Ellerau/Quickborn. 150 Anlieger in Ellerau sollen 240.000 Euro für Straßenausbau zahlen. Sie sagen, die Bescheide sind falsch.
Die Straßen sind längst erneuert und schon 2017 abgenommen worden. Doch erst jetzt, mit den fälligen Abrechnungen, wittern Anwohner des Birkenecks, des Birkenstiegs und des Lärchenecks in Ellerau eine „Posse“. Ihre Gebührenbescheide für den Ausbau seien nicht nur viel zu hoch ausgefallen und erst vier Jahre nach dem Ende der Arbeiten eingegangen – sie seien auch dilettantisch erstellt worden.
Ellerau: Gemeinde stellt Anwohnern Ausbau in Rechnung
Vor ein paar Wochen, kurz vor Weihnachten, trudelten die Bescheide ein. Die Gemeinde Ellerau hat die umlagefähigen Ausbaukosten in Höhe von rund 240.000 Euro den etwa 150 Anliegern in Rechnung gestellt. Erstellt hat die Kostenbescheide eine externe Fachfirma. Beauftragt wurde die Firma von der Quickborner Verwaltung, die Ellerau seit Juli 2019 mitverwaltet. Doch 30 Anlieger zweifeln die Berechnungen an, sie seien völlig falsch.
Anwohner Jörn Zellmer aus dem Birkeneck geht sogar so weit, dass die gesamte Kalkulation nicht stimme und die Bescheide damit unrechtmäßig wären. Falls er damit Recht hätte, könnte die Gemeinde auf den Kosten sitzenbleiben, da die Bescheide nach vier Kalenderjahren verjährt sind. Wohl ein Grund dafür, dass die Schreiben unbedingt bis Ende 2021 noch den Anliegern zugeschickt werden mussten.
„Das ist eine echte Posse“, sagt Anlieger Zellmer. Über die müsste man eher lachen, wenn sie nicht so ernst wäre für die Betroffenen und die Gemeinde. Er hat in seinen drei Bescheiden – für drei verschiedene Grundstücke – einen gravierenden Denkfehler sowie mehrere Rechenfehler entdeckt, weil falsche Formeln angewandt wurden und „milchmädchenhaft“ gerechnet worden sei.
30 Anwohner legen Beschwerde ein
Wegen der vierwöchigen Zahlungsfristen, die trotz seines Widerspruchs keinen Aufschub duldeten, habe er die verlangten 9000 Euro für seine 2600 Quadratmeter bezahlt, sagt Zellmer. Dabei würde er eigentlich nur etwa die Hälfte dieser Summe zahlen müssen. Weder in der Gemeinde Ellerau noch in der Quickborner Verwaltung sei er damit durchgedrungen und habe nun Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den zuständiger Fachbereichsleiter in Quickborn eingelegt.
Das ist Erik Grasselt-Eulgem, seit dreieinhalb Jahren leitet er den Fachbereich Recht in der Quickborner Verwaltung. Er sagt, etwa 30 der 150 betroffenen Anlieger in Ellerau hätten Widerspruch gegen die Bescheide eingelegt. Die Schriftsätze habe eine externe Fachfirma aus Kiel im Auftrag Quickborns erstellt und berechnet. „Wir werden jetzt jeden einzelnen Widerspruch ganz genau prüfen.“ Sollte sich dabei eine fehlerhafte Berechnung bestätigen, würden Betroffene selbstverständlich einen korrigierten Bescheid erhalten und das womöglich zu viel gezahlte Geld verzinst erstattet bekommen, sagt er.
Falls sich gar herausstellen sollte, dass Grundannahmen nicht richtig seien, würden die Bescheide korrigiert, erklärt Grasselt-Eulgem. Er gehe aber davon aus, dass die Bescheide auch dann rechtswirksam und nicht verjährt seien.
Um mehr als 4000 Euro verrechnet?
Im konkreten Fall des Anwohners Zellmer geht es um drei Grundstücke. Auf einem steht sein Haus, ein zweites betrifft die Zufahrt. Für beide wird er mit 3,98 Euro je Quadratmeter belangt, was zusammen knapp 4800 Euro ausmacht. Für ein weiteres, das größte seiner drei Grundstücke, eine Erholungsfläche, ist ihm derselbe Quadratmeterpreis in Rechnung gestellt worden.
Doch weil dieses Areal außerhalb des Bebauungsplangebiets liege, hätten dafür laut Ellerauer Satzung nur drei Hundertstel des Rechnungsbetrages zugrunde gelegt werden dürfen, so Zellmer. Statt 4596,90 Euro wären das nur 137,91 Euro – also 4459 Euro weniger, rechnet Zellmer vor.
Abgesehen von falschen Multiplikationen in den Berechnungen seines Bescheids weist der Ellerauer zudem auf ein womöglich grundsätzliches Malheur hin, das alle Bescheide unwirksam machen könnte. So wird die Gesamtgröße aller 150 Grundstücke in den Bescheiden mit 61.055,41 Quadratmetern angegeben – ohne eine Aufschlüsselung, welche davon innerhalb des B-Plangebiets und damit voll heranziehbar sind und welche mit dem sogenannten „Vorteilsfaktor“ 0,03 multipliziert und damit erheblich kostengünstiger werden müssten, weil sie außerhalb des B-Plangebiets liegen.
Anwohner sind „stinksauer“ über Ausbaubeitrag
„Wenn ich einen Betrag durch eine Gesamtanliegerfläche teile, um Kosten pro Quadratmeter zu berechnen, sollte man die unterschiedlichen Wertigkeiten der Flächen bedenken“, sagt Zellmer. Das sei hier aber nicht geschehen. „So wie es im Bescheid angegeben ist, ist die Formel falsch. Daran kann man erkennen, dass hier grobe Fehler zu Lasten der nicht beteiligten Gemeindemitglieder entstehen.“ Ein Haushaltsdefizit für Ellerau erscheine ihm „unausweichlich“.
Das sind aber nicht die einzigen Kritikpunkte aus diesem Gebiet. Zellmers Nachbar Marco Leoni ist ebenfalls „stinksauer“ über den Ausbaubeitragsbescheid. „Unsere Straße ist vor 50 Jahren nur mangelhaft hergestellt worden“, sagt der Ellerauer, der hier seit 1991 lebt. Somit hätte den Anliegern die Erneuerung jetzt gar nicht erst in Rechnung gestellt werden dürfen.
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Ellerau: Ausbausatzung existiert erst seit 2015
Dies habe die SPD auch 2015 verhindern wollen. Erst damals hatte die Gemeindevertretung die Ausbausatzung eingeführt. Der damalige Bürgermeister Eckart Urban habe sie sogar zum 1. Januar 2017 einführen wollen, dann hätte sie für die Anlieger im Birkeneck noch nicht gegolten, ärgert sich Leoni. Urban habe damals von höchstens 2,90 Euro je Quadratmeter Grundstück gesprochen, erinnert sich Leoni an die Einwohnerversammlung dazu von 2016.
Der heutige Bürgermeister Ralf Martens (BVE) ist selbst Anwohner und fühlt sich in der Sache befangen. Er könne aber erklären, warum es nach der Abnahme der ausgebauten Straßen im September 2017 noch vier Jahre bis zur Veranlagung der Anlieger gedauert hat.
Damals sei noch die Stadt Norderstedt zuständig gewesen, die die Gemeinde Ellerau bis Mitte 2019 verwaltet hat. Diese aber habe die Berechnung der Ausbaubeiträge zurückgestellt, da sie das Verfahren wegen der zu erwartenden Einsprüche der Betroffenen nicht mehr bis Mitte 2019 hätte abschließen können. Die Quickborner Verwaltung habe sich nach der Übernahme Elleraus wiederum erst einarbeiten müssen und konnte die notwendige Bürgerversammlung wegen der Coronapandemie erst im November 2021 statt im Frühjahr machen, erklärt Fachbereichsleiter Grasselt-Eulgem.
Er glaubt aber nicht, dass die Gemeinde auf den Kosten sitzenbleiben werde. Wenn keine grob fahrlässige oder vorsätzliche Schuld für etwaige Fehler vorliege, würde eine Gemeindeausfallversicherung greifen. Elleraus Bürgermeister Martens wiederum warnt: Im Zweifel würde Ellerau die Quickborner Verwaltung „in Regress nehmen“, sagt er. „Wir in Ellerau rechnen fest mit dieser Einnahme von 240.000 Euro aus dem Ausbau der Straßen.“