Langeln. Ein österreichischer Regisseur entdeckt für seinen Film „Gewalten“ das platte Land im Kreis Pinneberg. Klingt komisch, ist aber so.
Am Wochenende hat die internationale Cineasten-Szene ihre Augen auf die Gemeinde Langeln gerichtet. Schließlich feierte der Film „Gewalten“ des österreichischen Regisseurs Constantin Hatz bei den 72. Internationalen Filmfestspielen Berlin, der Berlinale, seine Premiere. Einige Szenen des Films wurden in der Region gedreht.
„Gewalten“ zeigt die Lebensumstände des zarten Daniels, der in einer rauen und brutalen Welt gefangen ist. Sein Vater ist todkrank, sein Bruder verroht. Der 14-jährige Protagonist kennt nichts anderes als Härte und Kälte, Trauma und Tristesse, die für den Zuschauer in langen Einstellungen erfahrbar werden. Pflegt Daniel nicht gerade seinen Vater, der gern sterben würde, entflieht er der Grausamkeit seines Daseins, den Hundekämpfen und misshandelten Frauen, indem er mit dem Rad in den Wald hinaus fährt. Bald baut er eine Verbindung zu Marcel auf. Der Junge ist ein Außenseiter und naturverbunden - genau wie Daniel. Doch gibt es in einem so angsterfüllten Leben Raum für Freundschaft?
Gedreht wurde in Langeln auf einem stillgelegten Hof
Daniels deprimierendes Schicksal in „Gewalten“ ist ein Motiv, das Regisseur Hatz nicht zum ersten Mal verarbeitet. „Wie auch schon in meinen vergangenen Arbeiten ist in diesem Film wieder eine Familie in einer Krisensituation präsent. Innerhalb der Familie ist man nackt und demaskiert und dadurch verletzlich als auch verwundbar“, erklärt er.
Wortkarge Protagonisten, dichte Waldbestände, dünn besiedelte Provinz: Gemeinsam mit dem erst 17-jährigen Malte Oskar Frank als Daniel spielt die Stille in „Gewalten“ die Hauptrolle. Das wird besonders deutlich, wenn sie einmal unterbrochen wird – etwa durch das Gebell abgerichteter Hunde oder das Kikeriki eines Hahns. So viel sei gesagt: In den in Langeln auf einem stillgelegten landwirtschaftlichen Betrieb gedrehten Einstellungen spielt das Krähen der Hähne eine besondere Rolle.
Doch wie ist der österreichische Regisseur auf die kleine Gemeinde aufmerksam geworden? Ein Location Scout habe das Örtchen vorgeschlagen und Hatz sich „sehr schnell in dieses Motiv verliebt und daran festgehalten“, sagt er. Selbst der starke Wind, der zwischen Besichtigung und Dreh vor Ort einige Schäden verursacht hat, habe ihn nicht von den Langeln-Szenen abhalten können. „Viele Faktoren spielen bei der Auswahl von Drehorten eine Rolle. Die Prämisse war immer, Schauplätze zu finden, die nicht auf den ersten Blick konkret geografisch zu verorten sind“, sagt Hatz. „Denn eine klare Verortung würde es den Menschen, die den Film sehen, zu einfach machen.“ Vielmehr solle seine Geschichte über örtliche und zeitliche Grenzen hinweg als Lebensrealität erscheinen.
Fernab künstlerischer Erwägungen seien zudem die Produktionsbedingungen in Langeln ideal gewesen, sagt Janina Sara Hennemann: „Der Ton muss ja passen, und ein großer Parkplatz für den Lkw des Filmteams ist auch sehr wichtig.“ Die Creative Producerin war für die Betreuung der kreativen Prozesse innerhalb des Filmprojekts zuständig. Der Dreh von „Gewalten“ fand zwischen September und Ende November 2020 statt, wie sie erzählt. Neben den Langeln-Aufnahmen filmte das Team außerdem in Hamburg, etwa in der Turnhalle der Schule Carsten-Rehder-Straße in Altona. Die meisten Außenaufnahmen des Filmes entstanden im Harz.
Den Film wird vorerst nur auf Festivals zu sehen sein
In der Sektion „Perspektive Deutsches Kino“, die deutschsprachige Werke junger Regisseure vorstellt, läuft „Gewalten“ bis zum 20. Februar insgesamt sechsmal auf der Berlinale. Kameramann Rafael Starman ist zudem als Perspektive-Talent mit dem Heiner-Carow-Preis zur Förderung der deutschen Filmkunst ausgezeichnet worden.
Finanziert haben den Film unter anderem die MOIN Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein und die Medienförderungsgesellschaft Nordmedia der Bundesländer Niedersachsen und Bremen. Wann der Streifen in den Kinos anläuft, ist noch ungewiss. Erst mal soll er auf weiteren europäischen Filmfestivals Station machen.