Kreis Pinneberg. Das Bündnis Klinikrettung befürchtet, dass sich mit der geplanten Zentralklinik die medizinische Versorgung verschlechtert.

Geschäftsleitung, Betriebsrat und ein Großteil der etwa 1800 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Regio-Kliniken sprechen sich seit Monaten für den geplanten Neubau einer Zentralklinik im Kreis aus, für die die beiden Krankenhäuser in Elmshorn und Pinneberg mit zusammen etwa 800 Betten bis 2030 geschlossen werden sollen.

Auch Sozialminister Heiner Garg hat sich bei seinem Vortrag vor dem Kreistag im November für den etwa 400 Millionen teuren Neubau starkgemacht. Der anfänglich angekündigte Widerstand aus Pinneberg und Elmshorn ist merklich abgeebbt und kaum noch zu vernehmen. Beide Kommunen scheinen nun eher um den künftigen Standort der Großklinik zu buhlen.

Kreis Pinneberg: Elmshorner gegen neue Zentralklinik

Jetzt melden sich aus Elmshorn zwei Männer, die sich als Vertreter der „Basis“ verstehen. Peter Brandt und Heinz Stehr sprechen sich klar gegen „das Vorhaben Zentralklinik des Sana-Konzerns“ aus. Die beiden Männer im Rentenalter sind in der Region keine Unbekannten: Heinz Stehr war von 1996 bis 2010 DKP-Bundesvorsitzender und gehört immer noch der DKP an.

Er ist auch langjähriger Gewerkschafter bei der IG Metall. Von Beruf war der heute 76-Jährige Diplom-Ingenieur für Schiffsbetriebstechnik. Peter Brandt (72) war von Beruf IT-Entwickler und von 2015 bis 2018 Pinneberger Kreisvorsitzender des DGB.

330 Kliniken in den vergangenen 20 Jahren geschlossen

Über die Neubaupläne sagt Brandt: „Die medizinische Versorgung der Bevölkerung im Kreis Pinneberg wird dar­unter leiden.“ Vor allem die ambulante Versorgung werde sich verschlechtern, sind sich die beiden Elmshorner sicher. Sie betonnen: „Es geht dem privaten Sana-Konzern doch nur ums Geld. Die Aktionäre machen Druck wegen der Rendite. Ob das aber gut für unsere Gesellschaft hier vor Ort ist, da haben wir große Zweifel.“

Brandt und Stehr haben sich dem Bündnis Klinikrettung angeschlossen, das sich bundesweit gegen die Schließung kleinerer Krankenhäuser ausspricht und vor einem „Kahlschlag“ warnt. In den vergangenen 20 Jahren seien bereits 330 Kliniken geschlossen worden und inzwischen fast 40 Prozent der noch 1914 Krankenhäuser in privater Hand. Die Kernforderung dieses Bündnisses lautet: „Keine gewinnorientierte Wirtschaftlichkeit in der gesundheitlichen Versorgung, sondern Selbstkostenvergütung.“ Für Heinz Stehr ist das der Hauptpunkt seiner Kritik: „Die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung ist eine öffentliche Aufgabe, die nicht privatisiert werden darf.“

Die bestehenden Kliniken sollten saniert werden

Die beiden Männer haben sich mit ihrem Anliegen an die Bürgermeister der betroffenen und umliegenden Kommunen, die Kreisverwaltung und die Kreistagsfraktionen gewandt, die voraussichtlich im März dazu eine Entscheidung treffen werden. „Wir haben etwa 30 Schreiben versandt und positive wie negative Rückmeldungen erhalten“, sagt Brandt. Der Kreis Pinneberg besitzt als Minderheitsgesellschafter der Regio-Kliniken eine Sperrminorität und somit ein Mitsprache- oder Vetorecht bis 2030 zu allen Standortfragen

36 Seiten stark ist die Analyse der beiden „Klinikretter“ Brandt und Stehr. Ihr Vorschlag ist, die beiden vorhandenen Krankenhäuser zu sanieren und zu modernisieren und so für die Bevölkerung zu erhalten. So könnte der große Parkplatz vor dem Klinikum Elmshorn verlagert und dort ein Anbau entstehen, während der Betrieb der Klinik im alten Gebäude solange weiterläuft.

„Das bedeutet weniger Versorgungspotenzial“

„Die Kooperative Gesamtschule in Elmshorn ist auch so modernisiert worden, indem nebenan ein neues Schulgebäude errichtet worden ist“, sagt Brandt. „Das hat funktioniert.“ Ohnehin würde eine Sanierung der Kliniken dem Steuerzahler erheblich weniger Geld kosten, argumentieren die beiden. Die Regio-Geschäftsführung spricht selbst von einem Sanierungsstau von 200 Millionen Euro für beide Kliniken, eine Summe, die etwa halb so groß wäre wie ein zentraler Neubau.

Die „Klinikretter“ kritisieren vor allem den Wegfall einer von zwei zentralen Notfallambulanzen, die Patienten derzeit noch rund um die Uhr im Kreis erreichen können. „Das bedeutet weniger Versorgungspotenzial“, sind Brandt und Stehr überzeugt.

Kleinere Eingrffe müssten verlagert werden

Zudem verabschiede sich Sana als treibende Kraft dieses Zentral-Klinikneubaus von der ambulanten Versorgung der Bevölkerung. Kleinere Eingriffe wie Augen-OPs oder HNO-Einsätze würden dann auf Medizinische Versorgungszentren und die niedergelassenen Ärzte verlagert.

„Damit verliert die medizinische Versorgung der Bevölkerung wesentlich an Qualität“, sagt Brandt, der befürchtet, dass ein betroffener Bürger dann allein gelassen werde bei der verzweifelten Suche, einen Untersuchungstermin zu bekommen. „Versuchen Sie doch heute mal, einen Termin bei einem Facharzt zu bekommen“, sagt er. Das sei äußerst schwierig.

Vorbild für die Elmshorner ist die Westküstenklinik

Als positives Musterbeispiel betrachten sie das Krankenhaus in Brunsbüttel, das mit etwa 170 Beten im Zusammenschluss der Westküstenklinik mit weiteren Standorten in Heide und Itzehoe die medizinische Versorgung im südlichen Teil Dithmarschens abdeckt. „Das ist der Beweis, dass kleine, ländliche Krankenhäuser ohne Einbußen der Behandlungsqualität erhalten werden können“, sind Brandt und Stehr überzeugt.

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Vom privaten Sana-Konzern mit seinen 52 Kliniken und 32.000 Beschäftigten halten die beiden wenig. So habe dieser 2017 das Altenheim in Kummerfeld geschlossen und im Jahr 2020 das Krankenhaus in Wedel „gegen Proteste aus der Bevölkerung“ dichtgemacht. Zudem sind 2015 einige Dienstleistungsbereiche wie Küche und Reinigung „mit schlechteren Arbeitsbedingungen gegen den Protest der Beschäftigten und von ver.di“ ausgelagert worden. „Wer mag Sana da noch vertrauen?“, fragen Brandt und Stehr in ihrem „Klinikretter“-Positionspapier.

„Den Klinikstandort Pinneberg wollen wir erhalten"

Elmshorns Bürgermeister hat sich dagegen inzwischen mit dem Klinikneubau arrangiert. „Wir akzeptieren, dass es künftig nur noch einen, aber nicht mehr zwei Klinikstandorte im Kreis Pinneberg geben wird“, sagt Volker Hatje. Er sei aber weiterhin „fest davon überzeugt, dass Elmshorn der richtige Klinikstandort ist“. Darum werde er demnächst der Regio-Klinik-Leitung eine offizielle Bewerbung für den Standort der neuen Zentralklinik in der Krückaustadt präsentieren, kündigt Hatje an.

Aus der Kreisstadt ist Ähnliches zu hören. „Den Klinikstandort Pinneberg wollen wir erhalten. Das ist unsere Position“, sagt Stadtsprecher Marco Bröcker auf Nachfrage und deutet damit an, dass Pinneberg auch mit der neuen Zentralklinik gut leben könnte.