele Aufgaben und Verantwortungen: „Delegation ist ein wichtiges Führungsinstrument, insbesondere in einer so großen Verwaltung wie unserer“, sagt sie.
„Meine Kernaufgabe ist das Management. Dieser Aufgabe kann ich nur nachkommen, wenn ich Vertrauen in die Mitarbeitenden habe, dass diese ihre Aufgaben im Hinblick auf definierte Ziele eigenverantwortlich lösen.“ Delegieren heiße deshalb auch, die Fähigkeiten der Fachexperten wertzuschätzen und bestmöglich zu fördern.
In vielen Bereichen der Verwaltung fehlte Personal
„Ohne Delegieren ließe sich eine Behörde nicht zeitgemäß leiten“, ist ihre Erfahrung. „Als Landrätin steuere und lenke ich. Das beinhaltet auch, dass ich in bestimmte Angelegenheiten intensiver eingebunden bin und persönlich agiere.“ Entscheidungen treffe sie auf der Basis umfassender Informationen und in enger Abstimmung mit den obersten Führungskräften der Kreisverwaltung.
„Diese sind wichtige Ratgeber und informieren mich laufend über die für mich relevanten Geschehnisse und Inhalte.“ Diese Strategie ist ihr aber im Dezember auf die Füße gefallen. Da kam plötzlich heraus, dass die Ausländerbehörde zweimal die engsten Angehörigen eines im Wachkoma liegenden Patienten in Wedel zur Ausreise in die Türkei aufgefordert hatte. Erst die Ehefrau des verunglückten Torneschers, dann seinen Sohn. Die Kreispolitik war über dieses Thema nicht informiert, wurde es erst auf Nachfrage, als überregionale Medien bereits den Kreis Pinneberg als „herzlos“ beschimpften.
Wie sich schnell herausstellte, fehlte es in vielen Bereichen der Verwaltung an Personal, nicht nur im Gesundheitswesen, auch im Veterinäramt wegen der Tierseuchen und offenbar in der Ausländerbehörde, die wegen der inzwischen 40.000 Migranten im Kreis überlastet schien. Unter dem Strich beschäftigt der Kreis Pinneberg jetzt mit 1260 Mitarbeitenden 100 Männer und Frauen mehr als noch 2021.
Dabei haben 103 Menschen das Kreishaus verlassen und 205 sind neu hinzugekommen. Davon allein 43 neue Kollegen im Fachdienst Gesundheit, etwa ebenso viele im Bereich Jugend, Soziales und Teilhabe, je 20 in Personal/Organisation und Jugend/Bildung, 16 in der regionalen Rettungsleitstelle, die nun auch für den Kreis Segeberg zuständig ist. Hinzu kamen neun neue Leute in Finanzen und Controlling, acht für Sicherheit und Verbraucherschutz, sieben im Service und vier in der Kommunikation, wo Heesch die Pressestelle auf mehrere weibliche Schultern verteilt hat.
Auch der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs gehöre zu ihren Schwerpunktthemen, betont sie. Zum Jahreswechsel sind mit der neuen Buslinie 395 Orte wie Appen-Etz, Tangstedt und Hasloh zum Teil neu erschlossen. Sie selbst geht da mit gutem Beispiel voran und fährt täglich von Hamburg, wo sie mit ihrem Mann lebt und kein Auto hat, mit dem Fahrrad zum Bahnhof Altona, von dort mit dem Zug nach Elmshorn und dort wiederum mit dem Fahrrad zum Kreishaus am Stadtrand.
Eine beachtliche Strecke an der frischen Luft, die sie auch „bei Wind und Wetter mit der entsprechenden wetterfesten Kleidung problemlos“ mit dem Rad bewältige, sagt ihre neue Pressesprecherin Katja Wohlers. „Auch Dienstfahrten legt sie üblicherweise mit Rad und ÖPNV zurück.“
Landrätin kommt täglich mit Rad und ÖPNV zur Arbeit
Darum möchte sie auch gerne weiterhin die Radwege im Kreis ausbauen und sanieren und vor allem den geplanten Radschnellweg voranbringen, um die Mobilitätswende auf Kreisebene einzuleiten und umzusetzen. 65 Millionen Euro soll der 30 Kilometer lange Radschnellweg von Elmshorn nach Hamburg kosten, den die Pinneberger Kreisverwaltung federführend für die Metropolregion als erstes dieser Projekte plant.
Weil sie nicht im Kreis Pinneberg wohnt, kann sie zurzeit auch nicht wie ihre Amtsvorgänger dem Verwaltungsrat der Sparkasse Südholstein angehören. Ein Unikum, das das Sparkassengesetz vorschreibt. Nur „Einwohnerinnen und Einwohner des Trägers“ dürften das. Darum hat diese Aufgabe zwischenzeitlich Kreispräsident Helmuth Ahrens übernommen. Das ändert sich aber im nächsten Jahr, wenn der Vorsitz des Verwaltungsrates wieder von Segeberg nach Pinneberg übergeht. Und da ist sie als Landrätin gesetzt.
Elfi Heesch sieht sich als Teamplayerin. „Erfolge sind keine Einzelleistung, sondern eine Teamleistung“, ist ihr Credo. „Es geht darum, dass das Haus, das ich leite, die drängenden Aufgaben zielgerichtet aufgreift und erfolgreich löst.“ Von ihren Mitarbeitern ist sie beeindruckt: „Das Haus ist mit sehr professionellen und kundigen Fachkräften besetzt, die ihre Arbeit mit großem Engagement machen.“
Hat sie in ihrem Premierenjahr als Landrätin Fehler gemacht? „Nach mehr als einem Jahr überwiegen die Erfolge“, findet Elfi Heesch. Mit dieser Bilanz sei sie angesichts der herausfordernden Pandemie zufrieden. „Ansonsten pflegen wir in der Kreisverwaltung eine konstruktive Fehlerkultur. Fehler sind da, um aus ihnen zu lernen. Das ist unser – und natürlich auch mein – Selbstverständnis.“