Pinneberg/Elmshorn. Pinneberg Museum, Drostei und das Industriemuseum Elmshorn nehmen noch Bewerbungen an. Warum bisherige Absolventen begeistert sind.

Wer auf dem Endspurt zum lang ersehnten Schulabschluss innehält und vielleicht ein Freiwilliges Soziales Jahr in Betracht zieht, ist nicht unbedingt gleich begeistert. So war es nach dem Abitur auch bei der heute 21-jährigen Weda Kuhrau: „Man kennt das FSJ in der Schule oder im Kindergarten. Das hat mich nicht so interessiert, deswegen habe ich die Idee zunächst beiseitegeschoben“, sagt sie.

Dabei verbirgt sich unter der Bezeichnung ein wahrer Wirrwarr von Akronymen. Neben dem FSJ gibt es das BFD (Bundesfreiwilligendienst), FÖJ (Freiwilliges Ökologisches Jahr), FSJP (Freiwilliges Soziales Jahr im Politischen Leben), IJFD (Internationaler Jugendfreiwilligendienst) – und auch das Freiwillige Soziale Jahr Kultur, kurz FSJK. Die Drostei, das Pinneberg Museum und das Industriemuseum Elmshorn suchen zurzeit Freiwillige, Dienstbeginn: Anfang September. Aber wie sieht ein Jahr Kultur überhaupt aus? Träger des FSJK ist die Landesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung Schleswig-Holstein e.V.. Wie beim FSJ üblich arbeiten die Freiwilligen bis zu 40 Stunden pro Woche. Ab September 2022 gibt es dafür pro Monat 410 Euro Taschengeld.

Was einen Kulturbetrieb von den gängigen Anbietern unterscheidet? „Die Arbeit fällt dann an, wenn sie anfällt“, sagt Stefanie Fricke, künstlerische Leiterin der Drostei. Das bestätigt auch die aktuelle FSJlerin Lana-Michelle Jürvitz: „Gegen 9 Uhr bin ich hier und gucke, was ansteht: E-Mails beantworten, Social-Media-Beiträge gestalten, Webseite aktualisieren, Ideen für Plakate sammeln, ab und zu Podcasts schneiden. Dabei kann ich kreativ werden und viel Eigenes einbringen“, so die 18-Jährige.

Ein Sprung ins kalte Wasser

Für Weda Kuhrau ging es 2019 als FSJlerin in die Drostei – ein Sprung ins kalte Wasser, wie Fricke sich erinnert: „Wir hatten in der zweiten Septemberwoche einen großen Musikschultag mit Minikonzerten. Weda war gerade eine Woche bei uns und hat sich dermaßen reingekniet, dass ich am Ende bei Fragen gesagt habe: ,Da müssen Sie zu Frau Kuhrau gehen, die weiß es’. Das finde ich einfach beeindruckend. Was uns dann als Einsatzstelle natürlich auch total freut, wenn man sieht, die gucken und machen und packen mit an.“

Auch die Ex-FSJlerin erinnert sich an diesen Anfang: „Genau diese Situationen tragen ja total viel zur Entwicklung bei. Von der Konzeption zur Werbung zum Event selbst – durch die enge Zusammenarbeit habe ich einen wirklich guten Einblick bekommen.“ Veranstaltungsmanagerin ist Weda zwar nicht geworden, mit einem kultur- und geisteswissenschaftlichen Studium ist sie aber allemal in der Branche geblieben.

Zehn Jahre ist es schon her, dass Saskia Kraul als erste FSJlerin überhaupt in das Industriemuseum Elmshorn ging. Heute baut sie als Orthopädietechnikerin Arm- und Beinprothesen. „Letztlich mache ich etwas ganz anderes. Trotzdem – ich fand es toll. Es war ein sanfter Einstieg in das Berufsleben“, erzählt die gebürtige Glücksstädterin. Erst kürzlich nahm sie Kontakt zu Bärbel Böhnke auf. Der Museumschefin zufolge kommen die Ehemaligen oft zu den Veranstaltungstagen. „Ich glaube schon, dass denen das gut getan hat. Uns ja auch!“, sagt sie. „Wir als Museum bekommen immer wieder neue Impulse, wie auch damals durch Luise Evers.“

Die Studentin ist auch drei Jahre später noch stolz, wenn sie an ihr Projekt zurückdenkt. Ihr selbst geschriebenes Wandertheater mit dem Namen „Das Fräulein mit dem eigenen Kopf“ wurde gleich an vier Abenden auf der Museumsbühne aufgeführt. Von der Suche nach insgesamt 17 Schauspielern bis hin zur Maske – Luise Evers kümmerte sich mit Unterstützung ihrer Freunde und Kolleginnen um alles. „Ich wusste gar nicht, wie das ist, von morgens bis abends zu arbeiten. In der ersten Woche war ich am Nachmittag nicht zu gebrauchen“, sagt sie lachend. „Einige sagen ja, ,Kunst ist total bescheuert’. Das habe ich auch mal gesagt, aber durch mein FSJ bekam ich ein Verständnis dafür, anders zu denken. Ich sage immer noch, das war das beste Jahr meines Lebens.“

Ohne finanzielle Unterstützung ist ein FSJ schwierig

Wenn Sven-David Breuß auf seine Zeit in Elmshorn zurückblickt, kommt er zu einem ähnlichen Schluss: „Es gab viele schöne Momente. Das Jahr ging gefühlt mit einem Augenzwinkern vorbei.“ Er wirkte bei „773 Schritte durch die Zeit – Königstraße Elmshorn“ hinter der Kamera, im Schnitt und bei Interviews mit. „Der Umgang mit der Kamera hat mir gezeigt, dass ich das Vollzeit machen möchte“, sagt der Auszubildende zum Mediengestalter.

Zurück in Pinneberg: Hier absolviert Franka Schöneich gerade ihr FSJ im Museum. Ihr Augenmerk liegt darauf, die Inklusion voranzutreiben. „Ich würde das FSJ jedem empfehlen, der offen ist und Freude daran hat, anzupacken, Dinge auszuprobieren und auch mal bereit ist, Fehler zu machen.“

Was sollte bei der Entscheidung berücksichtigt werden? Saskia Kraul rät, offen dafür zu sein, auch mal kleinere Jobs zu machen. „Man muss alle Aufgaben annehmen können und sich für die Dinge interessieren.“ Jedoch müsse auch ein Auge auf die finanzielle Seite gerichtet sein, wie Weda Kuhrau sagt: „Das ist leider ein Punkt, den man beim FSJ beachten muss.“ Sprich: Ohne finanzielle Unterstützung ist ein FSJ schwierig.

Ein Theaterstück entwickeln, Filme produzieren und Werbung gestalten: Das FSJK ergänzt das oft etwas starre Bild des FSJ mit einer bunten Palette aus Möglichkeiten. Bewerbungsschluss ist offiziell am 15. März.

Die Bewerbung für das Jahr 2022/23 ist noch möglich. Für die Drostei und das Pinneberg-Museum gilt folgende Adresse:

http://www.anmelden.freiwilligendienste-kultur-bildung.de/ Für das Industriemuseum Elmshorn: info@industriemuseum- elmshorn.de zu richten.